Koalitionsgespräche in NRW: Zwischen Skepsis und Hoffnung
SPD und Grüne sprechen am Donnerstag erstmals mit der Linkspartei über die Bildung einer rot-rot-grünen Landesregierung. Bei den Linken herrscht Misstrauen.
KÖLN/BERLIN taz | So richtig glaubt niemand in der Berliner Linksparteispitze, dass in Düsseldorf demnächst Rot-Grün-Rot regieren wird. Es wird "schwierig", sagt eine ostdeutsche Spitzenpolitikerin. Auf höchstens 20 Prozent taxiert einer die Chancen. Andererseits spekuliert man in Berlin munter über mögliche Minister der Linkspartei in Hannelore Krafts (SPD) Kabinett. Etwa über den Kölner Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge. Das zeigt, wie schwankend die Stimmung ist. Irgendwo zwischen Skepsis und der Hoffnung auf das Unerwartete.
Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen blickt dem Sondierungsgespräch mit SPD und Grünen unsicher entgegen. Manche zweifeln, ob die SPD überhaupt ernsthaft will, andere, ob die Linkspartei wirklich mit SPD und Grünen regieren kann – oder will. "Wir haben vor der Wahl und auch danach immer wieder deutlich gemacht, dass wir zu Gesprächen mit Parteien zur Verfügung stehen, wenn es um einen grundlegenden Politikwechsel im Interesse der Mehrheit der Menschen in diesem Land geht." So lautet die offizielle Sprachregelung.
"Bitte haltet euch daran, lasst euch nicht auf weitere Debatten ein." Das haben Wolfgang Zimmermann, Fraktionschef der Linkspartei, und sein Vize Rüdiger Sagel an führende Parteimitglieder gemailt. "Ansonsten kommen wir in schwierige Situationen." Doch die Genossen in NRW sind längst in einer schwierigen Situation. Denn dieses interne Schreiben und weitere Papiere aus dem inneren Machtzirkel wurden in die Öffentlichkeit lanciert. Darunter sind auch Vorschläge, wie die Partei mit SPD und Grünen verhandeln soll.
Einige Genossen torpedieren die Annäherung
Offenbar gibt es Genossen direkt im Machtzentrum der NRW-Linkspartei, die so gezielt versuchen, die rot-rot-grüne Annäherung zu torpedieren. Die Parteispitze sucht intensiv nach dem Leck. Bislang ohne Erfolg.
Der Hintergrund der Indiskretionen: Die Linkspartei, erst seit ein paar Tagen im Landtag, absolviert einen Crashkurs in Realpolitik: von einer reinen Oppositionspartei hin zur potenziellen Regierungspartei. Das bereitet etlichen Bauchschmerzen. "Die haben nicht einmal Ahnung von der Hausordnung im Düsseldorfer Landtag, geschweige denn von Paragrafen und Richtlinien, wollen aber Regierung spielen (dürfen)", heißt es in der Begleitmail des Anonymus.
Um das Unfallrisiko bei dem Manöver Rot-Rot-Grün zu mindern, ist Ulrich Maurer aus Berlin Teil der Düsseldorfer Sondierungskommission. Maurer, Exsozialdemokrat, lange Lafontaines rechte Hand, gilt als Taktiker. Die Spitze der NRW-Linken versichert zwar, Maurer sei "keine Polit-Nanny". Doch klar ist, dass er helfen soll zu verhindern, dass sich die Partei noch während der Sondierung zerlegt - und es so der SPD mit leicht macht, die NRW-Linken als unfähige Fundis darzustellen, die nicht regieren wollen.
Die Linke gehört in die Opposition
Daher beteuert Maurer, dass "nur eine verschwindend kleine Minderheit in der NRW-Linken prinzipiell für oder gegen eine Koalition" ist und "nur Inhalte" zählen. Doch es gibt mehr Genossen, denen dieser Wechsel Richtung Regierung zu rasant geht. Allerdings will kaum einer öffentlich reden – um nicht von vornherein als Gesprächsverweigerer zu gelten.
Einer der wenigen ist der linke Kölner Ratsherr Claus Ludwig. "Die Linke gehört in die Opposition und nicht in die Regierung, und an die Seite jener, die sich mit den Folgen der kapitalistischen Krise herumschlagen müssen", sagt Ludwig. Allerdings war er damit am Montagabend im Bürgerhaus Stollwerck in Köln in der Minderheit. Hier fand die erste von drei Regionalkonferenzen statt, auf der sich die Parteiführung der Unterstützung ihrer Basis versichern will. Auch am Dienstag in Bielefeld und am Mittwoch in Dortmund überwogen die Befürworter der Sondierungen.
Wie strittig Rot-Rot-Grün in der Linkspartei trotzdem ist, zeigt eine Erklärung der parteinahen Bildungsgemeinschaft SALZ e. V., die der Landtagsabgeordnete Michael Aggelidis unterschrieben hat. "Eine Regierungsmitverantwortung wie in Berlin und Brandenburg wäre ein Rückschlag und würde alle Tendenzen zur Resignation fördern", heißt es dort.
Ein Ja zu einem Haushalt, der "die Privatisierungen der letzten Jahre nicht zurücknimmt, würde jede emanzipatorische Rolle der Linken unweigerlich zerstören". Fraktionschef Zimmermann versichert indes, dass Aggelidis keineswegs grundsätzlich gegen eine Regierungsbeteiligung sei.
Das dominierende Gefühl bei der Linkspartei in NRW ist kein generelles Nein, sondern Misstrauen. "Die Sondierung wird ein Ritt auf der Rasierklinge", sagt ein linker Landtagsabgeordneter. Viele teilen den Verdacht, der SPD gehe es nur um Alibigespräche, um der Linkspartei den Schwarzen Peter zuzuschieben. Insgesamt zeichnet sich schon vor der ersten Sondierung eine heimliche Allianz ab, die Rot-Rot-Grün nicht will. Bei der SPD sind es rechte Genossen, bei der Linkspartei Regierungsverweigerer, die stören. Etwa indem sie interne Mails veröffentlichen.
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