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Französischer Polizist bei Castor-ProtestenPolizeigewalt hat Folgen

Bei den Anti-Atom-Protesten im Herbst half ein französischer Polizist gewaltsam bei der Räumung der Gleisblockade. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn.

Mit Schutzhelm, Schlagstock und Pistole: CRS-Polizist im Einsatz. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt gegen einen französischen Polizisten, der während der Castor-Proteste im Herbst 2010 gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen war. "Es besteht der Verdacht der Amtsanmaßung. Wir gehen davon aus, dass der Beamte tätig geworden ist", sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Angelika Klee, der taz. Geprüft werde, ob er zum Eingreifen befugt war, wie der Einsatz zustande kam und welche Absprachen es mit der Bundespolizei gab.

Bei den Protesten gegen den Atommülltransport Anfang November war der Mann aufseiten der Bundespolizei im Einsatz. Augenzeugen berichten und Bilderstrecken belegen, dass der Beamte der französischen Eliteeinheit CRS massiv gegen Demonstranten vorging, die die Bahnschienen in Richtung Gorleben blockierten. Er zerrte etwa - ausgestattet mit Schutzhelm, Pistole und Schlagstock und unter Beobachtung deutscher Beamter - Teilnehmer von der Schiene.

In einer ersten Reaktion hatte das Bundesinnenministerium den Einsatz damals zunächst bestritten, ihn wenig später bestätigt - und verteidigt. Der Beamte sei der Bundespolizei lediglich als Beobachter zugeteilt worden. Deutsche Polizisten seien in Bedrängnis gewesen, deshalb gab der französische Beamte eingegriffen. Diese "Nothilfe" sei zulässig. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei konkretisierte die Bundesregierung die behauptete "Notsituation": "Allein das Kräfteverhältnis von circa 1000 Demonstranten, denen nur 80 Polizisten gegenüberstanden, verdeutliche die Notsituation", heißt es darin. Rechtlich berief man sich auf das Prümer Abkommen, das die Kooperation mit ausländischen Polizisten regelt und die "Nothilfe" zulässt.

Der Berliner Anwalt Christoph Müller, der bei den Protesten vor Ort war und auf dessen Anzeige hin das jetzige Ermittlungsverfahren zurückgeht, zeigt sich überrascht. "Ich hätte nicht mit einem förmlichen Ermittlungsverfahren gerechnet", sagte er der taz. Es sei richtig, dass der Vorfall jetzt juristisch aufgebohrt werde. "Schön, dass sich die Staatsanwaltschaft Lüneburg den Luxus einer eigenen Meinung gönnt", so Müller.

Fortschrittlich sei das Ermittlungsverfahren, sagt auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele. "Ich wünsche mir aber, dass auch gegen deutsche Beamte ermittelt wird, die den Einsatz des französischen Polizisten ja zu verantworten haben", sagte er.

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14 Kommentare

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  • F
    frnzmnn

    1. Es ist zulässig, dass französische (oder Polizeibeamte anderer Staaten) an solchen Einsätzen teilnehmen. ALS BEOBACHTER!

    2. Natürlich tragen sie dabei Schutzausrüstung und sind bewaffnet. Das wurde seitens der taz ebenso natürlich als "strafverschärfend" dargestellt. Aber die taz gilt ja auch nicht als überparteilich.

    3. Ganz klar lag allerdings keine Nothilfe-Situation vor, da die Beamten nicht angegriffen wurden sondern lediglich Probleme bei der Durchsetzung ihres Auftrages hatten.

    4. Der französische Beamte fühlte sich vermutlich einfach nur über dessen Mandat hinaus berufen, mal ordentlich mit zuzupacken. Das ist natürlich überhaupt nicht zulässig.

    5. Da die deutschen Beamten in der Situation vermutlich nicht unbedingt in der Lage waren, rechtlich zu beurteilen, ob und inwieweit der französische Beamte Eingriffsbefugnisse hatte, kann man zwar den Einstzführern, nicht aber den Beamten vor Ort vorwürfe machen.

    6. Ich bin sicher, dass diese klare Gesetzeslage vom Gericht festgestellt wird.

    7. Ich bin ebenso sicher, dass Frankreich den Beamten dafür sicher nicht belangen wird. Allerdings wird er an weiteren Einsätzen in Deutschland vermutlich nciht teilnehmen.

