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Matthias Matschke über E- und U-Kultur"Ich will beide Gärten verwüsten"

Matthias Matschke über die verschiedenen Herausforderungen als Theaterschauspieler und als Comedien sowie über das Comeback der Sat.1-"Wochenshow", zu dessen Team er ab Mai gehört.

Alles im Griff: Zwitterwesen Matthias Matschke. Bild: sat.1
Interview von David Denk

taz: Herr Matschke, wir treffen uns im Café der Berliner Schaubühne, wo Sie heute Abend wieder in David Martons Musiktheaterinszenierung "Die Heimkehr des Odysseus" auf der Bühne stehen. Worauf freuen Sie sich besonders?

Matthias Matschke: Eigentlich auf alles. Ich spiele diese Vorstellung sehr gern, weil ich da nicht nur meinen Text können, sondern auch einem musikalischen Rhythmus gehorchen muss. Und ich mag es, wenn mir Regisseure nicht nur schauspielerische Aufgaben stellen. Ich forciere es nicht, Musiktheater zu machen, aber wenn es passiert, ist das schon schön. David Marton und mich verbindet die Liebe zur Musik im Theater.

Sie spielen selbst mehrere Instrumente.

So richtig spielen kann ich eigentlich nur Geige. Und ein bisschen Gitarre, weil das als Jugendlicher bei den Mädchen besser ankam – drei Akkorde zum Erfolg! Und im letzten Jahr an der Schauspielschule habe ich einfach behauptet, Kontrabass spielen zu können, und musste es dann schnell lernen. Klavier kann ich nicht – auch wenn ich auf der Bühne manchmal spiele. Da partizipiere ich vom Unterricht meiner Tochter.

Sie sind nicht nur Schauspieler, auch Komiker. Wie viel hat Comedy mit Musikalität zu tun?

Viele Musiker sind sehr lustig, und viele Komiker sehr musikalisch – etwa Olli Dittrich oder Helge Schneider –, aber ich weiß nicht, warum das so ist. Ich könnte jetzt sagen: weil beides sehr viel mit Rhythmus zu tun hat, aber das wäre mir als Erklärung zu einfach. Ich habe das für mich noch nicht entschlüsselt.

taz
Im Interview: 

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Matthias Matschke

Jahrgang 1968, Lehramtsstudium, Schauspielausbildung an der HdK Berlin. Zahlreiche Kino- ("LiebesLuder", "Wolfsburg") und TV-Rollen ("Pastewka", "Ladykracher"), in Berlin derzeit an zwei Bühnen zu sehen (Volksbühne, Schaubühne), Stand-up-Comedian. Im Ensemble der neuen Sat.1-"Wochenshow" (ab 20. Mai).

Wenn man Sie vor die Wahl stellen würde: Theater oder Comedy? – wie würden Sie sich entscheiden?

Für beides. Die Frage ist zum Glück hypothetisch. Viel konkreter ist für mich ein Problem der Rezeption: dass die Leute das Bild von mir als Theaterschauspieler und als Komiker nicht zusammenkriegen. Aber ich bin nun mal ein Zwitterwesen …

… wie es in Deutschland nur wenige gibt.

Stimmt. Was schade ist. Denn ich glaube, dass gute Comedy sehr viel Schauspielerei braucht. Insofern wären mehr Menschen in solchen Formaten wünschenswert, die den gespielten Witz ernst nehmen, eine Figur entstehen lassen, der etwas passiert, und nicht den Witz vor sich hertragen wie eine Monstranz: Achtung! Hier wird's gleich lustig.

Haben Sie die deutsche Trennung von E- und U-Kultur jemals verflucht?

Kann man nicht. Dann könnte ich genauso gut damit hadern, dass es in Deutschland die Nord- und die Ostsee gibt. Ich versuche für mich, das als Fakt festzustellen und anzunehmen. Das ist nun mal so. Die Leute brauchen Kategorien und ich versuche, ihnen das nicht übel zu nehmen.

Klingt beeindruckend gelassen.

Habe ich eine andere Wahl? Ich habe nun mal Lust, den E- und den U-Garten zu verwüsten, solange man mich hier wie dort durchs Gartentor lässt. Und da ich weder ohne das eine noch ohne das andere leben könnte, muss ich meinen Frieden mit den Umständen machen, freue mich aber zugleich darüber, das ich überhaupt zweigleisig arbeiten kann, wobei ein Format wie "Pastewka" für mich ja E und U beinahe miteinander versöhnt.

Ihr Mitwirken in Anke Engelkes "Ladykracher" hat Ihre Agentur seinerzeit zunächst abgelehnt. "Als ob man einen Softporno angeboten bekommen hätte", haben Sie die erste Reaktion mal beschrieben. Was hat sich seitdem in der Rezeption von Comedy verändert?

Analog zu Pornos ist Comedy gesellschaftsfähiger geworden. Es hat sich auch unter Bildungsbürgern rumgesprochen, dass es da Sachen gibt, die gar nicht mal so schlecht sind. Ein bisschen gönnerhaft zwar, so wie Klassikfans die Beatles gelten lassen, aber immerhin. Und mit "Pastewka" sind wir Gott sei Dank drin in dieser Schnittmenge. Diese Anerkennung tut mir sehr gut.

