Südafrikas Polizei schießt auf Demo: Der Aufstand der Stewards
Im Schatten des deutschen Sieges in Durban löst die südafrikanische Polizei Proteste von Stadionpersonal und Wachleuten gegen schlechte Bezahlung gewaltsam auf.
DURBAN/BERLIN taz | Die meisten Zuschauer des Spiels Deutschland gegen Australien waren schon gegangen, da kam am Stadion in Durban die südafrikanische Antiaufstandspolizei zum Einsatz. Mit Tränengas und Gummigeschossen löste sie einen Protest mehrerer hundert Mitglieder des Sicherheitspersonals auf, die gegen niedrige Bezahlung protestierten.
190 Rand (19 Euro) befanden sich in den kleinen, braunen Umschlägen, die dem Wachpersonal nach dem Spiel ausgehändigt wurden - viel weniger als vorher zugesagt, so die Stewards. "Wir haben uns beschwert", berichtete Sydney Zulu. "Als wir protestierten, haben unsere Chefs die Polizei gerufen."
Zuschauer Vonani Mabhena war noch da, als die Situation eskalierte: Er wartete auf seine Freundin, die beim Wachpersonal arbeitete. Fast 500 Stadionmitarbeiter hätten plötzlich mit Gegenständen aller Art geworfen, erinnert er sich. Bürofenster gingen zu Bruch. "Es war mitten in der Nacht, und ich hatte große Angst. Ich dachte schon, sie würden ihre Chefs alle umbringen."
Die Polizei beförderte das Wachpersonal auf die Straße. Dies dauerte eine Stunde, da die Protestierenden sich zunächst weigerten, die Räumlichkeiten des Stadions zu verlassen. Draußen ging der Protest weiter und weitete sich aus. Als die protestierenden Stadionarbeiter Straßensperren zu errichten begannen, lösten die Beamten den Protest gewaltsam auf. Mehrmals wurden Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt, rund 300 Demonstranten stundenlang eingekesselt, nach Männern und Frauen getrennt, und bis zum Morgengrauen festgehalten.
Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die Bedingungen, unter denen die vielen lokalen Helfer der Fußballweltmeisterschaft arbeiten. "Man hat uns zunächst 1.500 Rand (150 Euro) für das Deutschland-Australien-Spiel versprochen, aber hinterher haben sie uns nur 190 Rand ausgezahlt", berichtet der Wachmann Fikile Mchunu. "Das hat uns überhaupt nicht gefallen. Wir haben doch für Ruhe für zehntausende Zuschauer gesorgt." Andere berichteten, sie seien am Spieltag um 7 Uhr früh von zu Hause losgegangen; jetzt sei es ein Uhr in der Folgenacht, sie hätten keinen Transport zurück nach Hause und der Fußweg dauere vier Stunden.
Es blieb zunächst unklar, wer genau für die Einstellung und Bezahlung der Arbeiter zuständig ist. Die Fifa sagte, sie habe mit solchen Dingen nichts zu tun, und verwies auf das südafrikanische WM-Organisationskomitee LOC. Dieses verwies darauf, dass es sich um Angestellte privater Sicherheitsfirmen handelt. LOC-Sprecher Rich Mkhondo sagte, es handele sich um einen "internen Lohnstreit zwischen der wichtigsten vom Organisationskomitee beauftragten Sicherheitsfirma und einigen der von dieser Firma eingestellten Sicherheitskräften". Man werde jetzt mit der betroffenen Firma Stallion Gespräche führen, "um eine Wiederholung dieser Situation zu verhindern". Aber in Lohnbelange mische man sich nicht ein.
Gestern früh gab es erneut Spannungen, diesmal im Johannesburger Stadtteil Braamfontein. Rund 40 Angestellte der Sicherheitsfirma Innstaff demonstrierten, nachdem sie trotz teils weiter Anreise erfuhren, sie würden jetzt doch nicht wie angekündigt in Sowetos Soccer City gebraucht. Innstaff-Direktor Peter Czakan sagte, die Zahl der benötigten Arbeitskräfte hänge von der Zahl der Zuschauer ab. Es wirkt sich also offensichtlich aus, dass in den WM-Stadien Plätze leer bleiben.
"All das war zu erwarten", sagt Johan Burger, Experte vom südafrikanischen Thinktank ISS (Institute for Security Studies). "Die Polizei war auf solche Dinge vorbereitet, es war klar, dass solche Proteste stattfinden und einige Gruppen die Situation ausnutzen werden. Einige Gewerkschaften hatten bereits vor Wochen gedroht, die WM als Verhandlungsplattform zu nutzen. Wir haben die Pläne der Polizei gesehen. Sie wurde speziell für solche Proteste trainiert und ausgerüstet, und die französische Polizei hat sie beraten."
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