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Gemeinsamer Antrag mit der KoalitionSPD und Grüne lassen Gysi schäumen

In einem Antrag fordern Union, FDP, SPD und Grüne die Freilassung eines israelischen Soldaten. Die Linkspartei wird außen vorgelassen. Das rot-rot-grüne Verhältnis ist getrübt.

„Wir werden außen vor gelassen. Das ist skandalös“: Gregor Gysi empört sich über SPD und Grüne. Bild: dpa

BERLIN taz | Eigentlich ist es nur ein fraktionsübergreifender Antrag von Union, FDP, SPD und Grünen. Für Gregor Gysi, Bundestagsfraktionschef der Linkspartei, ist er aber von entscheidender symbolischer Bedeutung für das künftige Verhältnis zu SPD und Grünen. Das scheint jetzt erneut eingetrübt.

In dem interfraktionellen Antrag, der am Donnerstag im Bundestag erstmals beraten wird, setzen sich die vier Fraktionen für die Freilassung des von der Hamas seit vier Jahren gefangen gehaltenen israelischen Soldaten Gilad Shalit ein. Die Idee eines solchen Vorstoßes stammt von der Linkspartei. Wolfgang Gehrcke, Obmann der Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss, hatte einen ersten Vorschlag für einen fraktionsübergreifenden Antrag ausgearbeitet, der von den übrigen Fraktionen nach Gysis Darstellung begrüßt wurde.

Da die Union sich aber den Grundsatz gegeben hat, mit der Linkspartei keine gemeinsamen Anträge einzureichen, hat sie letztlich gemeinsam mit der FDP einen eigenen Antrag verfasst. „Sie haben die Idee gestohlen“, empörte sich Gysi am Mittwoch. Und SPD und Grüne hätten sich der Koalition „untertänig“ entgegengeworfen. „Wir werden außen vor gelassen. Das ist skandalös“, sagte Gysi. Seine Partei hat jetzt einen eigenen, inhaltlich beinahe identischen Antrag verfasst.

Ähnliche Vorgänge gab es in der Vergangenheit häufig. Dass der Fraktionschef der Linkspartei in diesem Fall von „persönlichen Konsequenzen“ spricht und SPD und Grüne scharf angreift liegt in seiner eigenen Geschichte begründet. Vor 1945 habe er 18 Angehörige mit jüdischen Wurzeln verloren, so Gysi.

Schon vor drei Wochen hatte er die - damals noch ausstehende - Entscheidung von SPD und der Grünen in dieser Angelegenheit als richtungsweisend für die künftige Zusammenarbeit bezeichnet, den Fraktionsspitzen von SPD und Grünen dies Anfang Oktober in einem Brief auch mitgeteilt: „Zusätzlich möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Entscheidung in dieser Frage für mich von großer Bedeutung hinsichtlich der Zukunft ist“, schrieb er. Vergebens. „Das ist ein Zeichen der Unterwürfigkeit“, empörte sich Gysi am Mittwoch.

Die Grünen weisen die Kritik der Linkspartei von sich. „Wir haben bei der Gaza-Blockade einen gemeinsamen Antrag mit der Koalition gemacht. Es wäre ein merkwürdiges Zeichen, wenn wir in dieser Sache in Koalition und Opposition zerfallen“, sagte Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer, der taz. Letztlich ginge jetzt darum, dass der Bundestag ein möglichst einheitliches Votum verabschiede. Zugleich kritisiert er aber die „Borniertheit der Union bezüglich des Umgangs mit der Linkspartei“ als „bescheuert“.

Kerstin Müller, grüne Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, kündigte an, dass ihre Fraktion auch den Antrag der Linkspartei zustimmen werde, „um ein Signal an die Union zu senden, dass wir ihr Vorgehen falsch finden“, sagte sie gegenüber der taz.

Der Vorgang trübt das Verhältnis zwischen Linkspartei, SPD und Grünen erneut ein, nachdem es in den vergangenen Wochen noch nach einer zarten Annäherung aussah. In einem Strategiepapier hatten Gysi und die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch und Klaus Ernst Rot-Rot-Grün nach der Bundestagswahl 2013 als strategisches Ziel formuliert.

