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Einheitlicher Jugendschutz"Internet ist alles andere als Rundfunk"

Ein Aspekt des neuen Staatsvertrags für Jugendmedienschutz ist eine Alterskennzeichnung für Netzinhalte. Kritiker hoffen, dass der Vertrag noch gekippt wird.

Der neue, noch nicht ratifizierte Staatsvertrag für Jugendmedienschutz verlangt Altershinweise bei Webinhalten. Bild: dpa

Der Countdown läuft, bis Jahresende müssen 16 Bundesländer den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) genehmigen, der einheitlichen Jugendschutz im Internet sicherstellen soll. Der Vertrag wurde im Juni von den Ministerpräsidenten der Länder gebilligt. Damit er am 1. Januar in Kraft tritt, müssen alle Landesparlamente zustimmen, 11 stehen noch aus. Obwohl die Novellierung des seit 2003 bestehenden Vertrags bei Experten und Politikern umstritten ist, wird sie wohl beschlossen.

Um welche Änderungen geht es genau? Zum Beispiel sollen Webseitenbetreiber eine Alterskennzeichnung aller Inhalte vornehmen. Bei falscher Einordnung droht eine Abmahnung. Zudem sollen jugendgefährdende Inhalte nur nachts abrufbar sein. Wer also sein Blog nicht auf Kriterien des Jugendschutzes überprüft, dem droht Strafe.

Kritiker wie Alvar Freude vom AK Zensur halten den Vertrag für verfehlt. "Der JMStV versucht, Internet mit Rundfunk gleichzusetzen. Das Internet ist aber alles andere als Rundfunk." Problem sei, dass Laien die Alterskennzeichnung rechtlich nicht sicher durchführen können. Zudem würden die Hürden, im Internet zu publizieren, erhöht - auch durch höheren Aufwand und Kosten. Forderungen wie die Abrufbarkeit bestimmter Inhalte nur nachts würden dem globalen Charakter des Internets nicht gerecht, da dieses nicht auf die deutsche Zeitzone begrenzt sei.

Im rot-grünen NRW wird am 16. Dezember über den Vertrag abgestimmt. Dort sieht Alvar Freude noch eine Chance, ihn zu kippen, hat einen Brief an die SPD-Fraktion geschickt. Zwar betonen die Sprecher von SPD und Grünen, dass die Entscheidung noch nicht gefallen sei. Unwahrscheinlich bleibt die Verhinderung des Vertrags dennoch: Es wäre einer der ersten Staatsverträge, der von einem Länderparlament gekippt würde.

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7 Kommentare

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  • M
    MatStef

    Was mich bei alldem am meisten wundert, ist, dass die online-tätigen Journalisten dieses Thema so gar nicht zu tangieren scheint (siehe auch all die Konjunktive in obigem Text). Es geht dabei auch nicht um links und rechts, die Wurzeln des JMStV liegen ja unter Rot-Grün; der Wahnsinn wird jetzt von Schwarz-Gelb komplettiert - da haben Politiker aler Couleur schuld. Wer sich mal die Zeit nimmt, das Thema online zu erforschen, stößt auf IMHO interessante Details. Zum Beispiel, dass das dem Jugendschutz im Web absolut nichts nutzt, wie das Ding die Pluralität im Web zerstört, welche Unternehmen (nicht nur die Abmahnabzocker)davon profitieren etc. ... Klar, Wikileaks ist viel interessanter als so was Schnödes wie Vorratsdatenspeicherung oder JMStV - beides ist gefährlich!

  • S
    scorius

    - Vorratsdatenspeicherung

    - Bundestrojaner

    - Jugendmedienschutz Staatsvertrag

     

    Von wegen Schutz, es geht ausschließlich um Überwachung!

    Da haben wohl manche Kreise ziemlich viel Angst,

    weil sich im Internet eine neue/direktere Form von Demokratie/Mitbestimmung und Eigenständigkeit entwickelt, die nicht so leicht kontrollierbar erscheint, die nicht gewollt wird, weil sie bestehende Machtstrukturen/Abhängigkeiten in Frage stellt/auflöst.

  • H
    Hubert

    So what? Dann weicht man eben auf ausländische Server aus. Der Staatsvertrag wird sich schlimmstenfalls als zahnloser Tiger offenbaren, bestenfalls als weiteres Eigentor für die in Netzbelangen fürchterlich inkompetenten "Volksparteien".

  • T
    tom

    Wer denkt sich eigentlich solchen Müll aus und wird dafür auch noch bezahlt?! Unfassbar. Völliger Realitätsverlust liegt hier vor.

     

    Darf man die BLÖD-Zeitung auch nur nachts kaufen und konsumieren?

  • E
    Elvenpath

    So ein Schwachsinn. Was interssiert ein Kind, ob die Seite als ungeeignet gekennzeichnet ist, oder nicht. Statt Medienkompetenz zu vermitteln, und die Eltern dazu zu bringen, dass sie mal drauf achten, was ihre Kinder da vor dem Computer treiben, soll alles auf die deutschen Webseitenbetreiber abgewälzt werden.

    So was kann wirklich nur uns Deutschen einfallen. Ich sehe schon die nächste Abmahnwelle im Zeichen des "Jugendschutzes" auf uns zurollen. Profiteure, wie immer: die Anwälte.

    Ein weiteres Minenfeld wird geschaffen. Jeder der heutztage etwas im Internet veröffentlicht, steht mit einem Bein schon im Gefängnis.

    Das Internet wird zum bürgerrechtsfreien Raum.

  • MF
    Manuel F.

    "Zudem sollen jugendgefährdende Inhalte nur nachts abrufbar sein."

    Die Welt hat Zeitzonen und man kann im Internet Seiten aus der ganzen Welt abrufen. Wie soll das funktionieren?

    Außer man baut in die Genzüberschreitenden Verbindungen Technik ein um dort Seiten aus dem Ausland blockieren zu können. Diese Technik könnte dann aber auch zur politischen Zensur missbraucht werden. Und ich befürchte, dass das bei einige rechten Politikern auch beabsichtigt ist.

  • S
    stephan

    Professionelle Betreiber jugendgefaehrdender Seiten duerften bei einer Zeitsperre Deutschland verlassen (sofern nicht bereits getan) und ihre Seiten im Ausland betreiben. Da andere Laender beim Jugendschutz bereits jetzt weniger Restriktiv sind, duerfte dadurch eine Verbesserung des Jugendschutzes nicht erreicht werden - sondern nur das Gegenteil.

     

    Was aber passieren wird, ist das auf die Gerichte sehr viel Arbeit zukommen wird. Denn kaum ein Laie duerfte seine Webseite rechtlich sicher einstufen koennen. Was natuerlich Abmahnunternehmen freut, koennen sie doch so viel Geld verdienen. Fuer den Privaten wird seine Webseite dann endgueltig ein unkalkulierbares finanzielles Risiko.