Auch weil Sie Ihre Zweigleisigkeit heute nicht mehr tagtäglich verteidigen müssen?

Auf alle Fälle. Ich darf verschiedene Facetten zeigen. Da geht es mir besser als dem "GZSZ"-Star, der auch nach seinem Ausstieg aus der Soap immer der "GZSZ"-Star sein wird. Das klebt an ihm wie Exkremente.

Warum?

Das verstehe ich auch nicht. Wir sind doch Schauspieler, von uns wird doch eigentlich erwartet, dass wir wandelbar sind. Und trotzdem hatten meine Nachbarn Angst vor mir, nachdem ich einmal im "Tatort" den Mörder gespielt hatte.

Haben Sie schon mal mit Ihren Funny Bones gehadert, weil Sie wohl nie den Hamlet spielen werden?

Ich bin schon zweimal gefragt worden. Theaterleute sehen ja zum Glück nicht so viel fern. Und wenn, sind sie verstört. Lars Eidinger hat auch Funny Bones, definitiv. Und spielt den Hamlet, völlig zu Recht. Jemanden mit Funny Bones für eine ernste Rolle zu besetzen, ist eine gute Idee. Ein Mensch ist nun mal viel.

Im Mai startet bei Sat.1 die Neuauflage der "Wochenshow", deren Ensemble Sie angehören. Haben Sie schon gedreht?

Nein, das kommt jetzt. Ehrlich gesagt weiß ich noch gar nicht genau, was da auf mich zukommt, außer dass aus den Einspielern, die wir unter der Woche drehen, am Ende im besten Fall eine Show entstehen sollte.

Haben Bastian Pastewka oder Anke Engelke, die nicht wieder dabei sind, Ihnen das Engagement zugeschustert?

Nein, die haben damit gar nichts zu tun. Der Produzent und Erfinder der "Wochenshow" Ralf Günther hat mich gefragt und ich habe zugesagt.

Warum?

Ich habe Lust, mich in dieses Räderwerk einer Weekly Show zu begeben, wo man schnell sein muss und hochkonzentriert. "Ladykracher" zu produzieren ist dagegen eher abstrakt und vor allem deswegen anstrengend, weil man so viel lacht. Ich möchte noch mal eine andere, dem Theater ähnlichere Arbeitsweise kennen lernen, in der alles auf die Show zuläuft.

Aber ist das Risiko nicht ziemlich groß, dass das Publikum nur seine alten Helden wiedersehen will und dementsprechend enttäuscht auf die vielen neuen Gesichter reagiert?

Das ist doch eine gute Voraussetzung. Ich versuche gerade, die Vergangenheit rauszunehmen und die Aufgabe anzunehmen. Wenn es gut geht, werden sich die Leute daran gewöhnen. Das wird sehr lange dauern, aber kann gelingen. Denn ich kenne die Leute, die Autoren, den Produzenten, und ich vertraue ihnen. Und wenn es in die Hose geht, na und? Das Risiko zu scheitern ist immer da. Dann haben es eben wieder mal alle hinterher schon vorher gewusst.

Haben Sie Ihre KollegInnen schon kennen gelernt?

Ja, wir hatten schon einen Kennenlerntag. Und teilweise kannte ich sie auch schon, habe sogar schon mit einigen gespielt.

Die meisten stammen aus dem Comedybereich. Prallen da nicht Welten aufeinander?

Ich will mir diese Frage nicht stellen. Von mir aus sollen alle alles denken. Die Zusammenarbeit wird sich einspielen. Wenn wir Glück haben, ist das Team so gut, dass die Leute sich nicht mehr dafür interessieren, wer vorher was gemacht hat, und dem zuwenden, was dort ist. Und wenn wir Pech haben, haben wir Pech.

Mit politischem Kabarett kann man Sie jagen. Wieso?

Mich stört nicht, dass es politisch ist, sondern die Art der Umsetzung. Das ist mir zu pädagogisch, zu moralisch. Männer, die vor Publikum Merkel den Kopf waschen. Alles, was ich im Fernsehen sehe, im "Scheibenwischer" oder so, ist schrecklich medioker. Ich vermisse die Anarchie.

Auch in offiziellen Texten über Sie, etwa in Programmheften, steht, dass Sie im ersten Anlauf an der Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München abgelehnt wurden. Warum?

Keine Ahnung. Weil es für einen vermeintlichen Haken in einer Biografie steht, ein Damaskuserlebnis?

Aber Sie haben diese Texte doch freigegeben? Weil Sie nicht als Erfolgstyp gelten wollen und deswegen diesen vermeintlichen Makel betonen?

Sicher nicht. Fakt ist, dass ich es versucht habe, in der dritten Runde rausgeflogen bin und erst mal weiterstudiert habe.

Sie sind einfach so in Ihr Lehramtsstudium Deutsch und Religion zurückgegangen?

Ja, ich habe gedacht: Wenn die mich nicht nehmen, haben die bestimmt einen guten Grund. Zwei Jahre später hat mich dann noch mal der Ehrgeiz gepackt und ich habe mich in Berlin beworben – diesmal erfolgreich.

Sie wären sonst Lehrer geworden?

Ja, das war kein Verlegenheitsstudium. Mir hätte das Spaß gemacht.

Und den Schülern?

Ich hoffe doch, auch.

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