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Debatte in der Linkspartei"Wir haben ein kulturelles Problem"

Der mecklenburgische Parteivorsitzende Steffen Bockhahn über sinkende Umfragewerte, sein Problem mit Autoritäten und seine Kritik am neuen Grundsatzprogramm.

Vor den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern macht die Parteispitze der Linken keine gute Figur. Bild: dpa
Paul Wrusch
Interview von Paul Wrusch

taz: Herr Bockhahn, am 4. September wird in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Spüren Sie Rückenwind dafür aus der Berliner Parteizentrale?

Steffen Bockhahn: Die Umfragewerte der Bundespartei sind zurzeit nicht die besten, und wir wünschen uns natürlich, dass das besser wird. Es fällt einer Landespartei immer etwas schwer, großartige Erfolge zu erzielen, wenn die Bundespartei nicht so gut dasteht.

Meine Frage zielte weniger auf die derzeitigen Umfragewerte ab als vielmehr auf die derzeitige Performance der Parteispitze. Personaldebatten, Streit zwischen den Flügeln …

Die Linke
Im Interview: 

STEFFEN BOCKHAHN, 32, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei und Parteichef in Mecklenburg-Vorpommern. Bockhahn stammt aus Rostock und zählt zu den Ostpragmatikern in der Partei.

In einer gut funktionierenden Demokratie werden innerparteiliche Probleme auch in den Medien widergespiegelt, und das schlägt sich in den Umfragewerten nieder.

Die Berliner Querelen schaden Ihnen in Mecklenburg-Vorpommern?

Ich wünsche mir pragmatische Debatten darüber, wie wir zu einem funktionierenden demokratischen Sozialismus kommen und schon auf dem Weg dahin konkrete Verbesserungen für die Benachteiligten in unserer Gesellschaft erzielen können.

Und dafür ist die Linkspartei richtig aufgestellt?

Wir haben definitiv Schwierigkeiten, deutlich zu machen, was wir wollen. Wir haben das klassische Problem einer fusionierten Partei - nach einer Phase der Euphorie gibt es Schwierigkeiten, die Mühen des Alltags miteinander zu bewältigen. Es fällt uns schwer, den künftigen Kurs der Partei abschließend zu klären.

Sie sind nicht zufrieden mit dem Entwurf für das Grundsatzprogramm, das gestern vorgestellt wurde?

Irgendwann erreicht man einen Punkt in der Diskussion, wo man feststellt, mehr ist nicht drin. Dann muss sich jeder überlegen, ob er zustimmt oder aus Prinzip weiter Nein sagt.

Sie stimmen mit Nein?

Ich werde es mir nicht verbieten lassen, Änderungsanträge zu stellen. Die Kriterien, wonach Regierungsbeteiligungen für die Linkspartei zulässig sind, wurden zwar entschärft. Aber die Länder werden entscheiden, was sie für richtig halten.

Hat Fraktionschef Gregor Gysi an Autorität und Integrationskraft eingebüßt?

Ich habe mit Autoritäten ohnehin Probleme. Aber ich denke, dass es tatsächlich so ist, dass viele stark an Gregor Gysi zerren. Und Gregor Gysi lässt sich gelegentlich zu sehr in eine Richtung zerren.

Meinen Sie die Antisemitismusdebatte der letzten Woche?

Da ist einiges schiefgelaufen. Ich glaube, es gibt mitunter ein kulturelles Problem, wie Diskussionen miteinander ausgetragen werden. Und bei der Frage, ob Ein-oder Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt, gibt es einfach keinen Kompromiss.

Also gibt es Punkte, in denen sich keine Einigung finden lässt. Ist die Fusion zwischen PDS und WASG gescheitert?

Solange die Linke stabil in den Parlamenten ist, kann man nicht von einem Misserfolg sprechen. Wir müssen aber aufpassen, erkennbar zu bleiben und weiter glaubwürdige Angebote zu machen.

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7 Kommentare

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  • T
    txxx666

    Wieso werden hier eigentlich noch solche rechtsextremen, verfassungsfeinlichen, antidemokratischen und komplett beknackten Kommentare wie die des "Rasenmähers" veröffentlicht?

  • R
    Rasenmäher

    Wieso wird eigentlich noch über diese linksextreme, verfassungsfeinliche, antisemitische und fernab jeder Realität lebenden Partei berichtet?

