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Embedded in GuantánamoZensur im Dienst der Presse

US-Militars demonstrieren Transparenz im Gefangenenlager Guantánamo. Fotografieren ist streng reglementiert, die Fotos werden kontrolliert. Nicht-erlaubtes wird konfiziert.

Nur dieses Photo aus Guantánamo ist nicht der Zensur zum Opfer gefallen. Bild: dorothea hahn

GUANTÁNAMO taz | Am letzten Tag vor der Eröffnung des ersten Militärgerichtsverfahrens unter Präsident Barack Obama versuchen die US-Militärs in Guantánamo Transparenz: Sie führen Journalisten aus aller Welt durch drei der neun Gefangenenlager. Wir sehen Verbotsschilder. Stacheldraht. Soldaten sämtlicher Waffengattungen, die statt des Namens eine fünfstellige Nummer auf der rechten Brust tragen. Und Gefangene, von denen wir weder erfahren, wer sie sind, noch woher sie kommen, noch wie lange und warum sie in dem Lager sind. All das sind Top-Geheimnisse.

In Lager 4 joggt ein älterer Gefangener mit weißem Bart in der Mittagshitze auf dem Innenhof. Er dreht seine Runden um den Wachturm unter der brütenden Mittagssonne. "Setzt mein Foto neben das von Bin Laden", ruft er im Vorbeilaufen den Journalisten zu, die ihn durch den Drahtzaun fotografieren.

In Lager 6 sitzen vier bärtige Männer an Pulten. Ihre Füße sind an Metallringen gefesselt, die im Zementboden eingelassenen sind. Sie haben Englischunterricht. Wir Journalisten können sie durch ein Glasfenster vom Gang aus beobachten. Wenn die Gefangenen auf uns zurückblicken, sehen sie nur sich selbst in einem Spiegel – sowie die beiden Soldaten, die sie während ihres Unterrichts bewachen. Die Soldaten, die alle 30 Minuten von zwei anderen Soldaten abgelöst werden, sind von den Schülern durch einen Drahtzaun getrennt.

Mehr zu Guantánamo

Auf blogs.taz.de ist von taz-Korrespondentin Dorothea Hahn noch mehr über ihre Guantánamo-Tour zu lesen.

Vor der Tour durch die Lager hat die US-Armee uns "gebrieft". Eine Public-Affairs-Offizierin erklärt, wie wir uns zu kleiden haben. Alle, auch die Frauen, müssen lange Hosen tragen, aus "Respekt vor den Gefangenen". Ein weiterer Offizier diktiert die Regeln für das Fotografieren in Guantánamo.

Verboten sind nicht nur Bilder von Landschaften, Wassertanks und Radaranlagen, sondern auch von Türen und Schlössern, sowie von den Badges, die jeder Journalist in Guantánamo um den Hals trägt.

Wachtürme hingegen dürfen fotografiert werden. Allerdings nur dann, wenn sie bemannt sind, wenn der Soldat in ihrem Inneren dem Foto zustimmt, und wenn nicht erkennbar ist, wo der Turm steht.

Verboten sind auch Fotos von Gesichtern. Gefangene dürfen nicht identifizierbar sein.

"Am besten fotografiert man sie von hinten. Und zwar vom Nacken abwärts", erklärt ein Offizier der US-Armee den Journalisten.

In Guantánamo sind nur Digitalkameras erlaubt. Und jedes Bild und jede Filmaufnahme, die den US-Stützpunkt verlässt, wird vorab gesichtet. Dazu hat die US-Armee eine Prozedur eingerichtet, die sie "Operation Security" nennt. Sämtliche Besucher von Guantánamo – auch alle Journalisten – müssen sich ihr unterziehen.

Am Ende der Journalisten-Tour durch die Lager muss jeder Journalist mit Kamera in einen Raum im Pressezentrum kommen, wo seine "OpSec" stattfindet. Ein Public-Affairs-Offizier und ein externer Subunternehmer schauen jedes einzelne Bild an.

Sie löschen alles, was ihnen als "sicherheits-sensibel" erscheint. Im Fall der taz sind sieben Bilder betroffen. Darunter mehrere Aufnahmen von Wachtürmen.

