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Menschenrechte in HondurasAllein mit den Putschisten

In den Straßen Honduras patrouilliert Militär, es macht Jagd auf Oppositionelle. "Das ist Staatsterrorismus", sagt Aktivistin Berta Oliva. Und spricht von Todesschwadronen.

Berta Oliva und Bilder gegen das Vergessen. Sie zeigen Gesichter von Ermordeten und Verschwundenen. Bild: KEPPELER

TEGUCIGALPA taz | Wenn es um Menschenrechte geht in Honduras und um deren Verteidigung, ist sie seit drei Jahrzehnten die erste Adresse: Berta Oliva, Gründerin und Vorsitzende des Komitees der Familienangehörigen der verhafteten Verschwundenen (COFADEH). Sie war das immer freundliche Gesicht, das einem begegnete, wenn man Informationen zu einem gar nicht freundlichen Thema suchte.

Groß, elegant, charmant. Man sah ihr das Alter nicht an. In ihren Anklagen war sie hart und präzise. Immer hoch konzentriert und dabei trotzdem von einer entwaffnenden Herzlichkeit.

Heute merkt man ihr an, dass sie 55 Jahre alt ist; man würde sie für älter schätzen. Sie sieht müde aus, hat dunkle Ringe unter den Augen. Im Gespräch verliert sie oft den Faden, manchmal mitten im Satz. Sie geht langsam die Treppe hinauf in ihr abgedunkeltes Büro im ersten Stock des COFADEH-Sitzes am Rand der Altstadt von Tegucigalpa. Draußen drängen sich viel zu viele Autos durch die schmalen Gassen des schmutzigen Zentrums der provinziell wirkenden Hauptstadt.

Der Putsch und die Folgen

Der Machtwechsel: Am frühen Morgen des 28. Juni 2009 wurde der damalige Präsident Manuel Zelaya von einer Spezialeinheit der Armee aus dem Bett geholt und nach Costa Rica ausgeflogen. Am 29. November 2009 fand daraufhin eine Präsidentenwahl statt, deren Rechtmäßigkeit wegen der Putschumstände und einer niedrigen Wahlbeteiligung angezweifelt wird. Als neuer Präsident wurde Porfirio Lobo Sosa gewählt.

Die Zahlen: Allein im ersten halben Jahr seiner Amtszeit wurden 23 Mitglieder der Opposition ermordet. Elf Bauern starben in Landkonflikten mit Großgrundbesitzern. Acht Journalisten wurden erschossen, 18 weitere mit dem Tod bedroht. Es gab 293 illegale Verhaftungen und 92 Morddrohungen, davon 59 gegen Menschenrechtsaktivisten. 13 Fälle von Folter sind dokumentiert.

Die Nachbarn: Honduras wurde nach dem Putsch aus der Organisation Amerikanischer Staaten (AOS) ausgeschlossen. Dies ist auf das Konsensprinzip zurückzuführen, mit dem die AOS Beschlüsse fällt. Venezuela, Brasilien und Nicaragua wehren sich weiter dagegen, die Fortsetzung des Putschs hinter einer demokratischen Fassade zu legitimieren. (kep)

Berta Oliva kauert unruhig hinter ihrem Schreibtisch, im Hintergrund ein Hupkonzert. Sie schlafe schlecht, sagt sie. Sie hat Rückenschmerzen; im Stehen stützt sie ihr Kreuz mit einer Hand. Berta Oliva ist niedergeschlagen, ja verzweifelt. Ein Jahr ist es jetzt her, dass durch die Wahl von Porfirio Lobo zum Präsidenten das Land nach offizieller Darstellung zur Demokratie zurückgekehrt ist. "Es ist schlimmer als direkt nach dem Putsch", sagt sie. Und: "Ich weiß keinen Ausweg mehr."

Nur vier Monate und zwei Nächte Oliva hat viel mitgemacht in ihrem Leben, viel weggesteckt. Ihre Geschichte mit den Menschenrechten beginnt am 11. Juni 1981. Damals war sie 25 Jahre alt und frisch verheiratet. Ihr Mann Tomás Nativí war Lehrer, Gewerkschafter und Kommunist. "Ich habe mich in diesen Mann verliebt, weil er eine Vision hatte für unser Land", erzählt sie. "Er wollte, dass alle Kinder in die Schule gehen, dass alle ein Dach über dem Kopf haben." So einfach können Visionen sein. Und gefährlich.

In Honduras herrschte damals das Militär. Im benachbarten Nicaragua war die sandinistische Revolution gerade zwei Jahre alt. Am Abend jenes 11. Juni drangen Soldaten in das Haus des jungen Ehepaars ein. "Sie haben meinen Mann geschlagen, bis er bewusstlos war." Dann haben sie ihn mitgenommen. "Ich war vier Monate mit ihm verheiratet, im dritten Monat schwanger und habe zwei Nächte mit ihm verbracht", fasst sie ihre kurze Ehe zusammen.

Tomás Nativí ist einer von 184 Menschen, die zwischen 1979 und 1989 in Honduras von Sicherheitskräften verschleppt wurden und seither verschwunden sind. 1982 gründete Berta Oliva zusammen mit anderen Angehörigen von Verschwundenen die Menschenrechtsorganisation COFADEH. Seither hat sie sich nur noch ihrer einzigen, inzwischen erwachsenen Tochter und der Menschenrechtsarbeit gewidmet.

"Ich mache diese Arbeit schon fast dreißig Jahre", sagt sie. "Ich habe fast alles erlebt." Ihr Büro wurde mit Tränengas-Granaten angegriffen. Sie bekam Todesdrohungen und musste sich verstecken. "Aber ich wurde nie daran gehindert, illegale Verhaftungen anzuzeigen." Auch nach dem Militärputsch im Juni vergangenen Jahres "konnte ich ungehindert in die Gefängnisse gehen, selbst wenn dort gerade gefoltert wurde". Berta Oliva prangerte die Repression an und die internationale Gemeinschaft interessierte sich dafür.

Soldaten neben der Wahlurne

Dann kam die Wahlfarce vom 29. November vergangenen Jahres. Am Abend dieses Tages drängten sich die Journalisten in ihrem Büro und sie fasste die Lage zusammen: Dass in den frühen Morgenstunden des Wahltags das Militär über die Armenviertel der Hauptstadt hergefallen war. Dass in den Wahllokalen Soldaten direkt neben der Urne standen, obwohl sie nach dem Gesetz in diesen Räumen nichts zu suchen hatten. Dass nur sehr wenige Honduraner ihre Stimme abgegeben haben. Das war Berta Olivas letzter großer Auftritt.

Seither sind in Honduras über 50 Mitglieder der in der Nationalen Widerstandsfront zusammengeschlossenen Opposition ermordet worden. Gewerkschafter werden verfolgt, Streiks und Landbesetzungen vom Militär niedergeschlagen. Bauern-Kooperativen werden von Todesschwadronen terrorisiert. Durch die Armenviertel der Städte fahren Geländewagen mit abgedunkelten Scheiben und ohne Nummernschilder.

Die Männer in Zivil, die darin sitzen, zeigen Fotos herum von den örtlichen Organisatoren der Opposition. "Wie soll man das nennen?" fragt Oliva und antwortet erzürnt: "Todesschwadrone! Das ist Staatsterrorismus!"

Keines dieser Verbrechen wird von der honduranischen Justiz verfolgt. Die interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stellt fest: "Weder der Oberste Gerichtshof noch die Staatsanwaltschaft erfüllen ihren verfassungsgemäßen Auftrag. Berta Oliva beschreibt das so: "Wir müssen Menschenrechtsverletzungen bei der Generalstaatsanwaltschaft anzeigen, aber dort sitzen die Putschisten." Generalstaatsanwalt Luis Alberto Rubí gehörte beim Putsch zum engsten Kreis der Verschwörer.

"Sie machen einfach gar nichts", sagt Oliva. Aber das Weiße Haus in Washington bescheinigte "der Regierung von Porfirio Lobo bedeutende Fortschritte in Fragen von Menschenrechten". Die honduranische Armee bekommt wieder Militärhilfe aus den USA.

