Klaus Wowereit auf Kieztour: Mit Seneca durch Neukölln
Integration ist nicht gescheitert, stellt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bei einem Besuch in Neukölln fest. Bezirkschef Buschkowsky lacht dazu.
Der Bezirksbürgermeister ließ warten - und der Regierende Bürgermeister wartete: Ganz allein saß Klaus Wowereit bei seiner Neukölln-Tour auf dem Gästepodium der Otto-Hahn-Schule. Der Duft des für den Besuch angerichteten Buffets, dass allerdings erst nach der Diskussion eröffnet werden sollte, interessierte Heinz Buschkowsky offenbar mehr. Erst ein paar Minuten später gesellte er sich zu seinem Chef - mit einem gut gefüllten Teller.
Ob das ein Zeichen dafür war, dass derzeit nicht alles zum Besten steht zwischen den SPD-Genossen Wowereit und Buschkowsky? Dass die beiden sich gerade integrationspolitisch nicht immer einig sind, ist kein Geheimnis. Noch am Samstag auf dem letzten SPD-Parteitag hatte Wowereit Buschkowsky entgegengehalten, dessen Lieblingssatz, Multikulti sei gescheitert, sei falsch. Am Mittwoch schlug er versöhnlichere Töne an. Etwa bei Buschkowskys Forderung nach einer Kitapflicht: Man sei im Ziel, mehr Kinder in die Kitas zu bringen, einig, so Wowereit: "Was die Mittel angeht, sind wir aber noch im Diskussionsprozess." Und als Buschkowsky klagte, die Kürzung der Bundesmittel für die Förderung der sozialen Stadtentwicklung würde Neukölln mit elf Quartiersmanagementgebieten "ins Mark treffen", versprach der Regierende gar, dies so gut wie möglich aus Landesmitteln zu kompensieren: "Wir dürfen diese Strukturen nicht vernichten."
Allein drei Schulen standen neben dem Jobcenter und einem Betrieb auf dem Reiseprogramm des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), den die letzte seiner vorwahlkampflichen Bezirkstouren durch Neukölln führte. Und allein auf diesen drei Stationen konnte der Regierende Bürgermeister extrem unterschiedliche Eindrücke gewinnen, die am Ende aber doch immer auf das Eine hinausliefen: Mehr Geld brauchen die Schulen, mehr Personal, bessere Ausstattung.
In der Rütlischule, die nach einem Brandbrief des Kollegiums 2006 bundesweit berühmt wurde, wurde Wowereit mit Worten des römischen Philosophen Seneca empfangen: "Wir können zwar die Richtung des Windes nicht ändern, aber die Segel richtig stellen", zitierte Schulleiterin Cordula Heckmann. Die Sozialdaten der Schule - Anteil von Kindern aus Einwandererfamilien: 82 Prozent, aus Familien, die Arbeitslosengeld empfangen: 88 Prozent - hätten sich in den letzten vier Jahren nicht geändert.
Dennoch lieferte Heckmann eine erstaunliche Bilanz dessen, was eine gute Ausstattung an der mittlerweile zum Bildungs-"Campus Rütli" umgebauten Modellschule zu bewirken vermochte: 36 der 120 AbsolventInnen des letzten Abgangsjahres erreichten die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe, nur zwei gingen ohne Schulabschluss ab. Vor vier Jahren waren das noch 20 gewesen: "eine Revolution", so Heinz Buschkowsky.
An der Otto-Hahn-Oberschule war trotz des leckeren Buffets anderes zu hören. Nämlich, wie es Schulen in armen Bezirken ergeht, bei denen der Förderregen fehlt, der auf das Campus Rütli niederging. Über zu wenig Platz und zu wenig Personal klagte die Schulleiterin der bisherigen Gesamtschule und künftigen Sekundarschule, die eine gymnasiale Oberstufe hat. Über fehlende Sitzgelegenheiten und Aufenthaltsmöglichkeiten auf dem Schulhof klagten die Schülervertreter. Doch obwohl Wowereit, der in bildungspolitischen und schulorganisatorischen Detailfragen verblüffend gut informiert war, sich auf diese Themen mit Begeisterung einließ, wollten die JournalistInnen lieber über anderes reden.
Die Otto-Hahn-Schule war im Zuge der kürzlich geführten Debatte über angeblich zunehmende "Deutschenfeindlichkeit" an Schulen in die Schlagzeilen geraten. Doch auch wenn Fragen von Medienvertretern wie die nach "Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Ethnien auf dem Schulhof" die Vermutung bürgerkriegsähnlicher Zustände durchschimmern ließen, reagierten die Schüler gelassen: Er sei in Berlin geboren und Deutscher, konterte Schülersprecher Yachya Rmeid cool.
Keineswegs sei Integration gescheitert, wiederholte Klaus Wowereit zum Abschluss des Besuchs seine kleine Spitze gegen den Genossen Buschkowsky - um ihn gleich darauf wieder in die Arme zu schließen: Neukölln sei ja der beste Beweis dafür.
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