"Wenn ich ein Terrorist wäre", sagt der Subunternehmer Anthony Beltran, der die Zensuroperation leitet, "würde ich mich für diese Türme interessieren." Akzeptiert wird lediglich ein Bild, auf dem der Schlüsselbund in der Hand eines Soldaten zu sehen ist.

Anthony Beltran hat 22 Jahre lang für die US-Armee gearbeitet. Nach seiner Pensionierung verdient er seinen Lebensunterhalt als selbstständiger "Subunternehmer" in Guantánamo. Die Bezeichnung "Zensor" findet er falsch. "Ich garantiere die sichere legale, menschliche und transparente Berichterstattung", sagt er der taz, "damit mache ich die Arbeit von Journalisten überhaupt erst möglich."

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8 Kommentare

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    karin bryant

    was soll dieser Artikel. In allen deutschen Zeitungen wird Zensur geuebt ,auch bei der Taz.. wenn eine Zuschrift gegen die Agenda des Blattes geht.

  • AU
    Alter Unrechtsscheiber

    @P.Haller:

    Was ist mehr zu wissen, wenn wir schon wissen, mit Tatsachen, dass wir von einem rechtsfreier Raum reden? In diesem Artikel geht's darum, dass die Tatsachen mit der Regierung nichts geändert hat.

     

    @RedTAZkion:

    Was heißt "gebrieft"? Bitte "die US-Armee hat uns 'briefed' oder "die hat uns eingewiesen". Sonst auch wenn das so eingedeutscht sei, braucht man keine Anführungszeichen; oder macht der Vertreter der US-Armee Sprachwitze?

  • H
    Heiko

    Der Artikel war nicht wirklich informativ. Da sollte doch noch etwas mehr kommen. Es gibt zwar kein Rechtsfreies Internet aber immerhin ein Rechtsfreies Gefängnis!

     

    P.S. Ich hoffe, die TAZ-Redaktion kennt sich mit den gängigen Wiederherstellungsprogrammen für Bilder aus..;-) Können die Amis so doof sein und denken, daß die Bilder weg sind, wenn man auf löschen drückt..???

  • P
    P.Haller

    Wozu geht ihr eigentlich da hin ? Was wissen wir jetzt mehr ?

    Dieser Bericht ist eigentlich für'n A...

     

    Dass auf Guantanamo ein rechtsfreier Raum herrscht, wo alles, was irgendwie nach Menschlichkeit riecht, nicht sein darf, das wissen wir doch schon lange !

     

    Besser wäre es, wenn sich Wikileaks mal der Sache annehmen würde, wie es schon Kommentator 审查机关 anspricht !

    Dann wissen wir ganz sicher mehr über diesen Scheiss-US-Knast !

  • A
    Annika

    Wikileaks? Ich glaube, davor hätten sie zuviel Angst ;-) wer weiß, was den Jungs so einfallen würde.

     

    Zum Rest läßt sich gar nicht soviel sagen. Sehr interessant und in gewisser Weise auch erschreckend, aber ich kann jetzt nicht behaupten, dass mich das überrascht. Hat ja nie jemand behauptet, dass es in Guantanamo fair und menschenrechtskonform zugeht.

  • H
    Hambarger

    Haben die die kompletten SD Karten eingesackt und nur die unzensierten Fotos rausgerückt, oder waren die freundlicherweise so stümperhaft, die Fotos nur von der Card zu "löschen". In diesem Fall dürfte man mit einem von zwei Dutzend Undelete Programmen da eigentlich lässig wieder drankommen... Speziell bei FAT formatierten Cards/Sticks, was bisweilen überwiegend der Fall ist.

     

    Ganz gefuchst Journalisten hättens auch über ne WiFi SD Card (ja sowas gibts) gleich ne Kopie auf's Smartphone bringen können. Oder übers sog. Batterieteil bei Mark II und Co... Ich glaub nicht, daß der Durchschnittsmilitär das schnallt... :-)

     

    Schon die Römer wussten:

    Mundus volt decipi, ergo decipiatur.

     

     

    (Anmerkung an die TAZ-Zensur ;-): Nein dieser Satz enhält keine Beleidigungen, Schmähkritik, ... :)

  • I
    Icke

    Wie kann man sowas zulassen? Wie kann man überhaupt diplomatische Beziehungne mit so einem Staat führen?

  • 审查机关

    War Wikileaks dabei?