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Wegen Verständnis für Terror-Anschläge"Jerusalem Post" feuert Mitarbeiter

Zu viel für das konservative Blatt: Larry Derfner, Kolumnist der "Jerusalem Post", wurde entlassen, weil er Verständnis für palästinensische Terroranschläge äußerte.

Um einen Kolumnisten ärmer: die Jerusalem Post. Bild: screenshot jp

JERUSALEM taz | Im Grunde hat er nur das getan, wofür er bezahlt wird: verbal Krach geschlagen gegen Zustände und Entwicklungen, die ihm unerträglich sind. Larry Derfner, langjähriger Kolumnist der englischsprachigen Jerusalem Post ist nun gefeuert worden.

Sein nicht im Blatt selbst, sondern im Blog der Internetseite "Israel reconsidered" geäußertes Verständnis für den "gerechtfertigten" palästinensischen Terror und sogar das Recht, "Israelis zu töten", ging zahlreichen Lesern der konservativen Zeitung zu weit. Auf die Kündigungen ihrer Abonnements reagierte die Chefredaktion mit dem Rausschmiss Derfners. Seine spätere Entschuldigung und Erklärungen halfen ihm nichts mehr.

Unter der Überschrift "die schreckliche, notwendige Wahrheit über palästinensischen Terror" behauptete Derfner, dass, wer die Besatzung als falsch betrachtet, den Palästinensern das Recht zum Widerstand einräumen müsse - auch in Form von "Gewalt gegen Israelis". Der vor einem Viertel Jahrhundert aus den USA eingewanderte linke Kolumnist erklärt in einem sprachlich etwas verwirrenden Gedankenspiel, warum es nötig sei, den palästinensischen Widerstand gegen die Besatzung zu rechtfertigen, da alles andere die Besatzung nur fortdauern ließe. Nichtdestotrotz solle der Leser nicht zu dem Rückschluss kommen, er, Derfner, befürworte den Terror. "Ich möchte nicht sehen, wie Israelis getötet werden", betont er in seinem Blog.

Derfners spätere Entschuldigung und die Erklärung er habe eine Schockwirkung beabsichtigt, wurde wieder nur auf der seiner Webseite veröffentlicht. Die Jerusalem Post druckte stattdessen die scharfe Reaktion des rechts-konservativen Bloggers Isi Leibler. Die Rechtfertigung von Mord sei abscheulich, schrieb Leibler, der selbst regelmäßig aktuelle Themen auf seiner Internetseite "Candidly Speaking from Jerusalem" ("Ein offenes Wort aus Jerusalem") kommentiert.

Leibler spannt den Bogen von jüdischen Antisemiten im Mittelalter bis hin zu jüdischen Stalin-Anhängern. Die begrüßenswerte offene Debatte, die die Jerusalem Post grundsätzlich zulasse, dürfe nicht so weit gehen, "Beiträge von Neonazis, einem antisemitischen Dschihadisten oder einer Person, die den Mord an Israelis rechtfertigt zu akzeptieren".

Mit Derfner verliert die Jerusalem Post eine Stimme, die zumeist gegen den konservativen Geist der Zeitung argumentierte, sei es bei dem jüngst verabschiedeten Anti-Boykott-Gesetz oder den Treueschwur auf den demokratischen und jüdischen Staat. Selbst aus rechten Kreisen kam die Kritik, man hätte Derfners Position diskutieren müssen, anstatt ihn zu feuern.

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6 Kommentare

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  • X
    xpeten

    So wird wahrscheinlich überall in Israels Öffentlichkeit mit Kritikern an der Palästinenser- und Siedlungspolitik verfahren - was dann im Ausland zu der falschen Wahrnehmung führen muss, die gesamte israelische Gesellschaft stünde hinter der Politik der Hardliner.

  • C
    Christine

    Der Mann wurde nur gefeuert es wurde keine Fatwa oder Todesdrohung ausgestoßen. Da geht es dem Sohn des Hamas Frührers anders, seit er die Palästinenser, die Hamas und den Islam kritisiert hat. Sein Leben ist nicht mehr sicher und sein Land mußte er verlassen. Keiner regt sich auf! Ja, so sind die Maßstäbe verschieden - gelle.

  • OK
    Oma Kruse

    Ist doch richtig, was die JPost macht: Die Rechtfertigung von Verbrechen ist ein Verstoß gegen die journalistische Ethik. Wenn der Mann Morde an Juden rechtfertigt, warum sollte ihn die Redaktion also nicht feuern?

     

    Solche Gestalten schaden der israelischen Linken nur. Niemand wird eine unpatriotische Partei wählen, die dem eigenen Land und den eigenen Bürgern Schaden zufügen will. So werden Netanjahu und Liebermann auch die nächste Wahl gewinnen. Nicht weil sie gut sind, sondern weil ihre politischen Gegner so schlecht sind.

  • E
    end.the.occupation

    >> behauptete Derfner, dass, wer die Besatzung als falsch betrachtet, den Palästinensern das Recht zum Widerstand einräumen müsse

     

    Frau Knaul wäre nicht einmal in der Lage so einen Satz zu denken, die auch noch den Terrorangriff auf Gaza als 'Selbstverteidigung' verkauft hat.

     

    Und nach jahrelanger 'Berichterstattung' a la Knaul dürfte die Mehrheit ihrer Leserschaft dergleichen ohnehin für 'Antisemitismus' halten.

     

    Noch schlimmer wie Derfner ist vermutich Ehud Barak:

    "If I were a Palestinian at the right age, I would have joined one of the terrorist organizations at a certain stage." (Gideon Levi, March 1998)

     

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • N
    noevil

    Vielleicht ist das Problem der israelischen Presse, dass sie "Verständnis" mit "Einverständnis, also Zustimmung" verwechselt. Das passiert leider überall und immer wieder. Fatal!

     

    Wäre ich Journalist, ich wäre sicherlich auch gefeuert worden.

  • V
    vantast

    Mein Schlüsselerlebnis war vor etwa 30 Jahren die Aussage einer israelischen Siedlerin: "Was wollen die Palästinenser hier, sie sollen verschwinden!" Seither bin ich auf Seiten der Palästinenser und freue mich über die zunehmende Isolation Israels.