piwik no script img

Berliner Grüne streiten sichFlügelkampf will geschlichtet werden

Nach der verpassten Regierungsbeteiligung streiten die Berliner Grünen heftiger denn je. Jetzt soll ein Schlichter ran. Wer das sein könnte, weiß noch niemand.

Schatten über der Parteispitze: Die Wahl von Ramona Pop und Volker Ratzmann bleibt umstritten. Bild: dpa

BERLIN taz | Unverrückbare Positionen. Verhärtete Fronten. Animositäten. Ein überparteilicher Schlichter. Stuttgart 21? Nein, sondern die Situation, in der sich die Berliner Grünen nach den geplatzten Regierungsträumen befinden. Der linke Flügel in der Fraktion akzeptiert die wiedergewählte Doppelspitze nicht und fordert einen der beiden Spitzenposten. Spaltungsgedanken weisen ihre führenden Köpfe von sich.

Ohne Zugeständnis wollen sie aber nicht im Fraktionsvorstand mitarbeiten und im Parlament nötigenfalls eigenständig auftreten. Jetzt soll ein Schlichter bis Ende November die Sache klären.

Aus massivem Holz sind die Türen der Sitzungssäle im Berliner Landesparlament. Aber selbst durch sie war hörbar, wie heftig die 29 Grünen-Abgeordneten bis in den Dienstagabend hinein stritten. Erneut verlangte der linke Flügel der Fraktion den Rücktritt eines der beiden vergangene Woche gewählten Vorsitzenden.

Das sind der seit 2003 amtierende Volker Ratzmann, vor drei Jahren als Bundeschef der Grünen im Gespräch, und Ramona Pop, die 2009 ins Amt kam. Eine Doppelspitze hat sonst nur noch die grüne Landtagsfraktion in Bayern.

Pop wie Ratzmann gelten als pragmatisch, als Realos. Der linke Flügel sieht sich von ihnen nicht vertreten und hält beiden eine zu große Nähe zur CDU vor. Auch dass beide zu Jahresbeginn staatstragend die Räumung eines besetzten Hauses guthießen, nimmt ihnen die Linke übel.

Deren Parteiflügel ist in Berlin in der Minderheit. Dass der über 5.000 Mitglieder starke Landesverband dennoch immer mal wieder links eingeordnet wird, liegt zumeist daran, dass sich der Blick oft auf das Epizentrum der linken Grünen in Kreuzberg konzentriert.

Hier stellen sie - einmalig in Berlin - den Bezirksbürgermeister und haben zudem mit Christian Ströbele den einzig direkt gewählten grünen Bundestagsabgeordneten. Hier kommen sie auf über 40 Prozent. Auf Landesparteitagen aber verfügen die Linken nur über etwa ein Drittel der Stimmen.

Gemeinsames Ziel ist weg

Der führende Kopf der linken Abgeordneten in der Fraktion, Dirk Behrendt, hatte bereits in der vergangenen Wahlperiode beklagt, dass sein Flügel im Fraktionsvorstand außen vor geblieben sei. Ganz klar wurde die unterschiedliche Ausrichtung bei einem Parteitag 2009, als Behrendt vor Bündnissen mit CDU und FDP warnte, Ratzmann es hingegen ablehnte, Koalitionsoptionen auszuschließen.

Beim monatelangen Umfragehoch jedoch hatte sich Ende 2010 auch Behrendt einer Koalition mit der Union nicht mehr verschlossen - das müsse man ausloten. Über 10 Prozentpunkte lagen die Grünen vor der CDU. Das gemeinsame Ziel, Renate Künast zur Regierungschefin zu machen, übertünchte Differenzen.

Die erste große Ernüchterung kam am Wahlaband am 18. September, die zweite zweieinhalb Wochen später. Erst mussten sich die Grünen mit 17,6 Prozent zufriedengeben - zwar ihr bestes Ergebnis bisher, aber weit unter den 30 Prozent, die ihnen Umfragen noch im Mai zuwiesen. Und Anfang Oktober scheiterten Koalitionsgespräche mit der SPD, die seither reibungsfrei mit der CDU verhandelt.