Gysi forderte am Mittwoch, dass SPD und Grüne das Klima zur Linkspartei bereits rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2013 verbessern müssten, sonst werde eine Regierungszusammenarbeit nicht möglich. Den Antrag der Linkspartei mitzutragen wäre ein Signal gewesen. „Ich habe gedacht, da springen sie einmal über ihren Schatten“, sagte Gysi sichtlich enttäuscht.

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13 Kommentare

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  • S
    sannio

    Da werden also um die 10 Prozent der Wähler, der wahlberechtigten Bevölkerung, die sich als "Urnenpöbel" zur Wahl begab, missachtet und geschnitten.

    Soviel zu einer repräsentativen Demokratie, in der man seine Volksvertreter wählen kann und dem Umgang mit der Linken.

    Zu den Finanzen der Linken. Was ist eigendlich mit denen der Blockparteien in der DDR passiert.

    Nur die SPD war nach der Wende eine Neugründung.

    Was ist eigendlich mit den Finanzen der Parteien geschehen, die den Unrechtstaat DDR stützten?!

  • M
    maoam

    @Günter

    schade, dass diese versuchte, konservative Retourkutsche nicht zieht. Ernst hat die "Finanzen" offengelgt, die staatsanwaltliche Hatz musste eingestellt werden.

    Sie müssen sich einer neuen Hetzkampagne anschließen.

    Den Spruch mit dem Glashaus haben sie wohl noch nicht so ganz verstanden, was?

  • V
    vic

    Das ist wirklich bescheuert.

    Sich einer vernünftigen Initiative der Partei die Linke nicht anzuschließen, nur weil man mit denen keinesfalls einer Meinung sein will.

    Die spinnen doch alle.

  • C
    ChrisB

    Mir scheint das Herr Huber und Herr Günther eine Menge "gemeinsam" haben.

    Die Linken tun halt was Die Linken tun müssen.

    CDU, FDP, Grüne, SPD hatten alle Ihre Chancen und haben diverse Male versagt, gelogen, betrogen - sich mehr als nur unglaubwürdig gemacht.

    Wieso also nicht die Linken in eine Situation bringen wo sie Ihren Wert beweisen müssen/können.

    Nachher ist man bekanntlich immer schlauer, und da ich die Allgemeindeutsche Neurose vom gefährlichen Kommunismus der SED/Linken teile (also BZ "Wissen"), werde ich es Ihnen mit meiner Stimme auch ermöglichen sich von den Üblichen Verdächtigen abzugrenzen.

    Mal sehen was draus wird.

    Und zum Thema "regierungsfähig"...welche Partei ist das schon in Deutschland?

    Um regierungsfähige Parteien zu sehen sollte man mehr in den skandinawischen Raum schauen.

    Grüße.

  • CK
    Christian Kriegsmann

    Lieber Günther,

     

    wenn Sie das Wort "Parteispendenskandal" hören, an welche Parteien denken Sie dann??

     

    Herr Ernst ist heute frei gesprochen worden.

     

    Scheiß linke Justiz oder was?

  • R
    Rubens

    @ Günther

     

    Was sollen die Parteifinanzen mit der Zustimmung zur Sache zu tun haben? Setzt eine solche Denke (auch was mögliche Koalitionen als arithmetische Rechenbeispiele anbetrifft) nicht schon auf einen abgekärten/zynischen Demokratiebegriff?

     

    Aber selbst wenn: schaut man die Finanzen durch, sodann müssten sich SPD und Grüne zunächst mal dazu äußern, warum sie im Verbund mit CDU/CSU und FDP alljährlich eine "entgeltliche Anerkennung" seitens des Allianz-Konzerns erhalten. An den politischen Inhalten contra Versicherungs- und Finanzwirtschaft dürfte das kaum liegen.

     

    Bitte daher ein Argument und weniger Personalisierung, wenn der Kommentar ein Diskussionbeitrag sein soll.

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Man sollte die Schachmetapher in der Politik nicht übertrteiben. Da gibt es eindeutige Regeln und alles ist offen sichtbar.

    Machiavelli und weit vorher die Inder im Buch Manu

    haben , wie Nietzsche des öfteren erinnerte, das "Gesetz der Fische" und das "Catch as catch can", kurz: Die Politik als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln als weit realistsichere Sichtweise etabliert.

