Gentrifizierung: Kompromiss für Bernhard-Nocht-Quartier
Fifty-Fifty Eigentums- und Mietwohnungen: Bezirksversammlung will städtebaulichen Vertrag schließen. Soziale Erhaltungsverordnung für St. Pauli in Prüfung.
Im Konflikt um das Bernhard-Nocht-Quartier hat sich das Investoren-Duo Köhler und von Bargen offenbar ein Stückchen auf die protestierende Nachbarschaft zubewegt. Nach Auskunft von Markus Schreiber (SPD), Bezirksamtsleiter von Mitte, hat der Bauausschuss grünes Licht für eine Baugenehmigung gegeben. Damit verbunden wäre ein städtebaulicher Vertrag mit den Investoren, der eine Sanierung des Quartiers sicherstellt. AltmieterInnen sollen günstige Mieten garantiert, ein Verhältnis von Miet- zu Eigentumswohnungen von etwa 50 zu 50 soll festgeschrieben werden.
Das Bernhard-Nocht-Quartier (BNQ) ist ein Teil des Blocks oberhalb der Hafenstraßen-Häuser und einer der Brennpunkte der Bewegung "Recht auf Stadt". Die Bewegung wendet sich gegen die Ökonomisierung der Stadt, was unter anderem bedeute, dass Viertel aufgewertet und ihre BewohnerInnen durch zahlungskräftigere Zuzügler vertrieben - "gentrifiziert" - werden.
Köhler und von Bargen wollen in dem heruntergewirtschafteten Quartier ein altes Haus abreißen, vier weitere sanieren und insgesamt acht neue bauen. Dagegen hat sich die Bürgerinitiative "NoBNQ" gegründet. Sie befürchtet, dass die heutigen Mieter sich die sanierten Wohnungen und Gewerberäume nicht mehr leisten können und dass der geplante Bau von Eigentumswohnungen das soziale Gefüge zerstört. Die Investoren kündigten an, sie würden "vermutlich in der nächsten Woche" ihr Konzept im Detail vorstellen.
Das Bernhard-Nocht-Quartier (BNQ) liegt in St. Pauli zwischen der gleichnamigen Straße, der Erich- und der Davidstraße.
Das Projekt sieht die Sanierung von vier alten Häusern und den Neubau von acht neuen vor. Es sollen vor allem Wohnungen gebaut werden. Ein Haus wird abgerissen.
Der Widerstand wird getragen von der Initiative NoBNQ. Sie ist Teil einer kritischen Bewegung, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, den Ausverkauf Hamburgs zu verhindern.
Nach Auskunft von Bezirksamtsleiter Schreiber haben sie angeboten, dass die AltmieterInnen in den gleichen Mietverhältnissen wie bisher zehn Jahre lang in den sanierten Häusern wohnen bleiben dürfen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete aller Altbauwohnungen solle bei maximal 6,50 Euro/m(2) liegen. Ermöglicht werden soll das mit öffentlichem Geld von der Wohnungsbaukreditanstalt (WK).
Bei dem gesamten Projekt solle auf jede Eigentums- eine Mietwohnung kommen, wobei die Gewerbeobjekte wie der Raum der Washingtonbar eingeschlossen wären. Im Erdgeschoss und im Keller des ehemaligen Erotic-Art-Museums sei eine Künstlerpassage geplant. An der Ausgestaltung der Pläne solle die Anwohnerschaft beteiligt werden, berichtet GAL-Fraktionschef Michael Osterburg.
"Ich hoffe, dass jetzt auch die meisten St. Paulianer sehen, dass das ein ganz guter Kompromiss ist", sagt Schreiber. Die Vorbesitzer Claus Becker und Burim Osmani hätten die Häuser dem Verfall preisgegeben. Bei Köhler und von Bargen sei das anders. "Ein bisschen ärgere ich mich, dass man sich nicht traute, Herren wie Becker und Osmani Forderungen zu stellen", sagt der Bezirksamtsleiter.
Derweil steht ein besserer Schutz des Straßenzuges vor Gentrifizierung zumindest in Aussicht. Die Behörden prüfen, ob für den größten Teil St. Paulis eine soziale Erhaltungsverordnung erlassen werden kann. Diese soll verhindern, dass Wohnungen zu Luxusobjekten saniert und in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Der Bezirk hat die nötige Vorarbeit geleistet und wird die Unterlagen demnächst an die Stadtentwicklungsbehörde weiterleiten. Diese wird prüfen, ob eine vorbereitende Untersuchung eingeleitet werden kann.
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