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Das Recht auf Wohnen als WahlkampfthemaNeubau in aller Munde

Das Thema "steigende Mieten" hat jetzt auch die CDU und die Investitionsbank Berlin erreicht. Die Konzepte der verschiedenen Akteure unterscheiden sich freilich stark.

Zentral, wassernah, mit guter Verkehrsanbindung: Auch die Brache am Hauptbahnhof ist unbebaut. Bild: dpa

Wahrscheinlich ist Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die einzige in Berlin, die den hiesigen Wohnungsmarkt noch für entspannt hält. Immer mehr dagegen schlagen Alarm. In ihrer jüngsten Marktuntersuchung kommt nun auch die Investitionsbank Berlin (IBB) zu dem Schluss, dass die Schere zwischen wachsendem Bedarf und stagnierendem Angebot immer weiter auseinandergehe.

Das Fazit des Berichts, der am Dienstag vorgestellt wurde, lässt an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig. "Da davon auszugehen ist, dass die Nachfrageentwicklung noch auf Jahre positiv bleiben wird, sind weitere Preissteigerungen sehr wahrscheinlich." Deshalb spricht sich auch die IBB für einen verstärkten Neubau von Wohnungen aus.

Auch den Berliner Wahlkampf hat das Thema erreicht. Auf einer Basiskonferenz diskutierten am Montag Mitglieder der Berliner Linken über einen neuen Wohnungsbau. Am Wochenende will die Partei auf ihrer Klausurtagung ein kommunales Wohnungsbauprogramm beschließen. Kernpunkt soll eine neue Liegenschaftspolitik sein. Grundstücke sollen, so der Wohnungsexperte Uwe Doering, nicht mehr an Höchstbieter vergeben werden sondern nach stadtentwicklungspolitischen Gesichtspunkten.

Klingt gut, ist aber nicht neu. Und vor allem nicht ganz billig. Unter acht Euro kalt pro Quadratmeter, rechnen Experten vor, könne ein Neubau nicht vermietet werden, zu hoch sind die Baukosten. Wohnungssuchende, die auf billigen Wohnraum angewiesen sind, erreicht man damit nicht, sagt der grüne Wohnungspolitiker Andreas Otto. Er fordert deshalb, dass das Land seinen Bestand an Sozialwohnungen aufstockt - etwa aus den Beständen privater Eigentümer, die nach dem Wegfall der Anschlussförderung in Insolvenz gehen.

Neben der Linken diskutiert auch die SPD über einen neuen sozialen Wohnungsbau. Allerdings wollen die Sozialdemokraten vermeiden, dass daraus wieder - wie in den siebziger und achtziger Jahren - ein Fass ohne Boden wird. Und weil die SPD auch traditionell eng mit den Wohnungsbaugesellschaften verbunden ist, gibt es auch hier Sympathie für die Haltung des linken Koalitionspartners. Schließlich würde eine neue Liegenschaftspolitik vor allem den landeseigenen Gesellschaften helfen. Sie könnten auf verbilligten Grundstücken wie dem Tempelhofer Feld neue Wohnungen bauen, in die dann Mieter aus anderen Beständen ziehen, die sich das leisten können. Den Neuvermietungszuschlag, der sich aus dem Auszug dieser Mieter ergibt, können die Wohnungsbaugesellschaften gleich mit einstreichen.

Kein Wunder, dass sich auch der Bund Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) für solche Ideen stark macht. "Wir möchten zusammen mit Politik und IBB nach neuen Ansätzen für eine nachhaltige und zukunftssichere Stadtentwicklungspolitik suchen", so BBU-Sprecherin Maren Kern. Der BBU spricht nach dem Marktbericht der IBB von einem Bedarf von 60.000 Neubauwohnungen. Derzeit werden in Berlin jährlich nur 4.000 - zumeist hochwertige - Wohnungen gebaut.

Weitreichendere Vorschläge kommen nicht von der Politik oder dem BBU, sondern von sozial engagierten Praktikern. So schlägt etwa die Genossenschaft Bremer Höhe vor, dass der Liegenschaftsfonds nicht nur fünf günstige Grundstücke für Baugruppen im Jahr vergibt, sondern auch leerstehende Gebäude. Mit dem Umbau etwa von leeren Schulen könnten kleine Genossenschaften deutlich billigeren Wohnraum herstellen als durch Neubau. Eine weitere Möglichkeit wäre die Vergabe von Baugrundstücken in Erbpacht.

Auch die CDU nimmt inzwischen das Adjektiv sozial im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau in den Mund. Dabei schwebt den Christdemokraten das Münchner Modell vor. In der von Wohnungsnot geplagten Landeshauptstadt müssen Investoren seit längerem auch einen Anteil von preiswerten Wohnungen bauen. Die freilich befinden sich in einem Bauvorhaben nicht selten dort, wo in Berlin Wohnungen leerstehen: in den unteren Geschossen oder an lärmigen Hauptverkehrsstraßen.

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