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Zuwanderungsäußerung von CSU-ChefSeehofer auf Geisterjagd

CSU-Chef Seehofer nimmt seine Äußerung über Einwanderung von Muslimen halbherzig zurück - und versucht, sich als rechter Flügelmann in Szene zu setzen.

"Ganz sachlich Fragestellungen für die Zukunft"? Horst Seehofer. Bild: dpa

Ist Horst Seehofer einfach missverstanden worden? Hat der CSU-Chef gar keinen Zuwanderungsstopp für Muslime gefordert? Haben erregungsbereite Medien einfach verzerrt, was er will? Seehofer erklärte am Montag, er habe nur "ganz sachlich Fragestellungen für die Zukunft beschrieben". Das Wort "Zuwanderungsstopp" sei nicht über seine Lippen gekommen. Darum werde er sich auch nicht, wie es die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte, entschuldigen.

Im Interview mit dem Focus hatte Seehofer gesagt: "Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen, wie aus der Türkei und arabischen Ländern, (mit Integration) insgesamt schwerer tun." Deshalb "brauchen wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen". Offenkundig kann man einen Zuwanderungsstopp auch fordern, ohne das Wort zu benutzen.

Die Union reagierte aufgeschreckt. Angela Merkel ließ per Pressesprecherin diplomatisch mitteilen, sie halte Seehofers Position für "nachvollziehbar". In Bulgarien, wo die Bundeskanzlerin derzeit auf Staatsbesuch weilt, ergänzte sie, dass Deutschland "ein weltoffenes Land" bleibe. Ein Bekenntnis, das offenbar als nötig empfunden wurde.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich manche Christdemokraten fragen, was der als wankelmütig geltende CSU-Mann eigentlich will. Zuletzt rätselte man in der Union, warum Seehofer sich erst vehement gegen die Aussetzung der Wehrpflicht aussprach und dann in einem unvermuteten Schwenk deren Abschaffung forderte.

Eindeutige Unterstützung bekam Seehofer nur aus der CSU. Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich erklärte, dass der Fachkräftemangel mit der Qualifizierung der eigenen Bevölkerung oder EU-Einwanderern behoben werden könne. Jedenfalls komme man ohne Angehörige "fremder Kulturkreise" aus. Im Übrigen werde man eine Partei rechts von der Union verhindern.

Dass es nur sehr wenig Zuwanderung aus muslimischen Ländern nach Deutschland gibt, macht die Forderung aus Bayern nach einem Stopp noch merkwürdiger. Offenbar geht es nicht um konkrete politische Maßnahmen. Seehofer will sich nach dem Sarrazin-Hype und der von Bild hochgespielten Debatte um Christian Wulffs Integrationsrede als rechter Flügelmann in Migrationsfragen inszenieren. Auf Details wie die reale Zuwanderung kommt es dabei nicht so an.

Doch nicht alle in der Union finden das Spiel mit Ressentiments und Zweideutigkeiten des bayerischen Ministerpräsidenten harmlos. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sieht darin den Versuch, "Menschen aus einem anderen Kulturkreis unter einen Generalverdacht zu stellen". Das laufe allen Integrationsbemühungen zuwider.

Bemerkenswert ist, dass auch Konservative in der CDU eher auf Distanz zu dem rhetorischen Sprengsatz aus Bayern gingen. So äußerte sich Uwe Schünemann, Innenminister in Niedersachsen und als Law-and-Order-Mann bekannt, skeptisch. "Was Herr Seehofer hier gesagt hat, geht eindeutig zu weit." Man dürfe Migrantengruppen nicht gegeneinander ausspielen. Seehofers Äußerungen seien reiner "Populismus". Auch Roland Koch, Ex-Ministerpräsident von Hessen und noch Vize-Chef der CDU, ließ in einem Radiointerview durchblicken, was er von Seehofers Migrationsstopp für Muslime hält: nichts.

Kritik kam auch vom Koalitionspartner FDP, der stets für eine stärker nach wirtschaftlichen Kriterien organisierte Einwanderungspolitik eintritt. FDP-Generalsekretär Christian Lindner meinte, dass Seehofer nicht zwischen "dem Ungelernten aus Anatolien und der Ärztin aus dem Iran" unterscheide. Veit Wolpert, Fraktionschef der FDP in Sachsen-Anhalt, erklärte, dass vor allem in Ostdeutschland, wo Abwanderung und Demografie Arbeitskräftemangel erzeugen, Migranten nötig seien. "Ich hätte mir", sagte Wolpert der taz, "stärkeren Widerspruch gegen die unausgegorenen Äußerungen aus der CSU gewünscht."

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8 Kommentare

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  • K
    Kalix

    Seehofer ist bestimmt nicht mein Favorit. Es ist nicht Das, was er gesagt hat, (ist nicht mehrheitsfähig), sondern es sind die Reaktionen inhaltlich und verbal, wo ich erhebliche Bauchschmerzen bekomme. Fast alle europäischen Nachbarn haben ein Zuwanderungsgesetz; nur bei uns wird bereits im Ansatz der Diskussion, siehe Frau Künast, geschrien und gekeift. Es ist nicht nur dieses Thema, wo deutsche Politiker sich vollkommen Beratungsresistenz zeigen. Europa schüttelt den Kopf und die USA nehmen uns schon seit Jahren nicht mehr ernst.

  • WK
    Werner Kraneis

    Den Casanova Horst Seehofer treibt die blanke Angst

    vor den nächsten Wahlen.

