Volksentscheid über Rauchverbot: Krieg um Kneipenqualm
Am Sonntag entscheidet in Bayern ein Volksentscheid über ein strengeres Rauchverbot. Gesundheitsschützer gegen die Tabaklobby und gegen die FDP.
MÜNCHEN taz | Der Mann, der Bayerns Wirten das Fürchten lehrt, steht mit breitem Grinsen in der prallen Mittagssonne auf dem Münchner Stachus und zeigt seine Siegerpose. Die Daumen nach oben gestreckt ruft Sebastian Frankenberger: „Wir sind die Ja-Sager“.
Seine Mitstreiter tragen weiße T-Shirts mit „Ja“-Aufdruck, in den Himmel schweben weiße Luftballons. Frankenberger, 29, Mitglied der kleinen Öko-Partei ÖDP, hat gegen den Widerstand von Regierung, Tabak- und Wirtshauslobby einen Volksentscheid über ein strenges Rauchverbot in Bayerns Gaststätten durchgesetzt. Seine Initiative hat fast 1,3 Millionen Unterschriften gesammelt, Wahlkampf ohne großes Budget gemacht und wenn diesen Sonntag die bayerischen Bürger über das Rauchverbot abstimmen, stehen die Chancen gut, dass Frankenbergers „Bündnis für Nichtraucherschutz“ tatsächlich gewinnt.
Nach einer Umfrage von TNS-Infratest liegen Verfechter und Gegner des Rauchverbots mit 48 und 49 Prozent fast gleichauf. „Es wird auf die Mobilisierung ankommen“, meint Frankenberger und sieht seine Initiative im Vorteil. „Wir sind ein breites Bündnis des Volkes“, sagt er. Frankenbergers Initiative wird unterstützt von Bund Naturschutz, Ärzten, dem Landes-Sportverband und SPD und Grünen. Die Initiative der Verbotsgegner, „Bayern sagt Nein“ hat ein mit 615.000 Euro ein fast fünfmal so hohes Budget. 460.000 Euro davon kommen nach Recherchen des Deutschlandfunks von Tabak-Lobbyverbänden.
Am Münchner Rindermarkt macht die FDP mobil gegen das Rauchverbot. Vor einem Wald aus Rauchverbots-Schildern steht die Generalsekretärin der bayerischen FDP, Miriam Gruß und betont: „Das ist unsere eigene Kampagne“, man werde nicht von der Raucherlobby unterstützt. Das derzeit gültige lockere Rauchverbot in Bayern ist einer der wenigen Erfolge der FDP in der bayerischen Regierungskoalition. Ein Gesetz, das niemanden stört, findet Gruß: „Ist es nicht schön, dass es ein Gesetzt gibt, das gelebt wird und im Alltag gar nicht wahrgenommen wird?“
So unkompliziert war es mit dem Rauchverbot in Bayern nicht immer. 2007 beschloss die CSU noch mit absoluter Mehrheit für die Gastronomie das strengste Rauchverbot Deutschlands. Raucher und Wirte rebellierten, die CSU verlor bei einer Wahl nach der anderen. Der größte Profiteur: die FDP. Sie machte mit der Forderung nach einem liberaleren Rauchverbot massiv Wahlkampf und wurde Regierungspartner. Seitdem gibt es großzügige Ausnahmen für Kleinraumkneipen und Bierzelte.
Das „Bündnis für Nichtraucherschutz“ will die Ausnahmen wieder abschaffen. Die FDP wehrt sich. Sie stünde im Fall einer Niederlage nach zweieinhalb Jahren Regierung fast ohne Erfolg da – und fühlt sich von ihrem Koalitionspartner im Stich gelassen. „Es ist schade, dass die CSU keine Kampagne macht“, sagt Generalsekretärin Gruß. Die hat nach den Wahlniederlagen von 2008 anscheinend genug vom Thema Rauch und schweigt seit Wochen.
Droht ab Sonntag ein Bayern ganz ohne einen Platz für Raucher? Das will selbst Sebastian Frankenberger nicht. „ Hier draußen oder im Biergarten wollen wir niemandem das Rauchen verbieten“, ruft er über den Platz. „Es geht uns nur um die geschlossenen Räume.“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen