piwik no script img

LandespolitikWahlkrampf lähmt die Grünen

Zu brav, zu undemokratisch, zu fixiert auf die Spitzenkandidatin: Auf einem Grünen-Treffen wird der eigene Wahlkampf verrissen. Im Streit der Fraktionsflügel bleiben die Fronten derweil verhärtet.

Als hätte er's geahnt: Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann während der Sondierungsgespräche mit der SPD Bild: dpa

Bei den Berliner Grünen brodelt es weiter. Noch immer ist offen, wie der Revolte der Parteilinken in der Fraktion ausgeht. Am Donnerstagabend trafen sich zudem Kreisvorstände und SprecherInnen der Landesarbeitsgemeinschaften zur internen Aussprache über den Wahlkampf - an dem sie deutliche Kritik übten.

Zu zahm, zu mainstreamig, zu sehr auf Spitzenkandidatin Renate Künast fokussiert, monierten die BezirksvertreterInnen die Kampagne. Kritisiert wurde das von der Partei "entkoppelte" Wahlkampfteam um Künast und die Fraktionschefs Volker Ratzmann und Ramona Pop, berichtete ein Teilnehmer. Die hätten Fachpolitiker und Bezirksspitzen "zu wenig mitgenommen" und Strategien - wie zur A100 oder zu Grün-Schwarz - eigenmächtig entschieden. Das Thema Mieten habe man "verschlafen", der Schwerpunkt Umwelt habe nicht gezündet. Insgesamt seien Inhalte zu schwammig präsentiert worden. Wahlplakate seien "zu staatstragend und humorlos" gewesen, freche Varianten wie "Renate nervt" abgelehnt worden. Einen Plan B für den Fall sinkender Umfragewerte - der ja eintrat - habe es nicht gegeben. Mit allen Parteimitgliedern soll der Wahlkampf am 16. November auf einem kleinen Parteitag diskutiert werden. Nach taz-Informationen ist dieses Jahr auch noch ein regulärer Parteitag geplant, auf dem sich Ratzmann und Pop für ihre Führung im Wahlkampf verantworten müssen.

Die Reaktionen auf den aktuellen Konflikt in der Grünen-Fraktion seien "verunsichert bis richtig sauer" gewesen, so ein Beobachter. Die Parteilinke hatte nach verlorenen Wahlen um den Fraktionsvorsitz öffentlich mitgeteilt, die wiedergewählten Pop und Ratzmann nicht als ihre Vertreter zu akzeptieren. Die Wahl der drei Stellvertreter und des parlamentarischen Geschäftsführers wurde daraufhin auf Dienstag verschoben.

"Nicht unsere Politik"

Bisher habe sich niemand für die Posten gemeldet, heißt es aus dem linken Flügel. Als "Feigenblatt für eine Politik, die nicht unsere ist", stehe man nicht zur Verfügung. Die Parteilinke Susanna Kahlefeld, die ursprünglich für einen Beisitz antreten wollte, zog ihre Kandidatur vorerst zurück. Der flügelunabhängige Heiko Thomas, der im Gespräch als Geschäftsführer war, tat es ihr gleich: Zuerst müsse ein "gemeinsamen Weg" gefunden werden, so der Pankower. Wie dieser Weg aussieht, wurde am Freitag hinter verschlossenen Türen diskutiert. Eine Variante könnte ein Kompromisskandidat sein. Bisher hatten Ratzmann und Pop einen Rücktritt aber abgelehnt. Parteilinke kritisieren, beide zeigten angesichts ihrer Rolle im Wahlkampf keine Selbstkritik.

Grünen-Parteichef Daniel Wesener forderte am Freitag eine "schnelle Lösung". Deutlicher wurde Franz Schulz, Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. Die "postpubertären Spielchen auf beiden Seiten" müssten aufhören. Die Pressekonferenz der Linken sei "neben der Kappe" gewesen. Wichtig sei eine interne Aussprache, keine öffentliche Eskalation. Schulz Vorschlag zur Güte: die Fraktionschefs im Amt lassen - und in einigen Monaten neu wählen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • G
    Grünspecht

    Ich verstehe die Grünen nicht.

     

    Wenn Frau Künast mit Herrn Ratzmann und Frau Pop zusammen tatsächlich mehr oder weniger selbstherrlich und abgekoppelt von der Partei die Hauptwahlkampfstrategien ausgeheckt hat, dann wähle ich Ratzmann und Pop doch nicht schon wieder als Fraktionsvorsitzende!

     

    Denn dann weiß ich doch, das diese Personen dazu neigen, abgehoben und eigenmächtig zu entscheiden. Solche Leute will ich doch dann nicht schon wieder als Führung haben.

     

    Als sogenannter linker Flügel der Grünen kann man allerdings auch nicht einfach sagen, das Wahlergebnis interessiert uns nicht und einer der frisch gewählten Fraktionsvorsitzenden soll zurücktreten, weil deren politische Richtung nicht passt.

