piwik no script img

FOTOGRAFIEDer Erzähler

Der Braunschweiger Fotograf Uwe Brodmann nutzt das Panorama-Format, um die Geschichten von Räumen und Menschen zu erzählen. Seine Sujets reichen von Kriegsveteranen bis zu den leer geräumten Sälen des Herzog Anton Ulrich-Museums.

Selbstportrait im Spiegel: der Braunschweiger Fotograf Uwe Brodmann. Bild: Uwe Brodmann

BRAUNSCHWEIG taz | Das Jahr 1989 ist für Uwe Brodmann das Jahr, in dem auch seine persönliche Mauer fiel. Denn 1989 fing Brodmann an, als freier Fotograf zu arbeiten und eigene Projekte zu verwirklichen. Davor war er als Industriefotograf für Weltfirmen mit Sitz in Braunschweig tätig: beim LKW-Hersteller Büssing bis zu dessen Abwicklung durch MAN, danach für den exportorientierten Anlagenbauer Miag, der sich eine Werbeabteilung mit 25 Leuten leistete.

Brodmann fotografierte während dieser Zeit Mühlen, Silos und Hafenanlagen. Er machte klassische Architekturfotografie in fast allen Teilen der Erde. Auch heute noch beschäftigt sich Brodmann unter anderem mit Architekturfotografie. Aber heute geht es nicht mehr um den Gebrauchswert der Fotos, sondern um ihre künstlerische Qualität.

Brodmann hat zum Beispiel die wegen ihrer Sanierung leer geräumten Räume des Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museums fotografiert. Derzeit sind Brodmanns Innenraumpanoramen im Ausweichquartier des Museums, der Burg Dankwarderode am Braunschweiger Burgplatz, zu sehen. Die Fotos haben eine narrative Komponente, indem sie den leeren Räumen ein Geheimnis gibt. Brodmann erreicht das unter anderem durch den Einsatz des Panorama-Formats.

Seit über 30 Jahren interessieren ihn die Ausdrucksmöglichkeiten, die der große Aufnahmewinkel von 120 bis 150 Grad bietet und der in etwa dem natürlichen menschlichen Blickfeld entspricht. Seine erste derartige Kamera, eine russische Horizon, fand Uwe Brodmann in einem Gebrauchtwarengeschäft in Krakau. Seine japanische Widelux kam später hinzu.

Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen sei er nie ein Feind der Digitalfotografie gewesen, sondern habe sofort ihre Vorteile erkannt, sagt Brodmann. Kein Wunder: Für Fotografen mit Interesse am Panorama bietet die digitale Technik bestechende Möglichkeiten.

Brodmann montiert horizontal und vertikal versetzte Bildsequenzen am Rechner. Drei bis sechs Abschnitte sind für ein Panorama vonnöten, damit das Bild entsteht, das Brodmann vorab von einer Szene im Kopf entwickelt. Er druckt die Bilder anschließend selbst in seinem Atelier. Das Ergebnis ist somit in allen Phasen von ihm kontrollierbar.

Mit der leichtfüßigen Apparatur, so scheint es, verschoben sich auch Brodmanns Themen. Neben Architektur und Landschaft - den klassischen Motiven der gemalten oder gestochenen Vedute, die von Kunsthistorikern gern als Vorläufer des fotografischen Panoramas zitiert wird - rückten zunehmend Menschen ins Zentrum.

Brodmann gibt einem Individuum oder einer Gruppe viel Bildraum und entfaltet damit die jeweilige Geschichte. In seiner Serie zum D-Day 2009 beispielsweise zeigt er schottische Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg. Per Zufall war er in der Normandie in die Vorbereitungen des 65. Jahrestages der Landung der Alliierten geraten. Am Juno-Beach traf er die Veteranen, allesamt hoch dekoriert und gekleidet in einheitlich dunklem Blazer.

Brodmann fand ihr Vertrauen. Seine Fotos zeigen betagte, gebrechliche und anrührende Männer, weit entfernt von martialischen Attitüden. Diese Handvoll Überlebender steht für die verlustreichen Kämpfe: Nur jeder zehnte Soldat der alliierten Truppen überstand den anfangs heftigen Widerstand der deutschen Wehrmacht.

Seiner kulturellen und politischen Neugier folgt Brodmann auch in einer ganz aktuellen Arbeit: Er fotografiert Menschen und Familien mit Migrationshintergrund aus der Region Braunschweig, sowohl zu Hause als auch an ihrem Arbeitsplatz. Wie leben diejenigen, die ihre Wurzeln nicht in Deutschland haben? Pflegen sie die Traditionen ihrer Heimat? Gibt es das, was Politiker polemisch als Parallelgesellschaften bezeichnen, wirklich?

Diese Klischees könne man vergessen, beschreibt Brodmann seine bisherigen Eindrücke. Die komplette Bildstudie wird im März 2012 im Schloss Salder in Salzgitter gezeigt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!