    Angst war noch nie ein guter Ratgeber.

     

    Aber wir können uns die Entwicklung in Ruhe ansehen,

    KT steht doch schon lange , gemeinsam mit seiner

    honorigen Familie und Entourage, in den Startlöchern.

     

    Bedenklich ist nur die Unterstützung, die dieser

    Ingolstädter Wankelmann immer wieder seitens der

    besten Ossi aller Zeiten erhält.

     

    Verharren wir in froher Erwartung, was uns noch geboten wird, zufriedenstellend wird es auf keinen Fall sein können.

     

    WK

  • MH
    Matthias Hufnagel

    Frau Merkel stehen aus Ihrer Kanzlerschaft bisher gut 5000 Euro im Monat Rente zu. Die Rentenbeiträge liegen derzeit bei 19,7%. Müssen also Bruttogehölter von monatlich ca. 25000 Euro zusammenkommen, um Frau Merkel alleine zu finanzieren. Das sind 300.000 Jahresgehälter, also gut 4 Green Card Fachkräfte, die ja mindestens 66.000 Euro verdienen müssen. Die sollten aber jeweils mit zwei Kindern ausgestattet sein, damit Ihre eigene Rente später auch mal gesichert ist. Für Frau Merkel alleine muss also schon mal ein Dutzend Menschen nach Deutschland einwandern.

    Fazit: Gutverdienende Kinderlose sollten stündlich all Ihren Einfluss nutzen ums so viel wie möglich Qualifizierte ins Land zu holen und außerdem ständig dafür sorgen, dass Ressentiments abgebaut werden. Viel zu viele Deutsche haben noch immer ein Herkunftskonzept von Deutschsein im Kopf, dass den Alltag für die vor dieser Folie allzuleicht identifizierbaren "Fremden" alles andere als attraktiv macht. Wir werden uns alle anstrengen müssen um für interessante und kreative Menschen aus aller Welt attraktiv zu sein.

  • B
    BiBo

    Boah, was fuer ein kugelgelagertes Faehnchen. Seehofer hat weder von Integration noch von Wirtschaft eine Ahnung, sondern bedient sich eines ekelhaften Populismusses auf Niveau der bayrischen Bierzelte.

     

    1. Im Schnitt erzeugt jeder hochqualifizierte Facharbeiter 4 weitere Stellen

    2. Wenn es genug Fachkraefte in D gaebe, die Unternehmen wuerden sie irgendwann einstellen. Gibbet nicht, also keine Einstellungen, kein Multiplikatoreffekt

     

    Ich kann dieses Gesuelze von Schuetzen des deutschen Arbeitsmarktes usw. nicht mehr hoeren.

  • V
    vic

    Der bayerische Biedermann und Brandstifter hat längst erreicht was er wollte.

    Aus allen Löchern kommen sie wieder gekrochen, die anständigen Patrioten, Nationalisten, Fremdenfeine, Menschenfeinde- und ihre nächsten Verwandten, die Rechtsextremisten.

  • J
    Jeremias

    Es wird noch der Tag kommen und Ihr werdet nach Migranten suchen.

  • V
    vic

    "Im Übrigen werde man eine Partei rechts von der Union verhindern"

    meint Friedrich - und offenbart worum es hier ausschließlich geht.

    Die Kanzlerin kann Seehofers Geschwätz "nachvollziehen" und betont zugleich die Weltoffenheit Deutschlands. Na, was denn nun?

    Ein klares sowohl-als-auch, wie immer von dieser Dame.

  • Q
    Quallenrückgrat

    Diese Äußerungen dieses Herrn zeigt einmal mehr, dass vielen Politiker ab einer bestimmten Machtfülle sich insbesondere durch Opportunismus, Rückgratlosigkeit, Feigheit, Hinterlist, Eitelkeit und unendlichem Willen zum Festhalten an der Macht auszeichnen.

     

    Dieses Land wird wirklich von Mittelmaß und Bodensatz regiert, dass durch Speichelleckerei in Parteikarrieren nach oben gespülit wurde.

     

    War Sarazzin (so platt, leicht widerlegbar und überdies von einer nicht zu übersehenden Borniertheit seine Thesen auch sein mögen - zumindest das was ich las zeugt nicht von großem Intellekt und tiefer Reflexion über die Sachen über die er schreibt) noch wenigsten zuzustehen, dass er mit seinen "volksgefühlten" Aussagen es wenigstens ehrlich meinte und damit einem großen Teil der gehirngewaschenen und sich besser dünkenden ethnisch deutschen Halbbildungsschicht dieses Landes (bestehend aus BILD-WElT UND SPON-LESERN) aus der Seele sprach, so ist bei Seehofer selbst dem einfachsten Gemüt wohl klar, dass dieser Opportunist nur mit dem Gespür einer Polit-Hyäne dem Volk nach dem Maul schreit und damit versucht zu punkten.

     

    Das wird wohl daher keine Zusatzstimmen geben für CSU und Co.

     

    Leider wird es zunehmend ungemütlich für die muslimische MInderheit in Deutschland und vielleicht ist es für viele daher Zeit, die Koffer zu packen und sich wonanders eine Zukunft zu suchen, bevor die Biedermann und die Brandstifter wieder Oberwassser bekommen und die ersten Moscheen in Flammen aufgeben und ein aufgehetzter Medienrealitätsmob Menschen durch die Straßen treiben!