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Integration I"Deutschenfeindlichkeit" erreicht Politik

Deutschstämmige Schüler werden gemobbt, berichten Lehrer. Doch der Senat sieht vorerst keinen Handlungsbedarf. Die GEW hat die Debatte ausgelöst - und sucht nun nach Lösungen für das Problem.

Glaubt man den Berichten der Lehrer, werden an Schulen in sozialen Brennpunkten Deutschstämmige diskriminiert. Bild: AP

Der Senat lehnt sofortige Maßnahmen gegen Mobbing von deutschstämmigen Schülerinnen und Schülern ab. Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke (SPD) sagte am Dienstag nach der Senatssitzung, sie könne "überhaupt nicht bestätigen", dass bisherige Anstrengungen für Toleranz nicht ausreichten. Auch die Sprecherin der Bildungsverwaltung bemühte sich, den Ball flach zu halten. Lediglich drei Lehrer hätten von derartigen Vorfällen berichtet, relativierte sie - "3 von 27.000 Lehrern in Berlin". Nichtsdestotrotz werde der Senat das Thema angehen und in Ruhe untersuchen.

Auslöser der Debatte war ein Artikel in der Berliner Lehrerzeitung blz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom vergangenen November. Ein Kreuzberger Lehrer und seine Kollegin bemängelten darin eine "Deutschenfeindlichkeit" an Schulen in sozialen Brennpunkten. Viele deutsche Schüler empfänden sich als diskriminierte Minderheit, so die Verfasser. Sie würden bedroht und gemobbt. "Vor allem der Aufenthalt auf dem Schulhof wird zuweilen als ein Spießrutenlaufen mit diversen Beschimpfungen erlebt", heißt es in dem Text.

Die beiden Lehrer nannten mehrere Ursachen, die ihrer Meinung nach zur "wechselseitigen Abschottung" führen: "Zum einen dürfte es sich einfach um die Rückgabe erlebter Vorurteile und erlittener Diskriminierungen handeln." Migranten blieben in manchen Kiezen weitgehend unter sich, gefangen in einem Kreislauf von Transferabhängigkeit und Bildungsversagen, so ihre Einschätzung. "Sie kompensieren Frustrationen und Perspektivlosigkeit durch Macho-Gehabe." Zum anderen spielten in dem Konflikt auch aus dem traditionellen Islam herrührende Vorstellungen wie das Geschlechterverhältnis und die väterliche Autorität eine Rolle, heißt es weiter. "Die Fähigkeit, Angst zu erzeugen, verschafft Achtung und Respekt."

Der Artikel löste heftige Reaktionen innerhalb der GEW aus. "Es gab böse Briefe und Austritte", berichtet Monika Rebitzki, Sprecherin des Landesausschuss für multikulturelle Angelegenheiten. Zur Klärung veranstaltete die Gewerkschaft am vergangenen Wochenende eine Tagung. Eine weitere Lehrerin berichtete dort von ihren Erfahrungen. Auf dem Podium saß auch Yasemin Shooman vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU. Sie kritisierte vor allem den Begriff der "Deutschenfeindlichkeit". Das sei ein Kampfbegriff rechtsextremer und rechtspopulistischer Gruppen, dem eine ausgrenzende Logik zugrunde liege. "Er besagt nichts anderes, als dass diejenigen, deren Verhalten problematisiert werden soll, keine Deutschen sind und auch nicht sein können", so Shooman in ihrem Beitrag.

Mit der Tagung landete das Thema in den Zeitungen. Auch die Parteien griffen die Mobbing-Diskussion auf: Die CDU sieht sogar eine "Deutschlandfeindlichkeit an Schulen" und fordert, darüber am Donnerstag im Parlamentsplenum zu sprechen. Doch dafür fehlt den Christdemokraten die Mehrheit. Eine emotionsgeladene, vom Fernsehen eingefangene Debatte im großen Halbrund des Abgeordnetenhauses sei für ihn der falsche Weg, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, gegenüber der taz. "Die CDU will Stimmung schüren", so seine Befürchtung. Gaebler bestreitet jedoch nicht, dass es Mobbing gegen deutschstämmige Schülern gibt. "Doch da kann man sich besser mal im Bildungsausschuss mit Lehrern drüber unterhalten."

Selbst bei den Liberalen findet die CDU keine Unterstützung. FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo: "Von Deutschlandfeindlichkeit zu sprechen halte ich für abwegig." Für Elke Breitenbach, Migrationsexpertin der Linkspartei, beweisen die Berichte der Lehrer ein trauriges Prinzip: "Überall, wo es Minderheiten gibt, werden sie diskriminiert." Das sei auf keiner Ebene zu dulden.

Einige in der GEW befürchten, dass mit der Mobbing-Diskussion antimuslimische Ressentiments geschürt werden. Am Dienstagabend wollte sich die Gewerkschaft zur Klärung noch einmal zusammensetzen. "Wir haben die Debatte angestoßen. Jetzt müssen wir auch Vorschläge machen, wie die Schulen aus der Misere kommen", so Monika Rebitzki.

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11 Kommentare

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  • E
    emel

    @laotse

    (...)"Dem Lehrer ist es doch offenbar lieber, 30 Kinder mit Ausländerhintergrund in der Klasse zu haben, die sich nicht für seinen Unterricht interessieren, als Bildungshungrige." (...)

     

    stinkt hier gewaltig nach Vorurteilen!

    hier fängt doch die Zuschreibung schon an. ich nenne es mal das typische "elfenbeinsyndrom", die positiven Eigenschaften für sich beanspruchen und alles negative dem Anderen überstülpen... so kommen wir nie zu einem gesellschaftlichen Miteinander, wenn wir noch immer nicht angekommen zu sein scheinen...

  • I
    ini

    Da kann man diskutieren wie man will, ändern tut sich leider nichts in unserem Deutschland und wird sich auch nie was ändern.Ich wurde schon sehr oft beschimpft geschupst und bespuckt von Migratinonsjugendlichen Ich bin über 40 Jahre und mus mir dieses gefallen lassen. Ein Vater von den Kindern hat mal zu mir gesagt das ich in die Hölle gehöre nur weil ich einem türkischem Kind gesagt habe das er nicht so frech zu mir sein soll.Naja Deutschland halt

  • J
    Jungens-Mama

    Endlich machen die Lehrer mal den Mund auf!

     

    An unserer Grundschule hat die dort angestellte Türkisch-Lehrerin mit ihrer Intoleranz und Überheblichkeit ein ganzes Schulfest gesprengt

    (Siehe Link http://www.rp-online.de/niederrheinnord/moers/nachrichten/neukirchen-vluyn/Kinderfest-als-Kundgebung_aid_436225.html )

     

    Und niemand hat sich getraut, dagegen vorzugehen.

     

    Die Schulleitung zog den Schwanz ein, die Lehrerschaft schwieg vorsichthalber, und die Eltern, die Kritik übten, wurden als "Rassisten" beschimpft.

     

    Obwohl die Grundschule 12 Nationalitäten beherbergt, gibt es immer nur Probleme mit muslimischen Personen, die - sobald es Kritik gibt - sich in die Opferrolle zwängen und "Hilfe" schreien.

     

    Weil wir ja also so böse ausländerfeindlich sind.

     

    Ach ja - die Schulleiterin an unserer Schule hat es

    damals abgelehnt, öffentlich Stellung zu beziehen.

    Aber die Schulpflegschaft ist zurück getreten, nachdem sie massiv bedroht wurde, weil sie in der Presse ihre Meinung gesagt hatte...

     

    So viel zum Thema: Integration.

     

    Bin froh, dass meine Jungen inzwischen auf dem

    Gymnasium sind...

    - und nicht mehr mit solch dumpfen Gestalten

    ihre Vormittage verbringen müssen.

  • H
    Hatem

    @labdakos

     

    Es geht nicht darum, ob man dieses Mobbing Deutschenfeindlichkeit, Rassismus oder sonstwie nennt.Es geht darum, dass man es wahr nimmt, ernst nimmt, die betroffenen Schüler wirksam schützt und Mittel findet, um die Täter zu bestrafen. Der alleinige Appell an die Bewusstseinsebene reicht bei diesen Kindern/Jugendlichen nicht, dafür sind die Eltern zu prägend.

  • S
    SabineMohr

    1. Es heißt Deutschfeindlichkeit (siehe Duden)

    2. Die "" im Titel sind eine Frechheit.

  • L
    Laotse

    Was nutzt die beste Bildungspolitik, wenn tumbe Lehrer sie nicht umsetzen (können, wollen). Dem Lehrer ist es doch offenbar lieber, 30 Kinder mit Ausländerhintergrund in der Klasse zu haben, die sich nicht für seinen Unterricht interessieren, als Bildungshungrige. Denn dann müsste er ja arbeiten...

    Und die GEW ist ein selten trauriger Linksverein.

  • L
    locuta

    Und wieder soll der Kopf in den Sand gesteckt werden.

    Deutschfeindlichkeit? Kann doch gar nicht sein! Und, wenn es dann tatsächlich vorkommt, ist diese doch sicherlich provoziert!

    Was für ein unangenehmes Thema aber auch! Am besten totschweigen und zur Tagesordnung übergehen. Und, nicht zu vergessen, den betreffenden Lehrern einen Maulkorb verpassen. Wo kommen wir denn da hin? Da könnte ja jeder kommen!

  • R
    RedPerry

    Auch ich würde meinen Sohn gerne auf eine bunte Schule schicken und mich dort engagieren - Schulbürokraten, GEWler und solche Artikel sorgen aber für eine andere Entscheidung: Jede Brutalität wird von gewissen Kreisen entschuldigt - wenn es sich um die richtige Minderheit handelt!

  • L
    Labdakos

    @Hatem, kariane:

    Sie hätten den Originalartikel von Posor/Meyer in Vorbereitung Ihrer Kommentare sorgsam lesen sollen. Dort wird von einem Bündel an Ursachen gesprochen, das sich letztlich aller Wahrscheinlichkeit auf problematische Machtverhältnisse unter Jugendlichen zurückführen lässt. Vieles spielt sich zwischen den diskursiven Antipoden Wir vs. der/die Andere(n) ab, es geht um bekannte Segregationsmechanismen.

     

    Die Autoren machen es m. E. hinreichend deutlich (weshalb Frau Shoomans Kritik m. M. n. fehlgeht): der Begriff "Deutschenfeindlichkeit" ist nur ein vorläufiges Hilfskonstrukt, um dem Phänomen eine sprachliche Form zu geben. Wesenseigenschaften der Beschriebenen sind damit nicht gemeint.

  • K
    kariane

    Keine "Deutschenfeindlichkeit"? Wie soll man es sonst nennen, wenn "deutsch" an Kreuzberger und Neuköllner Schulen zum Schimfwort geworden ist (genau wie übrigens "schul" oder "Jude"), wenn deutsch aussehende Kinder und Jugendliche auf der Straße von grüppchenweise auftretenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund als "Schweinefresser" oder "Kartoffel" oder Schlimmeres beschimpft werden? vielleicht Kartoffelfeindlichkeit -? wäre das der Dame politisch korrekt genug?

  • H
    Hatem

    Schöne Bildunterschrift:

     

    "Glaubt man den Berichten der Lehrer, werden an Schulen in sozialen Brennpunkten Deutschstämmige diskriminiert."

     

    Und da haben wir auch schon die Lösung des Problems: Das haben sich die Lehrer doch bestimmt nur ausgedacht.

    Wir glauben ihnen einfach nicht.

    Fertig.