  • GF
    Gerda Fürch

    Und da "beschwindelt" der Bundesinnenminister Thomas de Maizière zusammen mit seinem Gutachter, Herrn Werthebach, daß es angeblich k e i n e funktionierende Zusammenarbeit bei den Polizeien gibt und daher durch das Bundesparlament (ohne Bundesrat?) endlich eine dringend notwendige und spätestens im Frühjahr gesetzlich zu regelnde Zusammenarbeit bei den Polizeien verabschiedet

    werden muß.

     

    Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit funktioniert ja schon prima und längst auf e u r o p ä i s c h e r Ebene, wie durch diesen Fall zu erfahren ist und nun öffentlich durch das Lüneburger Gericht gemacht wird! Hoffentlich! Hoffentlich wird die mutige Lüneburger Richterschaft nicht aus Berlin oder gar Brüssel zurückgepfiffen. Zum Beispiel als lästige gerichtliche/juristische "Parasiten".

     

    Als lästige juristische "Parasiten" wurden nämlich einmal, lang ist es her und noch vor dem Berliner Mauerfall, Landesarbeitsrichter und auch einige Bundesarbeitsrichter bzw. Sozialrichter bezeichnet, weil mehr zum Schutz/in Richtung zugunsten der Arbeitnehmer entschieden - und nicht im Sinne/in Richtung zugunsten der Arbeitgeber.

  • DL
    Dani Levi

    Wunderbar! Europa kommt zusammen, nicht nur auf der Schiene. Heinrich Heine war ja auch ueberzeugter Franko-Deutscher.

  • GM
    Gosig Mus

    Wenn da was bei rauskommt, fress ich nen Besen.

  • SS
    Schurli Schotter

    Na da bin ich ja mal gespannt wie ein Flitzebogen, was sich die Staatsgewalt für Tricks und Lügen einfallen lässt, um aus der Nummer wieder rauszukommen! Als die Geschichte aufkam hat sie darauf ja schon einen Vorgeschmack (bzw. ein Vorgeschmäckle) geliefert: Erst leugnen und wenns nicht mehr geht, eine "Notsituation" erfinden. Diese "Not" zeigt ja eindrucksvoll die Bilderstrecke (Dank an den Fotografen!). Vier deutsche Robocops haben ihre Müh' und - genau - Not damit, vier sitzende Menschen (die noch dazu voll nach Hardcore-Autonomen aussehen) von den Gleisen zu wuppen. Die Not ist gar so groß, dass die Kollegen in Grün zusehen bzw. gelangweilt abdrehen.

  • ...

    Hallo liebe taz,

     

    dieser Artikel ist ein schönes Beispiel dafür, dass hier Themen auch zu Ende geführt bzw. weiter verfolgt werden.

    Nachdem ich letztes Jahr eure Berichterstattung über den französischen Polizisten verfolgt habe, fragte ich mich schon länger, wie die Sache weiter geht.

     

    Vielen Dank + Grüße

  • V
    vic

    Eine "Notsituation", so so.

    Folglich hat also ein! fränzösischer Terminator die Bundesrepulik aus höchster Not befreit.

    Und in der Pistole des Beobachters war nur eine Kamera...

  • G
    GAst

    Hauptsache der Ströbele kann sich wieder populistisch betätigen und auf die deutschen Sicherheitskräfte einschlagen. Nachdem er selber um deren Schutz geschrieen hat, als letztes Jahr der Terrorhype um den Reichstag losging. Dieser MdB ist der Ausdruck von allem, was im Bundestag falsch läuft!

  • F
    Frank

    Ihr Auge ist waehrend eines Polizeieinsatzes kaputt gegangen?

    Pruegel kassiert?

    Mit chemischen Waffen kontaminiert?

     

    Das ist Ihr Problem.

    Schaden nimmt selbst dann, wenn "unrechtmaessig", also ohne gesetzliche Grundlage=Erlaubnis zur Gewaltanwendung, Gewaltmittel zum Einsatzkommen das Rechtswesen...

    Und da ist dann die Frage ob man die Rechtslage anpasst, Beweismittel verschwinden laesst oder ein Verfahren gegen die AmtsPERSON fuehrt.

    Ihr eigener, persoenlicher Schaden ist da moralischer Aufmacher, nur fuer schoen in den Medien.

    Praktisch wird da die heisse Frage gewaelzt, ob man sich das in Zukunft, -noch- war es nicht per Gesetz legitimiert, erlauben will.

