G-8- und G-20-Gipfel in Kanada: Teurer Schutz für Staatschefs
Mit dem größten Sicherheitsbudget aller Zeiten rüstet sich Kanada für Proteste gegen den G-8- und G-20-Gipfel. Kostenpunkt: rund eine Milliarde Euro.
Egal was am Ende an großen Zahlen herauskommt - in einer Hinsicht ist der G-8- und G-20-Gipfel am Wochenende in Kanada schon jetzt historisch: Es wird die teuerste Zusammenkunft aller Zeiten. Mindestens 1,1 Milliarden kanadische Dollar (rund 900 Millionen Euro) lässt sich die kanadische Regierung den G-20-Gipfel in Toronto und das G-8-Treffen im 200 Kilometer entfernten Ferienort Huntsville kosten. Zum Vergleich: Die G-8-Gipfel in Heiligendamm und Gleneagles hatten jeweils etwa 100 Millionen Euro gekostet, die beiden letzten G-20-Treffen in London und Pittsburgh warden zum Schnäppchenpreis von 18 bzw. 30 Millionen zu haben.
In Kanada sind nun 160 Millionen Dollar für Infrastuktur und Servicepersonal vorgesehen. Mit 900 Millionen Dollar fließt der allergrößte Teil der Ausgaben nach Angaben der Regierung in die Sicherheit. Was mit dieser riesigen Summe genau passiert, darüber lässt sich in Toronto nur rätseln. Zwar ist rund um das Tagungszentrum mitten in der Innenstadt ein doppelter Metallzaun aufgebaut worden. Doch der wirkt in seiner zusammengeschraubten Art wie ein besserer Baustellenzaun. Kein Vergleich mit der massiven, stacheldraht- und kamerabestückten Spezialanfertigung, die 2007 auf zwölf Kilometern um Heiligendamm herum errichtet worden war - und selbst dieses Meisterstück deutscher Ingenieurskunst hatte nur lumpige 12 Millionen Euro gekostet. Auch die Motor- und Fahrräder, auf denen sich Massen von jungen PolizistInnen durch die Straßen quälen, und die Busse, in denen sie verfrachtet werden, sehen nicht eben aus, als seien sie eigens für den Gipfel angeschafft worden.
Viel zu tun haben die Ordnungshüter bisher noch nicht. Denn Gipfel-GegnerInnen sind bisher nur in geringer Zahl aufgetreten. Beim von Gewerkschaften und NGOs organisierten "Peoples Summit" sprachen die Veranstalter von 800 TeilnehmerInnen. Zu einer Demo von UmweltaktivistInnen, die vor allem gegen Kanadas geplante Ausbeutung von Ölsänden protestierten, kamen am Mittwoch knapp 300 Menschen - und fast ebenso viele Journalisten, von denen einige angesichts des ernsthaften und völlig friedlichen Protests fast enttäuscht schienen. Die Polizei beschränkte sich darauf, den Verkehr zu regeln.
Noch weniger zu tun haben die Sicherheitskräfte am zweiten Zaun, der in einem Vier-Kilometer-Radius um den Ferienort Huntsville verläuft, wo am Freitag der G-8-Gipfel stattfindet. Hier sind bisher keine Proteste angekündigt. Zu kämpfen haben Polizei und Militär hingegen mit einem ganz anderen Problem - einer Mückenplage.
Für mehr Aufregung sorgte am Mittwoch die Mitteilung der Polizei, dass am Dienstag ein Mann verhaftet worden sei, dem im Zusammenhang mit den Gipfeltreffen Sprengstoffbesitz vorgeworfen wird. Nähere Angaben wurden nicht gemacht.
Während viele Medien auf der Grundlage von Agenturmeldungen berichteten, die Polizei habe einen "Sprengstoffanschlag vereitelt", zeichneten die örtlichen Zeitungen in Toronto ein anderes Bild. Bei dem Festgenommenen handele es sich um einen angesehenen Experten für Computersicherheit, der als Gegner von Überwachung und Polizeigewalt bekannt war und angekündigt hatte, beim Gipfel den Polizeifunk abzuhören. Dass er einen Anschlag geplant haben soll, halten seine Kollegen für ausgeschlossen. Die Entscheidung darüber, ob der Mann auf Kaution freigelassen werden kann, vertagte ein Gericht am Mittwoch aufs Wochenende.
Für Erschütterungen anderer Art sorgte ein Erdbeben, das in den kanadischen Provinzen Ontario und Quebec sowie in mehreren US-Staaten zu spüren war. Der Erdstoß der Stärke 5,0 ereignete sich am Mittwoch um 13.41 Uhr Ortszeit, wie die US-Erdbebenwarte mitteilte. Das Parlament in Ottawa wurde vorsorglich evakuiert.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen