Trendwende in der Eurokrise: Anleger flüchten in die USA
Kapital fließt in großen Mengen aus den kriselnden Ländern Südeuropas ab. Bislang profitierte Deutschland davon. Inzwischen sind die Vereinigten Staaten Nutznießer.
BERLIN taz | Bislang haben vor allem die angeschlagenen Länder Italien und Spanien unter dem Kapitalabfluss der Anleger gelitten. Viel Geld wanderte stattdessen in Bundesanleihen – was der Bundesregierung bei der Schuldenaufnahme niedrige Zinsen bescherte. Doch mit diesem Zinsvorteil könnte es hierzulande schon bald vorbei sein. Denn die Krise frisst sich immer weiter auch nach Deutschland vor.
Wie aus einer aktuellen Analyse der US-amerikanischen Bank Morgan Stanley hervorgeht, sind die Zinsaufschläge für spanische und italienische Schuldentitel in den vergangenen Tagen drastisch in die Höhe geschossen und schrammten auch am Freitag nur knapp an der psychologisch wichtigen Grenze von sieben Prozent vorbei. Die Zinsen für Bundesanleihen sinken allerdings auch nicht mehr.
Was zugleich noch auffällt: Obwohl die USA am Donnerstag den Rekordschuldenstand von 15 Billionen US-Dollar vermeldete, der Schuldenstreit in Washington politisch weiter anhält und die sonstigen Wirtschaftsdaten nicht gerade rosig aussehen, ist der Zinssatz für US-Staatsanleihen in den vergangenen Wochen wieder unter die Marke von zwei Prozent gerutscht.
"Eine zunehmende Menge an Geld aus peripheren Ländern verlässt die Euro-Zone" und fließe in die USA, heißt es in dem Morgan-Stanley-Bericht. Diese Parallelentwicklung deutet daraufhin, dass inzwischen sehr viel Geld nicht mehr nur innerhalb der Eurozone umgeschichtet wird. Sehr viel Kapital verlässt den Euroraum insgesamt. Oder noch konkreter: Kapital fließt zwar aus Italien und Spanien ab, aber nicht mehr nach Deutschland.
Der Rettungsschirm braucht auch außereuropäisches Kapital
Für die Euro-Länder ist das eine alarmierende Entwicklung. Denn sie zeigt, dass die Märkte nicht nur kein Vertrauen in die Krisenländer Südeuropas haben, sondern auch nicht mehr in die bislang als sicher geltenden Staaten Mittel- und Nordeuropas. Die Zinsen von Österreich, Finnland, Belgien, den Niederlanden und Frankreich haben Mitte der Woche neue Rekordstände erreicht. Nun scheinen Anleger zunehmend auch Deutschland zu meiden.
Europa verliert Kapital ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem mit dem Rettungsschirm EFSF und weiteren Rettungsmaßnahmen Kapital aus aller Welt dringend benötigt wird.
Zur Erinnerung: Die zugesagten Hilfsmilliarden der reichen Euro-Länder für die schwächeren Mitgliedsstaaten sollen mit dem sogenannten Hebel einen vierfachen Finanzeffekt bewirken, indem sie als Sicherheit für weitere Kredite dienen. Dafür aber müssen Investoren aus aller Welt ins Boot geholt werden. Momentan aber geschieht das Gegenteil.
"Für eine Lösung der Schuldenkrise geht es inzwischen nicht mehr um die Rolle der EZB", sagte Aktienstratege Jörg Rahm vom Vermögensverwalter Marcard, Stein & Co. Die Europäische Zentralbank (EZB) sei die einzige Instanz mit genügend Macht, "um das Ruder noch herumzureißen".
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