Wer da als Schlichter aus der Misere helfen könnte, soll sich am Donnerstag klären. Eines immerhin scheint trotz aller Parallelen zu Stuttgart 21 festzustehen: Heiner Geißler wird es nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • RH
    Regina Hutchinson

    Wann tauchen unüberbrückbaren Differenzen auf ?

    Das ist wie in einer Ehe.

    Man/Frau ist genervt wegen dies und jenes. Man/Frau hofft auf einen Wunder...es wird schon werden, hofft jede Partei für sich.

     

    Wenn ich lese, daß ein externer richten soll, dann frage ich mich ? Wie konnte es soweit kommen, daß die Flügel nicht mehr miteinander sprechen?

    Es hat den Anschein, als habe man dort ziemlich viel laufen lassen und zu oft in den saueren Apfel gebissen, beissen müssen.

    Welche Qualitäten wird dieser Vermittler mitbringen ?

    Ist es Sozialpädagoge ? Ist er überhaupt ein Grüner ?

    Bei den im Übermaß vorhandenen Eitelkeiten, wohl gemerkt auf beiden Seiten, wird es sehr schwierig werden, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

    Als Besitzerin eines englischen Paßes habe ich bei den letzten Wahlen - schwerenherzens - die Grünen im Bezirk gewählt. Warum schwerenherzens ? Weil Frank Schulz, der grüne Bürgermeister glänzt durch Abwesenheit mit Ausnahme der Karnevaltribüne vorm Rathaus Yorckstraße.

     

    Die Grünen fehlt es an Persönlichkeiten an Politikern gleichermaßen mit Kompetenz und Ausstrahlung.

    Wenn soll man bitte schön vom linken Flügel in den Fraktionsvorsitz schicken (?)Canan B? Marianne Burkert-Eulitz (?) oder gar die chronisch schlecht gelaunten Heidi Kosche, bei der kaum jemand weißt, wofür sie steht..(Ja, Ja...die Geheimverträge..wie lange her ist das ?. Es bleibt nur Dirk Behrendt, der gute Voraussetzungen mitbringt, allerdings sehr eitel veranlagt ist, also nicht vorteilhaft, wenn man Politik macht auf noch soo kleinen Bühnen.

  • Y
    yberg

    als mitunter schadenfrohes subjekt,fange ich so langsam an mich für die akteure der grünenfraktion im abgeordnetenhaus zu schämen.

     

    erst führen die grünen einen wahlkampf von oben herab mit bürgermeisterinnengaranie und zerlegen sich nach dem mißerfolg selbst.

     

    das haben weder cdu noch spd verdient und die wähler der grünen,zu denen ich seit härte4 nicht mehr gehöre,erst recht nicht.

     

    im nachhinein stellt sich leider deutlich die entscheidung unsres zambananos der erste wowi, nicht auf die grünen zu setzen als richtig heraus.

     

    schade um die verspielten wählerhoffnungen.

  • FG
    Flü gel

    Mit Demokratisierungs-Systemen könnte jeder anonym Vorschläge machen und die Delegierten anonym abvoten was sie wie gut finden und man bräuchte keine Schlichter und würde Realo-Fundi-Streit nicht mehr aufkochen lassen.

    Wer die Basis ignoriert und Top-Down vom Hinterzimmer aus regieren will wie schon bei Adenauer oder im Palast oder bei Ghadaffi, da kann man auch gleich Establishment wählen.

    Fortschritt fürchten Verbesserungsfeinde. Weil sie dann mal arbeiten und Leistung liefern müssten.

    jedes Jahr kommen 1/75 1% bis 1,3..3% neue Wähler dazu (bzw. entfallen). Also ein Rollover von 4% bis 5% den man pro Wahlperiode neu gewinnen muss.

    Wenn man sich natürlich für den Adel und Pöstchenverteiler von Deutschland hält, hat man sowas nicht nötig.

    Regierungswürdigkeit würde ich anders einstufen.