    Gestoppt wird das nur durch Zurückführen auf das massenhafte Bedürfnis nach "Sicherheit als Tugend des Staates" der Bevölkerung.

    Das ist auch der logische Hintergrund für die Terrorismusdebatten, wohin dieser Anspruch extrem gerne von Regierungsseite regelrecht "gelenkt" wird.

    Die Veralltäglichung und Gewöhnung an ebenso regelrechte Unsicherheit ("Riskogesellschaft")

    arbeitet auch gegen das Einklagen der "raison d'etre" des Staates.

  • D
    dissenter

    @Günther

     

    Ach - finden Sie? So richtig mit Kontoauszüge vorlegen und das Sparbuch kontrollieren lassen, so wie die Hartzer auf dem Amt? Und Sie meinen, der Herr Ernst hat geschummelt und nicht angegeben, dass ihm die Oma 10 Euro zugesteckt hat, und darf deshalb bei den Erwachsenen (Gabriel, Trittin&Co.) nicht mehr mitspielen?

     

    Ich muss Sie enttäuschen: Das Ermittlungsverfahren gegen den Herrn Ernst wegen seiner Reisekostenabrechnungen hat der Staatsanwalt heute eingestellt. Das heißt, der Herr Ernst hat nicht geschummelt. Und wenn er geschummelt haben sollte, dann ist es ihm nicht nachzuweisen, also gilt er als unschuldig. So wie die Hartzer auf dem Amt als unschuldig gelten sollten und man sie nicht zwingen sollte, ihr Sparbuch vorzulegen - falls sie eins haben.

     

    Aber das ist ein anderes Thema. Das haben die Erwachsenen - die mit den blütenweißen Finanzen - verbockt.

  • C
    charlot

    mich wundert nicht, dass sich die vier Krieg bejahenden Parteien in Sachen Nah-Ost gegen die Anti-Kriegspartei verbünden. Krieg führen und demokratische Regierungsfähigkeit haben sich übrigens seit eh und je ausgeschlossen. Krieg und Demokratie sind Gegenpole.

  • W
    Westberliner

    Die ewig Gestrigen - SPD, Grüne, FDP, CDU/CSU - treten die Demokratie mit Füßen. Aus meiner Sicht gehören sie aus dem Land gejagt und die üppigen Pensionen auf Dauer gestrichen. Nicht nur die Stuttgarter sollten rufen "Lügenpack". Der Rest des landes täte auch gut daran.

     

    Für mich ist eins klar, dass ich Renate Künast nicht meine Stimme gebe, damit sie "Regierende Bürgermeisterin von Berlin" werden kann. Renate Künast ist noch zur Bundestagswahl 2009 für die Beibehaltung der Leiharbeit eingetreten. Dies erfolgte bei einer Sendung von Radio Eins, als Hörer Fragen an die Parteien stellen konnten.

     

    Es gibt ein Sprichwort: Wer sich mit Hunden schlafen legt, muss sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufwacht. SPD und Grüne haben sich nicht geändert. Sie sind noch die alte Garde wie unter Schröder.

  • G
    Günther

    Die Linken sollen erst mal ihre Finanzen auf den Tisch legen. Dann wird man sehen, ob diese Partei mit dem aktuellen Personal noch handlungsfähig ist. Herr Ernst ist vermutlich der Erste der von der Bildfläche verschwindet.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Dieser Artikel ist köstlich! Er zeichnet nach wie die Linke die politischen "Betthupferln" aller Parteien vor sich hertreibt. An dieser Stelle danke den Umfragern ganz besonders. Haben sie doch tatsächlich erreicht, dass die Sozengrünen schon jetzt besoffen sind. Ihre politische Geisterfahrerei lässt erahnen, wo das wieder hinführen soll. Ob die Deutschen wieder so dumm sein werden, wie zu Schröders Zeiten?

  • H
    Hubert

    Sehr schade, dass es in der Politik weniger um die sache geht, sondern nur um Konkurrenzkampf untereinander.

    Das Schmuddelkind die Linken wird man immer wieder versuchen auzugrenzen, nur wenn man von ihnen profitieren will, wie bei der Aufstellung eines eigenen Kandidaten zu BP dann sind die Linken willkommen.

    Wer so mit einander umgeht, der ist undemokratisch und zeigt, dass er nicht das Zeug zur Regierungsfähigkeit besitzt.