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Berliner Freidemokrat wechselt zur SPDFDPler entdeckt inneren Sozi

Der FDP-Abgeordnete Rainer-Michael Lehmann geht zur SPD. Rot-Rot hätte damit auch ohne den umstrittenen SPD-Mann Hillenberg zwei Stimmen Mehrheit.

Der Wechsler: Rainer-Michale Lehmann Bild: dpa

Die SPD-Fraktion bekommt unerwarteten Nachwuchs: Der langjährige FDP-Fraktionsvize und Sozialpolitiker Rainer-Michael Lehmann will Sozialdemokrat werden. Am Dienstag lag Parlamentspräsident Walter Momper ein Schreiben vor, in dem der 49-Jährige seinen Austritt aus der FDP-Fraktion erklärt. Partei- und Fraktionsspitze der Liberalen erfuhren nach eigenen Angaben aus den Nachrichten von der Entscheidung. Erst am späten Vormittag lag ihnen ein Schreiben vor, in dem Lehmann der FDP soziale Kälte vorwirft. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nannte den Wechsel eine "kluge Entscheidung" und lobte, Lehmann habe eine "hohe Kompetenz".

Gäbe es im Parlament so etwas wie eine Fangprämie, könnte die offenbar SPD-Arbeitsmarktpolitiker Burgunde Grosse beantragen. Sie sitzt mit Lehmann bislang im Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales und will ihn schon seit eineinhalb Jahren beredet haben, zu ihrer Fraktion zu wechseln. "Ich habe immer gedacht, der Lehmann gehört da nicht hin", sagte Grosse der taz. Aus seiner ganzen Art und seiner Arbeit im Ausschuss habe sozialdemokratisches Denken gesprochen. "Ich glaube, er ist wirklich eine Bereicherung für die Fraktion", sagte Grosse, der als Gewerkschafterin wenig FDP-Nähe nachzusagen ist.

Noch im Dezember allerdings hatte Lehmann Grosse in einer Plenarsitzung ausdrücklich attackiert. Inhaltliche Nähe tat sich nur auf, als Lehmann Anfang 2009 als einziger FDP-Abgeordneter mit Rot-Rot gegen das Volksbegehren "Pro Reli" stimmte. "Gut, im Parlament hat er anders geredet", räumte Grosse ein. Auch Ende Januar sprach Lehmann unter dem Beifall der FDP-Fraktion in einer großen Debatte zu Armut in Berlin und kritisierte dabei den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, kurz ÖBS. Sozialtransfers bezeichnete Lehmann bei dieser Gelegenheit als "gesellschaftliche Stilllegungsprämie". Für die SPD-Fraktion ist das kein Grund, Lehmann nicht aufzunehmen. "Der ÖBS wird ja auch bei uns teilweise kritisch gesehen", sagte der parlamentarische Geschäftsführer Christian Gaebler der taz.

Kein Zusammenhang besteht laut Gäbler zwischen dem Zeitpunkt des Wechsels und der Diskussion um den SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg (siehe unten). Mit Lehmann hätte die rot-rote Koalition auch ohne Hillenberg weiter eine Mehrheit von 76 zu 73 Stimmen im Abgeordnetenhaus.

Die Liberalen sehen das ganz anders: Lehmann habe die Hillenberg-Affäre bei der SPD genutzt, um gute Bedingungen für einen Übertritt auszuhandeln, heißt es. Sein Austritt geschehe "aus purem Egoismus", sagte FDP-Fraktionschef Meyer, inhaltliche Gründe seien vorgeschoben.

Auch der FDP-Landesvorsitzende Markus Löning vermochte Lehmanns Argumentation nicht nachzuvollziehen. "Er selbst hat doch den sozialpolitischen Teil des liberalen Sparbuchs verfasst, dass er jetzt so kritisiert", sagte Löning der taz. Unlogisch erscheint ihm, dass Lehmann jetzt soziale Kälte in der FDP bemängelt, aber ganz anders gehandelt habe, als es vor einem Jahr um die FDP-Listenplätze für die Bundestagswahl ging: Da habe Lehmann nicht ihn, sondern den damaligen Fraktionschef Martin Lindner unterstützt, einen knallharten Wirtschaftsliberalen. Löning verlangte von Lehmann, der wie alle FDP-Abgeordneten über eine Bezirksliste ins Landesparlament gekommen ist, sein Mandat an die FDP zurückzugeben.

FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben hielt Lehmann ebenfalls vor, den Wechsel nur inhaltlich verbrämen zu wollen. "Er sieht bei der FDP in Pankow seine Felle wegschwimmen und geht deshalb zu SPD", sagte sie der taz. Während laut Fraktionschef Meyer nichts auf einen Austritt hindeutete, war Senftleben zufolge ein Wechsel "immer mal wieder ein Thema". Lehmann habe es "nicht verwunden", dass er nach sieben Jahren als Fraktionsvize im vergangenen Frühjahr nicht wiedergewählt wurde. "Aber das ist doch kein Grund", findet Senftleben. Lehmann selbst war am Dienstag bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

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2 Kommentare

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  • H
    harun

    Der Parteiwechsel des FDPlers Lehmann zur SPD aus sozialethischen Gründen zeigt, dass das von neoliberalen hardlinern erzeugte Bild einer total von Herrenmoral bestimmten FDP-Mannschaft falsch ist.

     

    Auch hier Widersprüche in den Individuen und Erscheinen des Unverfügbaren ethischer Individualität.

     

    Das läßt hoffen für die Politik in der Krise. Es zeigt sowohl die Unvorhersehbarkeit individueller Entscheidungen auch von Politikern und die Notwendigkeit der Erhaltung individueller Freiheit als Fundament guter Politik.

     

    Dazu bedarf es allerdings auch einer guten Sozialethik.Eine gute Sozialethik kann in meinen Augen nur eine universalistisch-materialistische sein, die sich an den elementaren Lebens-Bedürfnissen jedes Menschen auf der Erde orientiert.

     

    Weder neoliberale noch wertkritisch-marxistische Politik läßt sich ohne umfassende Sozial-Ethik-Reflexion und -Orientierung vor der Menschheiit rechtfertigen. Das scheint mir Herr Lehmann erkannt zu haben.

  • A
    Aletheia

    Nunja, es ist ja fein, dass dieser neoliberalen FDP (gerade hier, in Berlin, aufgrund des "liberalen" Lindners) eine gehörige Klatsche widerfahren ist - doch allein, dass Lehmann bzgl. Sozialtransfers noch unlängst von "gesellschaftl. Stilllegungsprämien" schwadronierte, zeigt eben auch auf, dass sich dieser in der Buschkowsky-Sarrazin-EinheiZfront endlich wohlfühlen darf (u. wird können). - Für die "sozialdemokrat"isch-trashige SPD aber freilich ein Anlass, wieder mal die Korken knallen zu lassen, angeführt von ihrem Guru, der erst gestern (zur NRW-SPD-"Spizte"kandidatin H. Kraft) zu verstehen gab, dass die Willkür im H IV-Regime gar noch zu "beflügeln" sei.