piwik no script img

Robert Crumb zeichnet die BibelLüstern im Paradies

Der Underground-Comic-Star Robert Crumb adaptiert das Erste Buch Mose. Was will die Legende der U-Comix und der Inbegriff des Hippietums mit der Genesis?

Iaak und Rebecca, aus Crumbs Feder. Bild: carlsen comics

Es gibt Dinge, die kann man nicht mehr sehen. Nicht etwa, weil sie zu schrecklich wären, sondern weil sie schrecklich erwartbar geworden sind. So trifft auf die vermeintlich großen historischen Ereignisse und Figuren des 20. und 21. Jahrhunderts der seltsame neudeutsche Begriff des Zu-Tode-fotografiert-Seins zu: Wer möchte sich schon einen weiteren Film über Hitler anschauen, wer zum x-ten Mal den Einsturz der Twin Towers?

Was uns heute der in die Ferne blickende Obama und Ussama Bin Laden vor khakifarbener Zeltwand sind, das waren in den Zeiten der klassischen Bildung Faust in seinem Studierzimmer, Don Quijote vor den Windmühlen oder Aeneas auf der Flucht aus dem brennenden Troja. Bis ins 20. Jahrhundert hinein sahen vor allem die bildenden Künste eine ihrer Hauptaufgaben darin, diesen bekannten Ikonen des kollektiven Gedächtnisses neue Facetten abzugewinnen.

Robert Crumb

geb. 1943 in Philadelphia, USA. Arbeitete als Zeichner für Glückwunschkarten in den 1960ern in Cleveland. 1967 Übersiedlung nach San Francisco und Herausgeber der "Zap Comics". 1969 schuf er mit "Fritz the Cat" seine wohl bekannteste Figur. Zusammen mit seiner Frau, der Zeichnerin Aline Kominsky-Crumb, lebt er heute in einem kleinen Ort in Südfrankreich.

Der größte Bildfundus in einer Epoche, in der nicht BMW oder O2, sondern die katholische Kirche Kunstmäzen spielte, stellte natürlich ein Buch da, das die wenigsten heute auf ihrem Nachttisch liegen haben dürften: die Bibel. Ihre visuelle Anziehungskraft, sei sie nun dem Auftraggeber oder einer genuin religiösen Gesinnung geschuldet, hat über die Jahrtausende nicht nachgelassen. Allerdings zeigt sich dabei ein bemerkenswerter Wandel von High zu Low. Wo früher Tizian oder Rembrandt Szenen aus dem Alten und Neuen Testament malten, da interessierten sich später immer weniger vermeintlich ernste Künstler dafür. Stattdessen entdeckte Hollywood in schwülstigen Sandalenfilmen die alten Stoffe für sich.

Ja, die Kirche entwickelte in Sachen Missionierung sogar einen erstaunlichen Sinn für Fortschritt, indem sie Teile der Bibel als Comic adaptieren ließ - durchaus eine Aktion mit Tradition, wenn man an die Bilderbögen der mittelalterlichen Armenbibel denkt.

Es erscheint allerdings auf den ersten Blick geradezu paradox, wenn jetzt die 66-jährige Underground-Comic-Legende Robert Crumb nach vierjähriger Arbeit eine Adaption des Buches Genesis vorlegt. Robert Crumb wohlgemerkt, der als Inbegriff des Hippietums in den Sechzigern Sex, Drugs und Rock n Roll zu Bildern werden ließ; der in seinen autobiografischen Strips gnadenlos seine Sexsucht und LSD-Trips öffentlich und den ralligen "Fritz the Cat" zu seinem Alter Ego machte. Wie also funktioniert das: Ist "Robert Crumbs Genesis" nun Ausdruck einer spirituellen Neubesinnung? Oder bleibt Crumb einfach der Alte und macht die Bibel zur Travestieshow?

Die Antwort ist: weder noch. Crumb folgt bei seinen Illustrationen tatsächlich ungekürzt und wortgetreu der archaischen Fassung der Luther-Übersetzung bzw. im Original der King-James-Bibel. In diesem rein illustrativen Charakter stechen dem Crumb-Fan zunächst die Schwächen des Projekts ins Auge: Zwar sind die vom kräftigen Strich dominierten Schwarz-Weiß-Zeichnungen unverkennbarer Crumb, doch dessen sonst so überbordende visuelle Erfindungskraft hat hier etwas stark Zurückgenommenes und ordnet sich fast sklavisch der Vorlage unter. Der Rauschebart-Gott, der Bau der Arche Noah, der Turmbau zu Babel und die Jakobsleiter: Alles ist genau so, wie man das schon tausendmal gesehen hat. Enttäuschend auch die visionären Passagen, etwa Josephs Traum von den ägyptischen Plagen, die für einen Ex-LSD-Konsumenten überraschend zahm wirken.

