Enthüllungen aus der linksalternativen Szene: Nicht nur die Indianer
Im Alternativmilieu der 1970er und 1980er Jahre fühlten sich auch bekennende Pädophile wohl – trotz "sexueller Revolution" mochten aber nicht alle mit Tätern fraternisieren.
BERLIN taz | Sexuellen Missbrauch von Kindern gab es nicht nur in staatlichen Heimen und kirchlichen Internaten. Auch im linksalternativen Milieu der 1970er und 1980er Jahre tummelten sich Pädophile - deren Recht auf Sex mit Kindern von Teilen der Szene sogar verteidigt wurde.
Dass praktizierende Päderasten auch in der taz eine Heimat fanden, zeigen nicht nur die Vorwürfe gegen den Odenwald-Pädagogen, taz-Mitgründer und späteren Autor Dietrich W. Hausinterne Recherchen im April letzten Jahres zeigten schon, wie groß in den Gründerjahren die Sympathie gegenüber Menschen war, die Sex mit Kindern forderten und auch selbst lebten.
Die taz machte dies damals als erstes linksalternatives Medium öffentlich. Nach dem Artikel "Kuscheln mit den Indianern", der die Verstrickung der Zeitung mit linksradikalen Pädo-Gruppen und der lautstark für "Kindersexualität" eintretenden Indianerkommune thematisierte, durchsuchte auch das Berliner Stadtmagazin Zitty sein Archiv.
Und fand heraus, dass auch dort bekennende Pädophile ihre als politische Ziele formulierten Forderungen nach Sex mit Kindern verbreiten durften. Und niemand widersprach - schließlich gehörte es zum linken Gestus, vom Staat verfolgte und von der bürgerlichen Mehrheit abgelehnte Minderheiten zu verteidigen.
Ermutigt von solchen Medienberichten, ging auch die Tochter des Konkret-Gründers Klaus Rainer Röhl an die Öffentlichkeit: Im Mai 2010 erhob Anja Röhl im Stern schwere Vorwürfe gegen ihren Vater und Herausgeber der linken Politzeitschrift. Röhl habe sie und ihre Halbschwestern als "kleine Lolitas" begehrt und später auch missbraucht.
Vor dem Hintergrund dieser Enthüllungen erscheinen nicht nur die freizügigen Konkret-Coverstorys über "Männer und kleine Mädchen" pervers. Auch die engagierte taz-Berichterstattung in den Pädophilenprozessen der 1980er erstaunt.
Dass in Kinderläden und reformpädagogischen Einrichtungen gegenseitiges Erforschen von Geschlechtsteilen, auch mit den Erziehern, zum Alltag gehörte, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Das zeigten die heftigen Reaktionen auf Äußerungen des heutigen Grünen-Politikers Daniel Cohn-Bendit, der 1975 in einem Buch ganz unverblümt von seiner Zeit als Erzieher in einem Kinderladen berichtete - und dabei auch von sexuellen Spielen.
Wie kam es zu dieser merkwürdigen Verflechtung libertärer, politisch links stehender Kreise mit Pädophilen, die Kinder anfassten und, im Fall der Odenwaldschule, systematisch manipulierten und vergewaltigten?
Eine Antwort liegt im gesellschaftlichen Klima der damaligen Zeit. Die sexuelle Revolution war ein Kernthema der Alternativbewegung - wer sich in der Außerparlamentarischen Opposition (APO) engagierte, war gegen die Kriminalisierung von Homosexuellen und außerehelichem Geschlechtsverkehr.
Und gegen Zwangsinstitutionen wie Kinderheime, die Bundeswehr und die als Korsett empfundene bürgerliche Ehe. In Kinderläden und Kommunen wurde ausprobiert, was geht - dass dabei auch waschechte Pädophile unbehelligt ihre Neigungen ausleben konnten, gehört zu den Schattenseiten der damals praktizierten Toleranz.
Beim Versuch, alle Tabus infrage zu stellen, sei manchmal "das Pendel zu weit an den Rand ausgeschlagen", erinnerte sich der Grünen-Politiker und taz-Mitgründer Hans-Christian Ströbele in der taz.
So ein Fall war auch die Indianerkommune aus Nürnberg, die wiederholt taz-Redaktionsräume oder Grünen-Parteitage besetzte, um ihre Forderungen nach straffreiem Sex mit Kindern zu verbreiten.
Dass man mit den Indianern, die stets in Begleitung der mit ihnen in "freier Liebe" lebenden Kinder auftraten, überhaupt verhandelte, war allerdings damals schon umstritten. Feministinnen, darunter die Macherinnen der Frauenzeitschrift Emma, wandten sich energisch gegen die Fraternisierung mit Pädophilen.
Mit dem taz-Gründungsmitglied Dietrich W. ist, neben den Pädo-Aktivisten Olaf Stüben und Peter Schult, ein weiterer Autor aus den eigenen Reihen betroffen. Auch künftig will die taz aktive Selbstaufklärung betreiben.
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