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Finanzbranche fährt Gewinne einDas erfolgreiche Jahr der Krise

Für viele Zocker hat sich 2009 gelohnt: Trotz Krise, Firmenpleiten und Kurzarbeit, mit Spekulationen war ordentlich Rendite zu machen.

Der Dax hat erstmals wieder die 6000er Marke geschafft. Bild: dpa

HAMBURG taz | "Krise? Welche Krise?", fragen erfolgreiche Anleger. Der DAX kletterte am Montag über 6.000 Punkte, nachdem er das Jahr 2008 mit 4.810 Punkten abgeschlossen hatte. Und so geht es nicht allein dem wichtigsten deutschen Börsenindex. Internationale Blue-Chip-Fonds brachten über das Jahr gerechnet mehr als 15 Prozent, weltweit die erfolgreichste Geldanlage war Gold mit einem Plus von rund 30 Prozent. Vergleichbares konnte auch mit einigen Rohstoffen und Währungen erzielt werden.

Schon seit dem Frühjahr – mitten in der tiefsten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren – bilden sich an den globalen Finanzmärkten wieder neue Spekulationsblasen. Und die neuen Bubbles "laufen ohne jede Kontrolle", wie Unctad-Chefökonom Heiner Flassbeck warnt. An den Märkten bildeten sich Gewinnerwartungen, die auf Dauer nicht zu halten sind. Dadurch entstehe ein Schneeballsystem, mit dem die Preise hochgetrieben würden.

Triebkraft hinter der neuerlicher Spekulationsbegeisterung bei Gold und Rohstoffen, Aktien und teilweise sogar schon wieder Immobilien war und ist die globale Überschussliquidität. "Nach unseren Berechnungen", so die Deutsche Bank, "schwimmt die Welt schon seit Jahren im Geld."

Durch die aktuellen Rettungsprogramme wird noch viel mehr Geld in die Finanzmärkte gepumpt. Notenbanken überall auf der Welt fluten sie mit vielen Milliarden Dollar, Euro und Yen, um die (private) Bankwirtschaft zu stabilisieren. Allein die US-Notenbank Fed stellte den US-amerikanischen Banken so viel Geld zur Verfügung, dass ihre Bilanzsumme von knapp 800 Milliarden Dollar vor der Lehman-Pleite im September 2008 auf heute rund 2 Billionen Dollar angestiegen ist. Das Gleiche gilt auch für Europa. Die Geldmenge im Euroraum steigt rasant, obwohl diesem Anstieg schon lange kein vergleichbarer Warenwert mehr gegenübersteht.

Dieses Missverhältnis kann auf Dauer nicht gut gehen. Ohnehin steht die Konjunktur auf wackeligen Füßen. Alle grundlegenden Probleme, die zur Krise geführt haben, sind weiterhin akut. Dies gilt sowohl für die hohe US-Auslandsverschuldung als auch für die Abhängigkeit Deutschlands, Japans und Chinas vom Export und für den globalen Geldüberhang. So warnt der US-Starökonom Martin Feldstein ebenso wie der kürzlich verstorbene linke Bremer Wirtschaftswissenschaftler Jörg Huffschmid: "Die Rezession ist noch nicht vorbei."

Aus Sicht der Finanzbranche stellt sich die Lage allerdings rosiger dar. Nicht nur die Spekulation, auch die sonstigen Geschäfte brummen wieder. Schließlich gibt es den Rohstoff Geld fast für umsonst. So stellt die Londoner City gerade entlassene Banker wieder massenhaft ein. Finanzinvestoren, die einst als Heuschrecken Angst und Schrecken verbreiteten, lösen sich aus der vorübergehenden Schockstarre und denken wieder an Milliardenkäufe, und die Fondsbranche setzt für 2010 auf ein Bullen-Jahr. Der Begriff Bulle soll auf einen Schaukampf zurückgehen, den kalifornische Goldgräber zwischen einem Bären und einem Stier veranstalteten: Der Stier warf den Bären mit seinen Hörnern hoch und steht heute für steigende Kurse. Davon wird Otto Normalverbraucher wenig haben: Verlierer im Krisenjahr 2009 ist sein Sparbuch. Es brachte lediglich eine Rendite von 0,5 Prozent.

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1 Kommentar

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  • BK
    Benno K.

    Erstaunlich ist in der Tat, wie einfach es ist Daten und Fakten zu ignorieren. Von einer "Heilung von Schulden mit Schulden" wirklich etwas nachhaltiges zu erwarten finde ich schon komisch. Und der Abbau sozialer Standards bei gleichzeitigem "weiter so" in der Finanzbranche wird auch nicht ewig von allen geschluckt werden.

    Das von den Banken bei vielen Gewinnen nichts zu erwarten ist, macht das ganze noch schlimmer, jedenfalls lässt dieser Artikel das vermuten:

     

    http://blog.bankhaus-rott.de/#post63

     

    "Leider werden die Steuerzahler nicht sonderlich viel davon zu sehen bekommen, bedeuten doch die Steuervorteile der Institute einen Steuernachteil des Staates. "

     

    Trotzdem allen Mitlesern und der taz ein schönes neues Jahr!