     

    Offenbar haben die eher links ausgerichteten Abgeordneten im Vorfeld der Fraktionsvorsitzenden - Wahlen nicht genug Stimmung für sich gemacht.

     

    Entscheidend ist aber wohl:

    Die Grünen sind nun mal mehrheitlich neoliberal und CDU-nah und die Parteilinken sind nun mal leider immer in der Minderheit auf Landes- und auf Bundesebene (die meisten sozial orientierten Grünen sind längst aus der Partei ausgetreten).

     

    Die wenigen Einzelpersonen in der grünen Partei, die per Direktmandat aufgrund ihrer Politik noch wählbar sind, machen in den Augen ihrere WählerInnen immer wieder unerträgliche politische Spagate, in dem sie z.B. in dem arroganten Grünen-Wahlkampf die neoliberale Frau Künast als Spitzenkandidatin unterstützt haben.

     

    Ich habe mich übrigens auch immer gewundert, was das für eine "Wahl" gewesen sein soll, bei den Grünen. Denn Frau Künast hatte meines Wissens noch nicht mal eine/n GegenkandidatIn, als sie zur Spitzenkandidatin gewählt wurde.

     

    Die Grünen sind vielleicht eine autoritärere Partei (Joseph Fischer lässt grüßen!) als viele Leute denken.

  • RH
    Regina Hutchinson

    Am Dienstag im Abgeordnetenhaus herrschte sehr sehr dicke Luft. Während daneben die Piraten humorvoll, locker aber konzentriert ihre Fraktionssitzung gehalten haben.

     

    Oft rannten Fraktionsmitglieder der Grünen aus dem Raum, Handy in der Hand schnell Abhilfe zum Chaos verschaffen.

    Ich sah einen konzeptlosen linken Flügel. Die Kandidatur von Canan B. (ehemals SPD) war ein großer Fehler. Diese hat weder Lobby innherhalb des linken Flügels noch genießt sie einen guten Ruf als zuverlässigen Abgeordneten.

    Die Kampkandidatur wurde zu kurzfristig beschloßen, so daß eine gründliche Vorbereitung und das dazugehörende Klinkeputzengehen nicht in dem notwendigen Umfang und Genauigkeit möglich waren.

     

    Der unpassende Umgang des sogennanten Pressesprechers Mathias soundsoviel an diesem schwarzen Dienstag ist nur noch ein Zeichen dafür, daß die Nerven wirklich blank gelegen haben. Bei dem Besagten, ganz besonders.

    Bei dem Anlaß konnte man auch konstatieren, daß er innerhalb der Fraktion keinerler guten Ruf genießt...

    Fazit: Ein schwarzer Dienstag für die Grünen in Berlin.

  • HL
    Hauke Laging

    Alle fordern den außerordentlichen Parteitag, aber nicht, um Pop und Ratzmann zu grillen, sondern wegen des Aufstands in der Fraktion.

     

    "Parteilinke kritisieren, beide zeigten angesichts ihrer Rolle im Wahlkampf keine Selbstkritik." Das hat Ratzmann auf diesem Treffen durchaus getan. Dass aber ausgerechnet die Linken, die uns mit der A100-Radikalisierung derart reingerissen, Stimmen aus dem Rest Berlins nach Frieke und Neukölln verschoben haben, von anderen Selbstkritik fordern, ist allenfalls amüsant.

     

    "Franz Schulz: Die 'postpubertären Spielchen auf beiden Seiten' müssten aufhören. Wichtig sei eine interne Aussprache, keine öffentliche Eskalation."

     

    Wer hat denn öffentlich mit Parteiaustritt gedroht? Das war wohl weder postpubertär noch öffentlich noch eskalierend. Im Fall "einer Politik, die nicht unsere ist", ist ein Parteiaustritt übrigens durchaus eine Lösung. Wer A sagt, sollte dann auch das Rückgrad haben, B zu sagen.

  • SK
    Spitzen kandidatin

    Wenn ich digiges, pirat oder FSF wäre, würde ich den grünen eine kostenlosen Linux-Server-Hosting-Paket mit Basis-Vote-Abstimmung schenken (die werbeeinnahmen kriege natürlich weiter ich). Manche nennen es hölzernes Pferd. Die Basis nennt es die Befreiung von der Top-Down-Basta-Doktrin. "Digital Natives" (2010?) ÖR-Doku: "Ich war bei den Grünen. Da sollten wie so abstimmen wie uns gesagt wurde. Jetzt bin ich Pirat.".

     

    Da man als Programmierer morgen noch arbeiten möchte, braucht man Protektion. Die kriegt man aber nicht.

    Beim Gegner Demokratie zu säen zeigt auf, ob er demokratisch oder nur ein Haufen Zankäpfel ist.

    ct-Interview: "Microsofts Abteilungen sind wie spinnefeinde Indianerstämme die von harter Hand eines Anführers zusammengehalten werden."

