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Posse um Mainzer SPD-OberbürgermeisterÜber geprellte Zeche gestürzt

Das Mainzer Stadtoberhaupt Jens Beutel (SPD) hat in einer Hotelbar in Ruanda die Rechnung für drei Gläser Wein nicht bezahlt. Das kostet ihn nun nach 14 Jahren sein Amt.

Beim nächsten Meenzer Karneval wahrscheinlich als Pappfigur auf einem Motivwagen: Ex-OB Jens Beutel (SPD). Bild: imago / Hoffmann

MAINZ dpa | Drei Glas Wein sollen es gewesen sein, die den Oberbürgermeister aus der Weinstadt Mainz am Montag das Amt gekostet haben: Jens Beutel (SPD) sei nach dem Rotwein im Viersternehotel "Des Milles Collines" im fernen Kigali einfach gegangen, ohne zu zahlen, berichteten Teilnehmer der Ruanda-Reise einer offiziellen Delegation aus Rheinland-Pfalz. Am Montag musste der 65-Jährige nun die Konsequenzen ziehen. Er erklärte seinen Rücktritt, nachdem zuvor die CDU ein Abwahlverfahren ins Gespräch gebracht hatte.

"Die Berichterstattung und viele Gespräche zeigen mir, dass ein weiteres erfolgreiches Arbeiten an der Spitze der Stadt zur Aufrechterhaltung der politischen Gestaltungsfähigkeit und mit Rücksicht auf meine Familie nicht länger möglich ist", sagte Beutel.

Mit der ungewöhnlichen Politposse wird Mainz einmal mehr dem Ruf einer Stadt gerecht, in der es gern mal drunter und drüber geht. "Das muss man erst sacken lassen", sagte der SPD-Fraktionschef im Mainzer Rathaus, Oliver Sucher. Eine 14-jährige Amtszeit dürfe jetzt aber nicht auf das Verhalten in einer Woche reduziert werden, mahnte der Kommunalpolitiker.

Nach Capri dank der Stadtwerke

Allerdings war der Oktober-Trip nach Afrika - Rheinland-Pfalz unterhält eine Partnerschaft mit Ruanda - nicht die erste Reise, mit der sich Beutel Ärger eingehandelt hat. Ermittlungen wegen Untreue und Vorteilsnahme nach einer Tegernsee-Fahrt wurden eingestellt - die Reise Beutels in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender der damals hoch verschuldeten städtischen Wohnbau Mainz GmbH war als Dienstreise abgerechnet worden.

Mit einem Strafbefehl hingegen endete vor einem Jahr ein Verfahren des Amtsgerichts Mainz wegen Untreue: Beutel musste 9600 Euro zahlen, weil eine Reise 2004 auf die italienische Insel Capri über die Stadtwerke Mainz abgerechnet wurde.

Mainz unter Spardruck

1989 wurde der gebürtige Westfale und frühere Richter für die SPD in den Stadtrat gewählt. Der Vater zweier Kinder kam dann 1996 bei der Oberbürgermeisterwahl hinter dem CDU-Kandidaten auf den zweiten Platz, gewann aber die Stichwahl mit Unterstützung der Grünen-Wähler. 1997 trat er sein Amt als vierter Mainzer Oberbürgermeister seit 1949 an, alle von ihnen Sozialdemokraten.

Die Beliebtheit seines Vorvorgängers Jockel Fuchs (1965 bis 1987 im Amt) erreichte Beutel nie, auch wenn er 2004 schon im ersten Wahlgang wiedergewählt wurde - bis Mai 2013. Mainz kämpft mit einer großen Schuldenlast, steht unter massivem Spardruck. Die SPD regiert dort mit den Grünen und der FDP. In seiner Rücktrittserklärung schrieb Beutel: "Oft genug waren schwer vermittelbare Kompromisse wegen des Fehlens einer Ratsmehrheit der Königsweg in der Mainzer Kommunalpolitik."