Demokratie nur zum Schein

Der neue Präsident Porfirio Lobo hat in Honduras eine perfide Fassade aufgebaut. Ein Menschenrechtsministerium wurde geschaffen und eine Wahrheitskommission einberufen, die den Putsch untersuchen soll. Mitglied dieser Kommission ist zum Beispiel Julietta Gonzalina Castellanos, die Rektorin der Autonomen Nationaluniversität. Diese hat selbst zugegeben, das Militär aus dem Universitätsetat mit Geld versorgt zu haben, damit es einen Streik auf dem Unigelände niederschlägt. Die Putschisten erforschen die Wahrheit über sich selbst. "Der Zynismus der Regierung ist grenzenlos, und die Welt schluckt das einfach", sagt Oliva. "Das macht mich sprachlos."

Fast alle tun so, als wäre nichts gewesen. Die USA ohnehin. Auch die Europäische Union hat die zunächst eingefrorene Entwicklungshilfe längst wieder aufgenommen. Selbst Mauricio Funes, Präsident der ersten Linksregierung im benachbarten El Salvador, müht sich eifrig, seinem pseudodemokratischen Kollegen Porfirio Lobo zurück aufs diplomatische Parkett zu helfen. Ein gutes Verhältnis zu den USA ist ihm wichtiger als die politische Moral.

"Sie alle verteidigen eine korrupte Elite, die sich mit Gewalt den Staat angeeignet hat", sagt Oliva. "Nach dem Putsch waren wenigstens die Augen der Welt auf uns gerichtet. Jetzt interessiert sich niemand mehr dafür, was in Honduras passiert."

Sie sitzt allein in ihrem Büro am Rand der Altstadt von Tegucigalpa. Das traditionelle Stadthaus mit schmaler Fassade zur Straße hin und einem lichten offenen Innenhof hat schon bessere Zeiten gesehen. Putz blättert von den Wänden, das Dach ist nicht dicht, es riecht muffig. Langsam steigt Berta Oliva die Treppe hinunter. Auf jeder Stufe ruht sie kurz aus.

Unten im kleinen Innenhof lehnen Plakatwände an der Wand: riesig vergrößerte Passfotos in Schwarz-Weiß. Sie zeigen die Gesichter von Ermordeten und Verschwundenen, darunter das Datum des Tages, an dem sie starben oder verschleppt wurden. Ein bekanntes Bild. In den blutigen siebziger und achtziger Jahren der Militärdiktaturen Lateinamerikas wurden solche Plakate bei jeder Demonstration durch die Straßen getragen. Doch die Fotos im Innenhof des Büros von COFADEH sind keine Erinnerungsstücke aus vergangenen Tagen. Unter den Gesichtern stehen Daten aus den Jahren 2009 und 2010.

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7 Kommentare

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  • S
    Sepp

    @Dieter

     

    Du heißt weder Dieter, noch wohnst Du seit 34 Jahren in Lateinamerika. Du hast über Latein-Amerika nicht den Hauch einer Ahnung.

     

    Du sagst, dass es in ganz Lateinamerika keine Menschenrechte gebe.

     

    Falsch. Es gibt in Honduras und Kolumbien keine Menschenrechte. Dort werden Oppositionelle und Gewerkschaften von Todesschwadronen gejagt.

     

    Ein Correa, ein Morales, eine Kirchner oder ein Chavez lassen Oppositionelle nicht mit Todesschwadronen jagen. Das passiert nur in Honduras. Unter Narco-Uribe passierte es auch in Kolumbien.

     

    Sehr guter Artikel, liebe taz.

  • D
    Dieter

    Ich lebe seit fast 34 Jahren in Lateinamerika.

     

    In keinem Land Lateinamerikas existieren MENSCHENRECHTE.

    Ob die Angaben über Honduras wahr sind, ich weiss es nicht. Ich habe andere Informationen.