    Transparenz beginnt auch beim Gegner. So wie bei Ameisen hinter Glas. Leider kann nicht jeder Pirat werden. Die Historie der Parteienverfolgung in Diktaturen ist allbekannt.

    Presse, Gewerkschaften, Verbände usw. sind leider auch nicht an Fremd-Demokratisierung interessiert.

    Also müssen wir ständig in der Zeitung lesen und im TV schauen, wie Grüne sich Realo-Fundi-Mäßig bekämpfen. So wurde laut Legende schon Black-Power vom FBI zerstört.

     

    Vertreten Abgeordnete Eure Interessen ?

    Vertreten Delegierte Eure Interessen ?

    Vertreten Eure Verbände (IHK, Berufsverbände, Gewerkschaften,...) Eure Interessen ?

    Warum votet ihr dann nicht per Basis-App von zu Hause ? Na also.

    Das Projekt wäre trivial. Nur nicht wenn man abgemahnt und bis zum verfassungsgericht verklagt wird.

    Also braucht man Protektion für den Presse, Gewerkschaften und Parteien die bekannten Verfassungsschutzrechte haben. Das hätte Trittin übrigens schon unter AOL und DSL786 1999 vor dem neuen Markt einführen können.

     

    Demokratie ist, wenn man anonym legale konstruktive Vorschläge machen kann ohne Angst vor Verfolgung zu haben. Beispiele sind Gabriele Pauli und Erwin Teufel.

    Wenn ich die grüne Basis wäre, würde ich das organisieren. Das Budget freier Programmierer wäre 0. Hostingkosten ein paar Euros. Am besten in Ländern mit Meinungsfreiheit und Rechtsstaat weil sie von Juristen wie Schröder, Künast, Westerwelle oder Obama angeführt werden... .

    Leider hat die FSF und Piraten keine anonymen Demokratisierungs-Projekte . Sonst gäbe es das längst. Für ein paar Euros als Voting-Server für Vereine, Parteien, IHKs, Gewerkschaften, Kleinaktionäre, Genossen usw. von Linux-Freedom.

    Damit man täglich 5-15 Minuten seine Demokratie machen kann während die Nachrichten parallel im Hintergrund laufen. Konstruktiv. Legal. Gewaltfrei.

    Einen nobelpreis gibt es dafür nicht .Aber man weiss, das man verkrustete Vereine zur Arbeit für die Basis optimiert hat. Das aus der lahmen zahnlosen Rostmühle ein Sportwagen wurde.

    Aber vielleicht fühlt ihr Euch von Euren Abgeordneten, Berufsverbänden, Mieterbund, Vermieterbund, Gewerkschaften, Abgeordneten, Parteien, Rentenkassen, Krankenkassen usw. perfekt vertreten. Wir sind schliesslich eine bestmöglich funktionierende Demokratie die schon Afghanistan und Libyen die Demokratisierung brachte.... .

    Wenn ich vor 30 Jahren für Grüne Ziele gefroren und hätte weglaufen müssen, wüsste ich, ob ich Anführer wähle, denen ich kritiklos folge oder Basis per Internet schaffen will. Die Kosten sind quasi zero.

    Es ist noch trivialer als WikiPlag oder VroniPlag.

    Die guten Programmierer erkennt man daran, das die Software funktioniert und zufrieden macht (siehe Bahn-Automaten oder Onlineshops). Schlechte Software wurde Euch gegen Geld vom Dienst untergejubelt damit Eure Demokratie scheitert.

    Ihr müsst nur den programmierer vor Verfolgung schützen. Tja. Schade das die FSF und CCC das nicht interessiert.

    Waffenklappen und Babyklappen gibt es. Softwareklappen leider nicht :-(

    Danke Fefe und Grüne Basis.

  • Y
    yberg

    wer auch immer vorab feststellt,daß er nur bei größter fraktionsstärke und aussicht auf das spitzenamt den pflichten der parlamentsarbeit nachkommt,hat schon einen großteil der berliner wähler/innen vor den kopf gestoßen.

     

    ich stelle mein wahlamt unter einen vorbehalt.na ja die politikkultur hat renate damit nicht geschröddert,das hat die niete schröder schließlich schon im politikalltagsbetrieb kultiviert.

     

    ich möchte wissen welcher " think tank " ihr eingeredet hat,daß das wahlvolk so tumb sei und das auch noch in berlin.

     

    den ampelschläfer im team hätte man noch als ruhestifter berlins verkaufen können,aber eine hochmögende mit dauerererhobenem zeigefinger lautstark durch die republik irrlichternde moralistin

    die bei erster gelegenheit den plumpsten opportunis-

    mus lebt hat mit hoher wahrscheinlichkeit das entern

    ermöglicht,denn die jugend sah sich in ihrem verdacht ,von den grünen abgehängt zu werden bestätigt.

     

    im übrigen zeigt das innerparteiliche hick hach nach der wahl,daß das fell des bären schon verteilt war.