Kolumne Politik von Oben: Repräsentant Westerwelle
Ein schwuler Außenminister – das wäre ein großartiges Signal. Gegen Intoleranz in der Ferne und gegen Geschwätz in der Heimat. Oder nicht?
E s ist mir unbegreiflich, wie es der FDP gelungen ist, das beste Ergebnis ihrer Geschichte zu holen. Natürlich kenne ich die Analysen, und auf einer oberflächlichen Ebene verstehe ich sie auch. Aber tief in meinem Inneren wehrt sich etwas - mein Verstand? - dagegen, dass ausgerechnet eine Partei so erfolgreich ist, die durch den Verlauf der Wirtschaftskrise schlicht widerlegt wurde.
Erinnert sich jemand daran, wie Guido Westerwelle die Privatisierung der Altersvorsorge gefordert hat? Und den Börsengang der Bahn? Und - ach, was. Hat ja keinen Zweck mehr. Außerdem gibt es einen Aspekt, der mir an den Zukunftsaussichten des FDP-Vorsitzenden gefällt.
Guido Westerwelle ist schwul, und er will Außenminister werden. Der FDP-Vorsitzende war nie ein Vorkämpfer der Rechte von Homosexuellen. Er hat sich vor einigen Jahren nur zögernd geoutet, Bürgerrechtler mögen das zu Recht bedauern. Manche Dinge muss man über manche Leute wissen. Weil sie politische Folgen nach sich ziehen, ob die Betroffenen das nun wünschen oder nicht. Mit dem lästigen Exhibitionismus des medialen Geplappers hat das nichts zu tun.
Bettina Gaus ist politische Korrespondentin der taz.
Würde Westerwelle sich um die Finanzen, um die innere Sicherheit oder auch um die Bundeswehr kümmern wollen: seine sexuelle Orientierung wäre vollständig bedeutungslos - oder müsste es zumindest sein. Es ist noch gar nicht so lange her, da war das anders. Da galten Homosexuelle gleich aus mehreren Gründen als "Sicherheitsrisiko".
Vor einigen Wochen ist Günter Kießling gestorben, ein Vier-Sterne-General, der 1983 wegen angeblicher Homosexualität vorzeitig in den Ruhestand geschickt worden war. Er wehrte sich und ging als Sieger aus der Affäre hervor. Aber nicht etwa deshalb, weil er erfolgreich für die Rechte von Schwulen gekämpft hätte. Sondern deshalb, weil ihm die angebliche Homosexualität nicht nachzuweisen war.
Inzwischen ist die deutsche Gesellschaft einen großen Schritt weiter.
Es wird also - vermutlich - einen schwulen deutschen Außenminister geben. Darf das sein? Ungezählte Politiker, vor allem Männer und keineswegs nur Konservative, stellen diese Frage hinter gar nicht so vorgehaltener Hand. "Westerwelle in Saudi-Arabien? Wie soll das gehen?" Strenggläubige Muslime müssten es doch als Provokation empfinden, einen bekennenden Schwulen als Repräsentanten empfangen zu müssen. Schon möglich. Westlich geprägte Leute finden einige Normen in islamischen Gesellschaften ebenfalls recht unerfreulich.
Auch christliche Fundamentalisten könnten ein Problem darin sehen, einen bekennenden Schwulen empfangen zu müssen. Das allein ist kein hinreichender Grund, um sich über die Karriereaussichten von Guido Westerwelle zu freuen. Und kein Anlass, ihn für befähigt zu halten. Aber es ist ein kleiner Trost.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar