Reform der Sicherungsverwahrung: Therapie-Angebot wird Pflicht
Die Justizministerin legt Eckpunkte für eine Reform der Sicherungsverwahrung vor. Unter anderem sollen Therapieangebote künftig ein Muss sein.
FREIBURG taz | Die Justizministerin ist schnell. Schon zwei Monate nach dem Karlsruher Urteil zur Sicherungsverwahrung präsentiert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Eckpunkte für eine Reform. Das zwölfseitige Papier wurde Anfang der Woche an die Bundesländer verschickt und liegt der taz vor.
Das Papier bezieht sich auf ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von Anfang Mai. Damals erklärten die Richter alle Vorschriften zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig und ordneten eine Neuregelung nach fein austarierten Vorgaben bis Mai 2013 an.
Sicherungsverwahrung ist das schärfste Schwert des Strafrechts: Ein Straftäter wird dabei auch nach vollständiger Verbüßung seiner Strafe nicht aus dem Gefängnis entlassen, weil er noch als gefährlich gilt. Die Richter forderten ein "freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept". Dessen wesentliche Leitlinien solle der Bundestag bestimmen, die Details sollen anschließend die laut Grundgesetz eigentlich zuständigen Länder ausarbeiten.
Die Justizministerin hat das Urteil genau studiert und daraus sieben Gebote abgeleitet, die in 18 Vorschlägen zur Änderung von Strafgesetzbuch, Strafprozessordnung und Strafvollzugsgesetz realisiert werden sollen. Wohl am wichtigsten ist das Ultima-Ratio-Prinzip. Wenn eine Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten ist, muss schon im vorherigen Strafvollzug alles getan werden, die Gefährlichkeit des Täters zu verringern. Ihm müssen daher frühzeitig entsprechende Therapien angeboten werden.
Karlsruher Vorgabe wird umgesetzt
Auch in der Sicherungsverwahrung müssen Therapien angeboten werden, auch solche, die individuell auf den Gefangenen abgestimmt sind. Wenn sich ein Gefangener ablehnend zeigt, muss er motiviert werden. Der Vollzug der Verwahrung soll "den allgemeinen Lebensbedingungen angepasst" werden, "soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen", heißt es in den Eckpunkten. Damit wird die Karlsruher Vorgabe umgesetzt, dass die Sicherungsverwahrung sich deutlich von der Strafhaft unterscheiden soll. Was das konkret etwa für die Größe und Ausstattung der Zellen heißt, lässt das Papier offen.
"Möglichst früh" soll ein Verwahrter "vollzugsöffnende Maßnahmen" wie Ausgänge bekommen. Bisher verweigern vorsichtige Gefängnisleiter solche Lockerungen regelmäßig.
Damit die neue Konzeption der Sicherungsverwahrung nicht nur auf dem Papier steht, wird der Rechtsschutz deutlich verbessert. Klagen gegen nicht ausreichende Therapieangebote oder verweigerte Lockerungen können künftig in zwei Instanzen überprüft werden. Wenn die Haftanstalt eine gerichtliche Anordnung ignoriert, was häufig der Fall war, kann dann ein Zwangsgeld bis zu 10.000 Euro gegen die Anstalt angeordnet werden - auch mehrfach.
Wenn ein Gefangener auch nach gerichtlicher Aufforderung keine ausreichenden Therapieangebote erhält, muss er aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Künftig soll die Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung jährlich statt bisher alle zwei Jahre gerichtlich überprüft werden. Ab zehn Jahren Verwahrung muss sogar alle sechs Monate kontrolliert werden.
An mehreren Stellen geht Leutheusser-Schnarrenberger sogar über Karlsruher Vorgaben hinaus. So sehen die Eckpunkte vor, dass vor dem Übergang von der Haft in die Verwahrung zwingend ein Sachverständigen-Gutachten über die Erforderlichkeit erstellt wird.
Andere Karlsruher Vorgaben ignoriert das Eckpunkte-Papier jedoch. So sind keine "ausreichenden Besuchsmöglichkeiten" vorgesehen. Auch Mindeststandards für die Personalausstattung der Anstalten fehlen.
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