Ökodesign auf der IFA: Fernseher kann von Kühlschrank lernen
Elektro-Schnickschnack ohne Ende gibt es ab heute auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin. Umweltschützer kritisieren: Der Stromverbrauch ist oft undurchsichtig.
BERLIN taz | Gestochen scharf flattern Papageien über Flachbildschirme, Fabelwesen turnen in 3-D-Technik durch Messestände, feuerrot leuchten die "Ferraris unter den Föhnen": Die Internationale Funkausstellung (IFA) zeigt ab dem heutigen Freitag zum 50. Mal die neuesten Elektrogeräte. Groß wie nie zuvor ist die Berliner Messe, die Branche erwartet in diesem Jahr ein Wachstum von fünf Prozent.
Die Umweltschutzorganisation BUND interessiert eine andere Zahl: Mit seinem "TV-Finder" hat er einen LED-Fernseher ermittelt, der in zehn Jahren Stromkosten von rund 160 Euro verursacht - und ein Plasmagerät, das im gleichen Zeitraum Strom für 1.300 Euro frisst.
Für den Käufer sei der Energieverbrauch nur schwer zu ermitteln, kritisiert Christian Noll vom BUND. "Es fehlt eine klare Kennzeichnung."
Seit Monaten könnten sich die EU-Kommission und die Industrie nicht auf ein Label einigen. Dabei zeigt der Energieverbrauch von Kühlschränken, wie durchschlagend eine Verbrauchskennzeichung sein kann.
1995 begannen Aufkleber den Stromverbrauch von Kühlgeräten auszuweisen. Seitdem sei er um zwei Drittel gesunken, rechnet Stéphanie Zangl vom Freiburger Öko-Institut vor.
Neben dem Labelling versucht die EU mit einer zweiten Richtlinie, den Energieverbrauch von Elektrogeräten wenigstens konstant zu halten: mit dem Ökodesign, das seit fünf Jahren in Kraft ist und seitdem in mehreren Schritten umgesetzt wird.
Für alle Produktgruppen - etwa Waschmaschinen oder Geschirrspüler - werden mit den Firmen Mindeststandards für Energieeffizienz festgelegt. Produkte, die sie nicht erfüllen, dürfen nicht mehr verkauft werden. Bekanntestes Beispiel ist die Glühbirne.
Weniger Öffentlichkeit hat die Standby-Funktion von Fernsehern erfahren. Seit Anfang des Jahres dürfen die Geräte in diesem Modus nur noch 1 Watt verbrauchen, ab 2013 nur noch ein 0,5. Bis zum Jahr 2020 werde dadurch so viel Energie eingespart, wie Dänemark jährlich verbrauche, heißt es aus dem Umweltministerium.
Auf diese Weise wurden bislang in neun Produktgruppen die schlechtesten Geräte vom Markt verbannt. Die in punkto Energieverbrauch größten Sünder - Geräte zur Heizung und Lüftung von Gebäuden - stehen allerdings noch aus.
Obwohl Umwelt- und Verbraucherverbände das Ökodesign als Erfolg werten, wird die EU ihren Energieverbrauch bis 2020 nicht senken können, sondern nur konstant halten.
"Die Effekte von effizienteren Technologien werden überkompensiert, indem etwa Fernseher immer größer werden", sagt Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband. Zudem sei es nicht nur nötig, besonders verschwenderische Produkte zu verbieten, sondern auch besonders gute besser zu fördern.
Um das zu erreichen, wird derzeit das "Top Runner"-Prinzip diskutiert: Die Hersteller der besten Produkte setzen Standards, die für alle verbindlich werden. Bislang ist aber unklar, wie ein solches Verfahren konkret aussehen könnte. Der "Blaue Engel" weist schon jetzt umweltfreundliche Produkte aus. Die Hersteller verwenden das Siegel jedoch nur zaghaft.
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