Berliner Arbeitsmarkt: Mehr Männer arbeiten weniger
Zahl der fest Beschäftigten steigt, auch weil Teilzeitjobs zunehmen. Männern nehmen sich Zeit für die Familie. Arbeitgeber bieten weniger Vollzeitstellen an.
Immer mehr Männer in Berlin arbeiten Teilzeit. Das geht aus neuen Zahlen hervor, die das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in dieser Woche veröffentlicht hat. Saß vor zehn Jahren nur jeder dreizehnte männliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigte nicht auf einer vollen Stelle, hatte im Sommer 2010 schon jeder Achte einen Teilzeitjob. Nach wie sind Jobs mit reduzierter Stundenzahl aber eine Domäne der Frauen: Im Jahr 2000 arbeitete jede vierte angestellte Berlinerin in Teilzeit, heute ist es jede Dritte. Insgesamt gab es im vergangenen Sommer 246.400 Teilzeitbeschäftigte an der Spree. Damit ist ihre Zahl in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel gestiegen.
Mehr Männer engagierten sich heute in der Familie, erklärt Susanne Wanger, Sozialwissenschaftlerin beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, die Entwicklung. Das sei aber nur eine mögliche Ursache für die Zunahme von Teilzeitstellen. Aus bundesweiten Untersuchungen sei auch bekannt, dass ältere Frauen und Männer häufig in Teilzeit arbeiteten - bevor sie dann in die Rente gehen.
Eine weniger erfreuliche Erklärung hat Andreas Splanemann, Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di Berlin-Brandenburg. Er höre öfters, dass Arbeitgeber nur Teilzeitstellen anböten, obwohl die Beschäftigten mehr arbeiten wollten. "Die werden unter Druck gesetzt, etwa im Einzelhandel. Ihnen wird gesagt, dass sie Teilzeit arbeiten müssen oder andere Angestellte entlassen werden", berichtet Splanemann. Mit dem Verdienst kämen sie kaum aus.
Die Zunahme von Stellen mit reduzierter Stundenzahl ist Teil einer Entwicklung hin zu mehr sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung: Insgesamt hatten 1,12 Millionen Berlinerinnen und Berliner im Juni 2010 einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz, teilte das Amt für Statistik weiter mit. Das sind ungefähr wieder so viele wie zur Jahrtausendwende. Bis 2005 waren feste Jobs bis drastisch abgebaut worden.
Richtig freuen mag sich Dieter Pienkny, Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Berlin und Brandenburg, dennoch nicht. "Man muss genau hinschauen, welche Qualität diese Jobs haben." Die könnten sozialversicherungspflichtig, aber trotzdem prekär sein, sagt Pienkny. Der Trend gehe zu Teilzeitarbeit, Projektarbeit und befristeten Jobs. Zudem arbeiteten 35 Prozent der Sozialversicherungspflichtigen in Berlin im Niedriglohnbereich. Als Beispiel nennt Pienkny Friseursalons, Copyshops, das Hotel- und Gaststättengewerbe und die Bewachungsbranche. "Sie verdienen 1.200 bis 1.300 Euro brutto. Das ist hart an der Armutsgrenze."
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