    Wenn ja, dann ist das Auge weg und mit gutem Grund.

    ("das mildeste Mittel")

    Wenn nein auch, aber die im Staatsauftrag handelnde Person wird bestraft...

    Vielleicht gibts da ein paar Euro und einen Verweis.

    Aber das ist, wie Sie aus Erfahrung wissen, sehr selten.

     

    Bloedsinn? Unglaubwuerdig.

    Fahren Sie doch einmal nach Stuttgart..

    Probieren Sie doch einmal aus gegen etwas zu sein..

    (da gibts ja genug in den Nachrichten zu sehen)

    Sicher, wer alles toll und super findet, hat auch nichts zu befuerchten.

    Aber wie hiess es doch?

     

    Wenn Freiheit ueberhaupt etwas bedeutet, dann das Recht anderen Leuten zu sagen, was sie nicht hoeren wollen.

     

    Das Leben ist zu schoen um es an andere zu verkaufen.

    Auch wenn diese Clique, auch durch Ihre Arbeit erschaffen und bezahlt, schwer bewaffnet ist.

  • N
    nodoubt

    Was die Bilder ja vor allem belelegen ist, dass von einer Notsituation zu sprechen und ein Verhältnis von 80 zu 1000 anzugeben, völliger Quatsch ist.

    Während des klar zu erkennenden, harten Einsatzes gegen Demonstranten stehen mehrere deutsche Polizisten, unbedrängt und arbeitslos vor den Schienen und schauen sich die ganze Aktion an...soviel zu dem Thema Notsituation.

    Es würde mich interessieren, ob eine Staatsanwaltschaft, die das ernsthaft Untersucht(hmmpff), mal in Besitz der Videoaufnahmen der Polizei kommen kann, ich denke dass auf den meisten dieser Bänder mehr Straftaten von Beamten, als von demonstranten o.ä. zu sehen sind!

  • G
    Gustav

    TAZ, bitte über Ergebnisse des Verfahrens weiter berichten!

    Wir warten dringlichst auf Ergebnisse; bei uns steht die Wettquote 47:1 dass niemand belangt wird.

    Auch die Außenseiter-Wette ist sich einig,die CSR hat etwas zu kompensieren was sich mit keinem Porsche, als Zweitwagen, wegmachen läßt.

    Rechtsstaatliche (17:2!) Grüße

  • A
    Antifa

    No border, no nation!!!

  • HH
    Hanne H.

    Also ich muß mich schon sehr wundern. Es gab nicht nur einen Polizisten, es gabe ganze Verbände aus Frankreich, Polen und Kroatien, die dort in voller Montur eingesetzt waren, sogar mit der Aufschrift "Polizei" in der jeweiligen Landessprache.

     

    http://www.youtube.com/watch?v=1IgWveeqx3Y

     

    Darüber wurde schon während und kurz nach den Castor-Transporten viel geschrieben. Diese Leute werden sogar auf deutschem Boden als Schlägertrupps ausgebildet:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=1IgWveeqx3Y

     

    Und ein Herr Ströbele WEISS als alter Parlamentarier auch von EUROGENDFOR. Darüber findet man im Internet viel.

     

    Bitte liebe TAZ, nehmen Sie sich mal dieses Themas an. Es ist hochinteressant.

  • E
    erikius

    "Ich wünsche mir aber, dass auch gegen deutsche Beamte ermittelt wird, die den Einsatz des französischen Polizisten ja zu verantworten haben", sagte er (Ströbele).

    Ich wünsche mir, dass Herr Ströbele aufhört Unsinn in die Luft zu blasen. Auch als Beobachter wäre es völlig legitim aus Selbstschutz in voller Ausrüstung aufzutreten - allein für den Fall, dass er von gewaltbereiten Demonstranten als Polizist identifiziert worden wäre. Die deutschen Beamten, die einem Beobachter zustimmen, sind in der Regel nicht mit im Einsatz und spielen Aufpasser. Meines Erachtens war der französische Beamte über 18 Jahre alt und wird die Verantwortung sein Handeln schon ganz gut ohne deutsche Beamte übernehmen können.

    Es macht mich wirklich ärgerlich, dass Menschen wie Ströbele, die vom Staat bezahlt werden und auch eine üppige Rente vom selbigen erhalten werden nichts anderes zu tun haben als gegen den Staat zu arbeiten und so indirekt chatische Zustände wie Liebig 14 unterstützen.