Kein Zweifel, Crumb meint es ernst. Hier wird nicht effekthascherisch interpretiert, sondern erst einmal ziemlich unspektakulär adaptiert. Besonders bei den vom Pathos getragenen Passagen der Luther-Übersetzung, wo die Frau noch "Männin" und die Pflanze "Kraut" heißt, geraten Crumbs realistisch-expressive Bilder dann tatsächlich zur nahezu perfekten Ergänzung. Und ist man dazu bereit, sich auf die vermeintlich bekannten Geschichten noch einmal einzulassen, wird die Lektüre mehr und mehr zum Gewinn. Denn spätestens wenn sich Adam und Eva zum ersten Mal lüstern im paradiesischen Gras wälzen, beginnt deutlich zu werden, worum es Crumb geht: nicht um die Bibel als Quelle des Spirituellen, sondern als Kraftwerk des Erzählerischen, das als Menschen-, nicht als Gotteswerk vor allem von eben solchen, von Menschen handelt. Diesen Charakter des Irdischen betont Crumb subtil durch das Fleischliche seiner Figuren. Seine Frauen sind kurvig, vom Leben gezeichnet seine faltigen Greise. Bezeichnend hierfür ist, dass Crumb die endlosen Namensaufzählungen des Stammes Abrahams nicht überspringt, sondern jedem einzelnen Familienmitglied ein eigenes individuelles Gesicht gibt.

Wegen der sprachlichen Kargheit und Kürze der Episoden vergisst man nur allzu leicht immer wieder, was für große menschliche Tragödien aus List, Hass, Liebe und Lust in dem sogenannten Buch der Bücher enthalten sind. Durch Crumbs Illustrationen entfalten sie nun ihre volle Wucht. Wo es ihm früher darum gegangen sein mag, durch subversiven Witz Augen zu öffnen, schmeichelt er ihnen hier mit bewundernswert genau recherchierten und präzise ausgeführten Details.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

15 Kommentare

 / 
  • D
    Dosenschraube

    Ich find das Comic geil. Titten und Gewalt. Was braucht eine geile Trashgeschichte mehr? Fand Crumbs schon immer top.

  • B
    Boiteltoifel

    Und wo sind jetzt so Infos wie: Erschienen am... bei... (Carlsen lt. Bildunterschrift) kostet... ???

     

    Ich möchte mir lieber selbst die Bilder ansehen und mein Urteil fällen, denn Crumbs Stil interessiert mich mehr als das Thema seiner Bilder. Neugierigen empfehle ich dazu die Bibel-Illustrationen von Gustave Doré.

  • M
    Miracolix

    Diese Welt braucht Religion und diese Welt braucht Gott.

    Crumb hat erfahren, dass es einen Gott gibt und man diesen Gott ehren muss.

     

    Wenigstens hat er aus seinem Talent einmal im Leben ein Werk geschaffen, dass dem Guten in der Welt dient.

  • H
    hto

    @hansemann

     

    nicht panisch, nicht erlebt, sondern eher zunehmend psychotisch, angesichts des mich nun schon seit fünfzig Jahren umgebenden Blödsinns, der auch in der Kunst nicht mit Freiheit zu bezeichnen ist :-)

     

    richtig und verdammt, die absolute / eindeutige Wahrheit ist mein Anspruch.

  • A
    Andreas

    Mich erstaunt die Agressivität, die hier in einigen Kommentaren hochschlägt. Crumb ist doch nicht zum wiedergeborenen Christen mutiert und missioniert jetzt für die Kirche. Er hat ein Kapitel des wohl mächtigsten und bekanntesten Schriftwerks der Menschheitsgeschichte in Comicform umgesetzt, um dessen Kraft und Faszination auszuloten und die vielen faszinierenden und teils grotesken Geschichten darin in seinem Stil umzusetzen. Um das spannend oder zumindest doch interessant zu finden, muss man doch kein gläubiger Bibelfan sein...

  • H
    hansemann

    @hto: sei mal nicht sopanisch - schon was von kunstfreiheit gehört? dein verhältnis zu religion, ist ja gestörter als das von papst benedikt zu kondomen... scheinst ja was übles erlebt zu haben. tut mir leid, aber dein gepöbel klingt auch verdammt nach dem anspruch nach absoluter wahrheit.

