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Umfrage Marburger Bund12.000 Ärzte fehlen in Krankenhäusern

Eine Umfrage des Marburger Bunds ergibt, dass etwa doppelt so viele Klinkstellen unbesetzt sind wie bisher angenommen. Das sei ein Risiko für Patienten.

Es gibt noch Platz für Ärzte in deutschen Krankenhäusern. Bild: ap

BERLIN taz | In den deutschen Krankenhäusern fehlen bis zu 12.000 Ärzte. Damit sind etwa doppelt so viele Klinikstellen unbesetzt wie bislang angenommen - mit teilweise dramatischen Konsequenzen für die Patienten. Die steigende Zahl ärztlicher Behandlungsfehler ist auch Ausdruck des Personalmangels.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Mitgliederbefragung des Marburger Bunds (MB) zur beruflichen Situation der angestellten und beamteten Ärzte in Deutschland, die die Ärztegewerkschaft am Mittwoch in Berlin vorstellte. Mit mehr als 12.000 Teilnehmern ist es die bislang größte Ärztebefragung in Deutschland. Insgesamt gibt es derzeit bundesweit 140.000 Ärzte an 2.000 Krankenhäusern.

"Die Krankenhausärzte arbeiten am Limit", klagte ihr Cheflobbyist, der MB-Vorsitzende Rudolf Henke. "Die fehlenden Kollegen werden vor allem durch Überstunden kompensiert." Nach Angaben Henkes machen Klinikärzte monatlich so viele Überstunden (44) wie der durchschnittliche Arbeitnehmer im Jahr. Von diesen wiederum werde etwa jede zweite nicht vergütet, erklärte Henke und rechnete weiter vor: Bei einem Stundensatz von 30 Euro entgingen den Medizinern so rund eine Milliarde Euro jährlich.

Das führe bei vielen Ärzten zu "Arbeitsvermeidungsstrategien", weniger persönlichem Kontakt zu den Patienten und damit auch zu fehlerhaften Diagnosen. Die Ärzte hätten schlicht zu wenig Zeit für Eingangsuntersuchungen und Patientengespräche. Henke: "Das Krankenhaus hat ein spezifisches Risikoprofil."

Verschlimmert werde die Lage durch einen "Papierkrieg", den die Ärzte als besonders störend empfänden: Täglich mehr als zwei Stunden bringen die befragten Mediziner nicht mit der Betreuung der Kranken, sondern am Schreibtisch zu.

Insgesamt aber ist die Zufriedenheit der Klinikärzte mit ihrem Job seit der letzten Befragung 2007 leicht gestiegen. Damals erklärten 53 Prozent der Befragten, sie spielten mit dem Gedanken, ihre Tätigkeit aufzugeben. Aktuell sind es noch 44 Prozent. "Das zeigt, dass durch unsere Tarifverträge einiges in Bewegung gekommen ist", lobte Henke sich selbst.

Gewerkschaftlich weniger gut organisierten Krankenhauskollegen wie den Pflegekräften allerdings möchte der Marburger Bund nicht behilflich sein, ähnlich schöne Verhandlungsergebnisse durchzukämpfen, unter dem Dach einer gemeinsamen Gewerkschaft beispielsweise. Henke: "Das wäre das Letzte, was den Krankenhäusern helfen würde."

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2 Kommentare

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  • T
    Terrorbrille

    ...noch schlimmer für die Qualität in den Krankenhäusern bei der Behandlung sind die fehlenden Krankeschwestern und Pfleger. Davon redet man mal wieder nicht. Wenn 2 Pflegekräfte am Wochenende 18 Pflegefälle zu waschen haben und dann noch nebenbei 8 Ops zu überwachen haben, dann muss über den Krankenhäusern ein besonderer Engel wachen damit keine größeren Verwechselungen etc. passieren. Reihenweise Kündigungen, Dauerkranke etc. sind die Folgen. Ich verdiene im Nachtdienst ganze 12€50 damit ich für 34 Patienten die alleinige Verantwortung habe....aber mit Frauen kann man es ja machen. Und dann wird gejammert wenn 10€ zuzuzahlen sind - während eine Tankfüllung für 50€ ohne mit der Wimper zu zucken gezahlt wird...Es muss sich an der Arbeitssituation schnellsten was ändern, sonst haben wir in 2,3 Jahren einen ordentlichen Pflegnotstand.

  • F
    FAXENDICKE

    Noch schlimmer ist das Fehlen von adäquat ausgebildeten Hygienebeauftragten in deutschen Kliniken. Jährlich zehntausende von Toten durch MRSA (multiresistenter staphylokokkus aureus). Bisher hat die Krankenhauskonzernlobby aus Kostengründen eine entsprechende Bundesverordnung verhindert. Nicht umsonst kommen Patienten aus deutschen Kliniken in den Niederlanden erst einmal in Quarantäne. Dort gibt es übrigens das MRSA-Risiko nicht, dank Hygienebeauftragten!

    Sollten Ihr mal ausführlich drüber berichten!