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Kommentar Gericht lässt Kastanienallee-Demo zuTuten und Blasen in der Demokratie

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Polizei will in der Demo gegen den Kastanienallee-Umbau keine politische Veranstaltung erkennen, weil da auch Musik geplant ist. Dahinter steckt ein irrsinniges Konzept.

D ie Polizei hat von Tuten und Blasen keine Ahnung. Diesen Eindruck verbreitet die Versammlungsbehörde mit ihrer Entscheidung zum Aktionstag auf der Kastanienallee. Da will eine Bürgerinitiative auf die Straße gehen. Sie protestiert seit Monaten gegen den vom Bezirk geplanten Umbau. Sie hat ein Bürgerbegehren eingeleitet, das gerade erst vom Senat als zulässig gewertet wurde. Und was meint die Polizei? Das könne keine politische Demonstration sein, weil auf der Bühne auch Musik gespielt werde.

Zum Glück hat das Verwaltungsgericht den Irrsinn im Handeln der Polizei bereits als solchen erkannt. Man könnte das Ganze als berlintypische Posse abtun. Doch bei der Falschbewertung der Kastanienallee-Demo handelt es sich nicht um den Fehler eines trotteligen Behördenmitarbeiters. Dahinter steckt Konzept.

Seit zehn Jahren schon versucht die Polizei, Demonstrationsveranstaltern vorzuschreiben, wie viel Inhalt sie liefern müssen. Sie stellt tatsächlich Beamte mit Stoppuhren an die Bühnen, um die Länge der Redebeiträge zu messen. Und keineswegs nur bei spleenig erscheinenden Tanzparaden.

Sicherlich mag es Grenzfälle geben. Aber die Rechtsprechung ist eindeutig: Im Zweifelsfall muss das hohe Gut der Versammlungsfreiheit überwiegen. Entweder hat die Polizei also mutwillig gegen höchstrichterliche Vorgaben verstoßen. Oder sie hatte tatsächlich keinerlei Zweifel, dass die Kastanienallee-Demo unpolitisch ist. Dann aber hat sie nicht nur von Tuten und Blasen, sondern auch von den Grundlagen der Demokratie keine Ahnung.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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5 Kommentare

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  • GA
    Gereon Asmuth

    @demogänger

    Da haben Sie auf der Sprachebene der Verwaltungsjuristen durchaus Recht. Im Alltag aber ist das faktisch wenig relevant. Im konkreten Fall hatte die Polizei gegenüber Pressevertreten angegeben, dass sie selbstverständlich die Veranstaltung nicht verboten habe. Sie habe ihr nur den Charakter einer Veranstaltung zur öffentlichen Meinungsbildung abgesprochen. Dummerweise läuft das auf dasselbe hinaus. Der Veranstalter kann entweder einknicken oder er muss vor Gericht ziehen.

  • D
    demogänger

    @Gereon Asmuth: Als taz-Redakteur sollte mensch aber auch wissen, dass Versammlungen nicht - und schon gar nicht von der Polizei - "genehmigt" werden müssen. Ein Grundrecht ist nicht genehmigungspflichtig. Die Polizei bzw. die zuständige Versammlungsbehörde kann, unter ganz bestimmten Umständen, eine Versammlung verbieten; grundsätzlich aber gilt, dass eine Versammlung nur "angezeigt" (also Bescheid gesagt werden) muss.

  • S
    soph

    ich freue mich über den kritischen artikel und auch über die kritischen artikel zum polizeieinsatz (pfeffersprayattacken) am 1. mai. denn genauso kommt es mir als berlinerin auch vor. es wird immer willkürlicher auf seiten der polizei agiert und die totschlagargumente, das demos geld kosten holen mich nicht hinterm ofen vor. es ist auch geld da um werbung für den zenus zu machen (für die werbekampange wurden millionen ausgegeben) ganz zu schweigen von den kosten von polizeieinsätzen bei fussballspielen!

    wenn eine politische demonstration/ kundgebung heutzutage durch ein gewisses kulturelles programm untermalt wird, dann ja auch zu dem zweck, mehr menschen auf die etwaige problematik aufmerksam zu machen und für die sache zu gewinnen.

  • GA
    Gereon Asmuth

    @grafinger

    1.) Ja, ich kann mich noch an die Diskussionen um die Loveparade erinnern. Deshalb haben wir im zum Kommentar gehörenden Text auch ausdrücklich auf diese Diskussion aus dem Jahr 2001 und das daraus folgende Bundesverwaltungsgerichtsurteil zur Fuckparade verwiesen.

    2.) Selbstverständlich dürfen Sie gern ihr Grillfest als Demo anmelden. Nur wenn die Polizei dann zweifelsfrei zum Ergebniss kommt, dass es sich dabei nicht um eine Veranstaltung zur öffentlichen Meinungsbildung kommt, dann muss sie das nicht genehmigen. Solange diese Zweifel aber offensichtlich bestehen, muss sie die Demo genehmigen. Das ist nicht nur der Kern des Problems, sondern die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

    3.) Kennen wir uns? Habe ich Ihnen mal das Du angeboten? Nein? Na dann.

  • G
    grafinger

    Lieber Gereon,

    in Deiner Wut hast Du leider den Kern der Problematik übersehen:

    Es kann nicht sein, dass Spassveranstaltungen als "politische Demonstrationen" angemeldet werden um so die Kosten für Absperrungen, Verkehrsregelung und Müllbeseitigung der Allgemeinheit aufzubürden.

    Ich könnte sonst mein wöchentliches Grillfest auch als Demo "pro fossile Brennstoffe und Einwegverpackungen" anmelden um den ganzen Abfall kostenlos entsorgen zu lassen.

    Kannst Du Dich vielleicht noch an diese Thematik im Rahmen der "Love Parade" erinnern?