Während bei der SPD bereits Kandidaten für die Nachfolge gesichtet werden, sorgt sich die CDU auch um das Ansehen der Stadt. Die Landesvorsitzende Julia Klöckner twitterte am Montag: "Rücktritt von OB Beutel kommt zu spät, SPD Spitze hat Image-Schaden von Amt und Stadt in Kauf genommen."

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5 Kommentare

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  • M
    marine611

    ich weiss, dass ich eines nicht mehr tue -zur wahl gehen-. der eine ob. muss wegen fehlverhalten gehen- der neue ob-kandidat von der cdu auch schon vorbelastet trotzdem bleibt er kandidat !

     

    was sind das für menschen-von wulff angefangen , kein ehr-und schamgefühl ! das sollen vorbilder für die jugend sein ??? da braucht man sich nicht wundern,dass die jugend sie im negativen sinn als vorbild nimmt ! raffgierig sind die meisten politiker -und wenn sie gehen müssen werden sie noch belohnt.das soll ein normaler bürger verstehen.

     

    die einzige gerechtigkeit auf der welt ist: der tod hat keine taschen !!!!!!!!!!!!!!!

  • C
    Celsus

    Auch wenn ich den Rücktritt alleine schon wegen der drei Gläser Wein als gerechtfertigt ansehe: Der Mann hatte in seiner Zeit deutlich mehr Skandale zu bieten, die noch bedeutsamer waren und in einem Fall sogar zu einem Strafbefehl im Oktober 2010 gegen ihn führten. Uneinsichtig und heftig wehrte er sich gegen den Strafbefehl in Sachen Capri:

     

    http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/meldungen/9553856.htm

     

    Schlimmer noch hat es aber Mieter und Mitarbeiter der Wohnbau getroffen, in welchem Ausmaß der OB dort versagte. Das dortige Personal ist halbiert worden. Der geringe Teil gemeinnütziger Vermietung sank weiter.

     

    Und wird er jetzt den Gerüchten nach in Mainz zur ECE wechseln und finanziell weich fallen? Es sollte die Stadt dann zu noch mehr Vorsicht im Umgang mit der ECE mahnen, die gerne immer den gleichen Gutachter beschäftigt, der dann positiv gutachtet. Und das ungeachtet bisheriger Erfahrungen mit ECE an anderen Orten in Deutschland. Zudem wurde da kein neutraler Sachverständiger ohne Nähe zu ECE beauftragt. Die Kosten sollten der Stadtkasse mal erstattet werden. Ein solches Gutachten wurde jedenfalls nicht im Sinne der Bürger in Auftrag gegeben.

     

    Jedenfalls dürfte bei einem Wechsel zu ECE eines klar sein: Damit würde Beutel entgegen anders lautetenden Gerüchten wohl kaum aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig als Richter und Oberbürgermeister in den Ruhestand treten.

  • S
    sigibold

    Es gibt in Firmen ein geflügeltes Wort: Willst du einen Außendienstmitarbeiter loswerden, überprüfe seine Spesenrechnung.

    Es mag gute Gründe für die Mainzer geben ihr Stadoberhaupt zu henken. Ich kann das nicht beurteilen. Wegen einer unbezahlten Rechnung, die, das vermute ich mal, aus Unachtsamkeit nicht gezahlt wurde, einen Bürgermeister zu kippen ist einfach lächerlich. Wenn ich so etwas lese bekomme ich einen negativen Schluckreflex.

     

    sigibold

  • V
    vic

    "mit Rücksicht auf meine Familie", jammert der Schmarotzer.

    Mir kommen die Tränen.

    Herrschaftsgebaren hat mit Rücksicht nichts zu tun.

  • KA
    KHJ aus Köln

    Die Sozen auf Urlaub

     

    Geiz ist geil und geil ist geil

     

    "Das Mainzer Stadtoberhaupt Jens Beutel (SPD) hat in einer Hotelbar in Ruanda die Rechnung für drei Gläser Wein nicht bezahlt. Das kostet ihn nun nach 14 Jahren sein Amt."

     

    Und das soll alles gewesen sein?

     

    KHJ aus Köln