  • M
    Mauermer

    Auch hier irrt die Linke: einen demokratischen Sozialismus kann und wird es nicht geben. Bisher haben Bürger freier Staaten bei freier Wahl immer alles andere als einen Sozialismus gewählt. Das ist auch kein Wunder, denn Sozialismus ist eben mit Menschen nicht kompatibel. Und so langsam sollten es alle begriffen haben, bisher ist noch jede Variante dieser Philosophie gnadenlos gescheitert. Es folgt immer dem gleichen Schema: Revolution oder Krieg, eine kleine Gruppe übernimmt die Macht, beginnt mit Säuberungen, Andersdenkende werden in Lager gesteckt und umerzogen, mittels Repressalien wird der Rest der Bevölkerung klein gehalten. Eine beliebige Zeitspanne später ist das Land genau deshalb am Ende und geht pleite. Das Militär übernimmt, die Spirale beginnt von Neuem. Noch mehr Unterdrückung usw. Reich wird ein kleiner Teil, der Rest gleichmäßig arm. Kuba hatte Glück, dort ist das Wetter besser als in Nordkorea...

    Daher: Nie wieder Linke an der Macht! Somit ist es kein kulturelles oder sonstiges Problem, es ist ein grundsätzliches. Links ist eine denkbare Variante, aber eben nur denkbar, nicht ausführbar. Und das wird ständig übersehen.

  • H
    Hans

    Ein großes Problem der Linkspartei heißt schwache bürgerliche Mitte - schwache Regierung - und dafür kann weder die Partei noch Gysie etwas. Und die Medien sind keine Freunde der Linkspartei, gerade die Anti-Semitismus-Debatte wurde extrem hochgefahren, während in der SPD, CDU/CSU und auch bei FDP und Grünen durchaus auch antisemitische Haltungen vorhanden sind. Die SPD mit Sarrazin ist ja sogar regelrecht in rechs-extrem Auslage.

     

    Ich befürchte, dass die Linkspartei es nicht schafft, die Misserfolge der letzten Zeit zu verdauen und dann gibt es auch dort, gerade im Osten, auch linke Berufspolitiker, die an sich, an ihre Karriere denken und die gehen schneller auf die Führung, auf Gysie los, als die Durchschnittsmitglieder oder Wähler.

     

    Letztlich droht ja die SPD wieder mit einem Peer Steinbrück oder einem anderen Agenda-2010-Politiker ins Rennen zu gehen und dann muss die Linke vereint losschlagen. Die Vorlagen gibt es ja genug, dem Wähler ist wahrscheinlich komplett egal, welcher demokratische Sozialismus im Programm der Linken steht.

    Zu viel und zu oft haben Inhalte in Programmen gestanden und keine Rolle gespielt - Siehe SPD - was ist deren Programm wert? Wer denkt an deren Programmatik? Das mag bei den Linken ein wenig besser sein, tatsächlich ziehen Programme kaum Wähler.

  • E
    end.the.occupation

    >> Und bei der Frage, ob Ein-oder Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt, gibt es einfach keinen Kompromiss.

     

    Jede Wette, Bockhahn weiss über die Bedeutung dieser beiden Begriffe ebenso wenig, wie über Israel oder Palästina. Das die Israelis die Zweistaatenlösung durch die Verdreifachung der Siedler seit Oslo schlicht hinwegbetoniert haben - das wird Bockahn nicht wissen.

     

    Er muss das auch gar nicht wissen, denn hier geht es nicht um die Sache - von der Bockhahn nicht den blassesten Schimmer hat - sondern darum an diesem Thema die Bereitschaft zur Kapitulation vor Kapitalismus, Militarismus und Imperialismus zu erklären.

     

    Bockhahn will nicht die Verhältnisse ändern, sondern sich an sie anpassen. Diese LINKE braucht niemand. Kein Linker wird ihr eine Träne nachweinen.

  • D
    daweed

    Dieses kulturelle Problem wird aber auch medial verursacht. Indem man wie bei den Grünen zwischen Fundis und Realos unterscheidet und dann beide Parteien dies auslöffeln lässt. Man meint es dürfe nur eine Strömung geben und das ist falsch.

     

    Wenn sich nur eine Strömung durchsetzt, beginnt die Farblosigkeit. Weil dann wie bei den Grünen beschlossen wird, für den erneuten schwarz-gelben Atomausstieg gestimmt wird.

     

    Und schon landet man im Einheitsbrei der neoliberalen Politik.

  • H
    hto

    "In einer gut funktionierenden Demokratie werden innerparteiliche Probleme auch in den Medien widergespiegelt, und das schlägt sich in den Umfragewerten nieder."

     

    Die Ursache aller Probleme unseres "demokratischen Zusammenlebens" ist der "freiheitliche" Wettbewerb - nur ein Problem dabei: wir haben eine Diktatur des Kapitals, für die ihr "Linken" auch mit Kreuzchen auf dem Blankoscheck leichtfertig kapituliert, weil ihr eben auch von gutbürgerlich-gebildeter Suppenkaspmentalität im "gesunden" Konkurrenzdenken funktioniert und somit der Konfusion in Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll widergespiegelt seid (Surfen auf und im Zeitgeist)!?