  • R
    Richard

    Die Bibel und Quelle der Spiritualität? Verstehe, also göttliche Morde und Mordaufrufe gegen Homosexuelle, Ungläubige und Frauen, die vor der Ehe Sex hatten, sind also spirituell wertvoll. Ach stimmt, ich hatte vergessen, dass es auch ein paar tolle Stellen von diesem herrsch- und rachsüchtigem Gott gibt. Den übrigens auch der Jesus super toll fand und deswegen ja auch die 10 Gebote bis ins praxis-untauglich verschärft hat. Danke für die widersprüchliche Nächstenliebe und die Höllenquallen in der Hölle.

     

    Und seit wann liegt bei den Christen die Frau oben beim Sex? Laut Bibel ist doch seit dem Sündenfall die Frau dem Mann untertan. Sowohl Luther als auch die römisch-katholische Kirche tolerierten Sex nur, wenn die Frau unten lag. In den USA gibt es ja heute noch in einigen Staaten Gesetze, die nur die MISSIONARSstellung erlauben.

  • EK
    Eckhardt Kiwitt

    Robert Crumb könnte sich mal den Koran in gleicher Weise vornehmen.

     

    Das würde sehr lustig !

  • PW
    P Winter

    It is all so simple.

    Crumb is still alive and works.

    Take it or leave it.

    He does not owe you anything and he can do whatever he likes.

    He may be troubled man, but it is his life.

    The article was too long.

    All we need to know is that he has a new book out.

    THOMAS V. STEINAECKER writes for money, but I don't think that he has a f&%$#g clue regarding Crumb.

  • N
    Neo

    Lieber Thomas V. Steinaecker, in bildungsbürgerlicher Pose wird uns von Dir das abgelutschte Stereotyp über die Bibel als gewinnbringendes "Kraftwerk des Erzählerischen" vorgesetzt. Hat DU sie gelesen? Machet! Und dazu ein Buchtip: Franz Buggle Denn sie wissen nicht, was sie glauben.

    Und lieber Robert Crumb, mit 66 Jahren, da fängt das Leben an. Wohl ein neues. Geht´s demnächst mit Robert Zimmermann zur Audienz...?

    Bin jedenfalls von Menschen beeindruckt, die mit 20 oder 30 den Olymp erklimmen (und nicht mit 50 oder 60), auch dann,wenn sie im Alter abrutschen.

  • PM
    Peter Maas

    @hto

    "Ja, echt scheisse, [...] Märchengeschichte [...] Konsumautisten [...] Suppenkaspermentaliät auf Sündenbocksuche [...]

     

    Alle Achtung! Warst du im VHS-Kurs "Sarkasmus für Einsteiger"?

     

    "Und noch ein schwachsinniger aber echt toller Held der Jugend ist dem Blödsinn anheim gefallen - weil im Alter die gleichermaßen ...!?"

     

    Ja? Ich höre ...

  • OH
    Oliver Hüttl

    Schöpfung und Comic? Walter Moers - Prototyp! Alles auf den Punkt gebracht. Sollte Pflichtlektüre für jeden

    Christen sein. Wenn Crumb auf seine alten Tage nicht mehr einfällt, ist ein Teil von ihm offenbar schon gestorben.

  • E
    esel

    hto: na zum glück sind viele künstler, die geschichten aus diesen büchern als anregung nehmen, intelligenter und facettenreicher, als es deine schablonenhafte fantasie erlaubt.

  • H
    hto

    Ja, echt scheisse, wenn es noch eine Neuauflage der gleichen Märchengeschichte für auf bewußtseins- und glaubensschwäche getrimmte Konsumautisten gibt - kein Wunder, bei dieser gleichermaßen gebildet-gepflegten Suppenkaspermentaliät auf Sündenbocksuche, die gewohnheitsmäßig davon ausgeht, daß die Bibel und Christus genau so und nicht anders, wie der Wettbewerb, eine absolute und unabänderliche "Wahrheit" ist!?

     

    Und noch ein schwachsinniger aber echt toller Held der Jugend ist dem Blödsinn anheim gefallen - weil im Alter die gleichermaßen ...!? :)

  • DD
    Dankwart Dussek

    Ach ja - das pralle Leben ...

    So lasset uns kurz sammeln gehen und den Schinken der Kässmann zur Inauguration schenken!