    Ob es unter Zelaya besser geworden wäre, da habe ich ernste Zweifel.Aber Zelaya geht es gut, er sitzt in seinem Büro und erhält ein schönes Gehalt von Hugo Chavez inkl. Benutzung eines venezol. staatlichen Jets.

    Übrigens keiner fragt nach Venezuela: am Wochenende hat das auslaufende Parlamente ein Ermächtigungsgesetz für Hugo Chavez abgestimmt.

    Das neue Parlament hat ab 5.1.2011 für 18 Monate keinerlei Macht. Jetzt kommen die Gesetze durch Präsidenten-Erlass inkl. Kontrolle der Universitäten,

    Kontrolle von Presse, Fernsehen und Internet;Abschaffung von lokalen Verwaltungen etc.

     

    alles gegen die Verfassung, aber keiner spricht darüber. In der TAZ erscheint nichts, weil ja Chavez angeblich ein Linker ist.

    In Wirklichkeit ist Hugo Chavez ein Militär-Faschist.

  • JB
    Jakob Bauer

    Entspricht das der Vorstellung der FDP von Recht und Ordnung, Herr Westerwelle?

     

    Ich zitiere mal den TAGESSPIEGEL:

     

    Friedrich-Naumann-Stiftung rechtfertigt Putsch in Honduras

     

    Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung zeigt Verständnis für den Staatsstreich in Honduras. Ihr Repräsentant in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa, Christian Lüth, bezeichnet den Putsch als "Legende" und meint, dass nun eine "Rückkehr zu Rechtsstaat und Verfassung" in dem zentralamerikanischen Land möglich sei.

  • M
    MeinName

    Danke für das Aufgreifen eines Themas, das leider nur wenig Beachtung findet. Ein Aspekt belibt aber leider im Dunkeln: die Rolle, die die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung bei der internationalen Anerkennnung der Putschistenregierung gespielt hat und weiterhin spielt. Vielleicht wäre das ja eine eigene Recherche und einen eigenständigen Artikel wert - gerade unter dem Gesichtspunkt, dass das Amt des Außeministers von dem Parteivorsitzenden Westerwelle bekleidet wird.

  • RA
    Rolf Ard

    Und keiner spricht mehr über die Friedrich Naumann Stiftung, über Herrn Gerhard und den Herrn Westerwelle, die das alles mit eingeleitet haben.

     

    Noch vor einigen Monaten schrieb man darüber, wie die FDP und die Friedrich Naumann Stiftung den Umsturz gegen Zelaya verteidigten und für die Putschisten um Verständnis warben. Jetzt wo klar wird, dass diese Putschisten die alten, reaktionären Verbrecher Mittelamerikas sind, die man schon sehr lange kennt, schweigt unsere Presse. Man schreibt abstrakt von den üblen Zuständen aber keiner spricht mehr über die FDP und Herrn Gerhard, die da kräftig mitgewirkt haben. Diese politische Sauerei sollte nicht verschwiegen werden. Herr Gerhard, Herr Hoyer, Herr Westerwelle sollten jetzt erklären, was sie da so gemacht haben.

  • D
    daniel

    Es ist wirklich traurig.

    ich habe selbst ein jahr in honduras gelebt, und in den tagen des putsches viel mit meinen freunden dort diskutiert. wir haben gestritten, weil sie alle heil froh waren das zelaya weg war, nannen ihn einen korrupten pseydolinken. das ist sicherlich auch richtig...trotzdem war er der gewählte präsident.

     

    ich habe gerade die 6-monatsbilanz des neuen präsidenten auf facebook gepostet, und bin gespannt was meine freunde dazu sagen werden.

  • V
    valeria

    "Im Westen nichts Neues" -Honduras ist schon seit ueber 100 Jahren unter "USA Security": Das Buch ueber Honduras wurde aber nicht von Remarque geschrieben sondern von dem U.S. Marine Corps General SMEDLEY BUTLER welcher wie er spaeter schrieb: "Als klassiger Muskelmann habe ich Zentralamerika fuer den Wall Street gesichert!" Die USA hat heute noch 1000 Besatzungstruppen in Honduras: Security Cooperation! (Siehe: Smedley Butler)