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Kommentar Bernd AlthusmannNote sechs, setzen!

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Althusmanns Arbeit hat zwar Mängel, ist aber kein Plagiat, findet die Uni Potsdam. Ein Schüler würde bei solchem Verhalten vermutlich mit der Note "Sechs" bestraft.

S eit Donnerstag gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) und Bernd Althusmann (CDU): Der Ex-Verteidigungsminister und der derzeit oberste Bildungspolitiker haben eine Doktorarbeit geschrieben, beide haben weite Teile der Arbeit von anderen abgeschrieben. Aber während Guttenberg versucht hat, mit Vorsatz zu täuschen, hat Althusmann nach Angaben der Kommission „gutgläubig“ gehandelt. Guttenberg war Job und Titel los, Althusmann behält beides. Ist das gerecht?

Formal fand die achtköpfige Kommission der Universität Potsdam, die Althusmanns Arbeit prüfte, zwar Mängel von erheblichem Gewicht, hat aber in der Summe kein schweres wissenschaftliches Fehlverhalten erkannt. Der niedersächsische Kultusminister hat Gedanken vor allem von anderen zusammengeborgt, hat Sekundärliteratur zitiert und die darin aufgeführten Primärquellen mit übernommen. Vermutlich ohne sie gelesen zu haben.

Aber das alles reichte eben nicht aus, um Althusmann den Raub geistigen Eigentums vorzuwerfen, zumal sich keiner der zitierten Autoren von einschlägigen Übersichtswerken beschwert hatte.

ANNA LEHMANN

ist Bildungsredakteurin der taz.

Doch legt man nicht den rechtlichen, sondern den vom Wissenschaftsrat formulierten Maßstab an die Arbeit an, nämlich den, dass eine Doktorarbeit nur dem Zweck diene, neue Erkenntnisse zu produzieren, dann wäre Althusmann durchgefallen. Die gedankliche Eigenleistung ist karg, schon 2007, vor Bekanntwerden der Vorwürfe, war seine Arbeit nur mit "rite" bewertet worden, der für das Bestehen gerade noch ausreichenden Note.

Eine missglückte Promotion ist an sich nichts Verwerfliches. Pikant ist jedoch, dass jemand, der in seiner Doktorarbeit in hohem Maße gegen gute wissenschaftliche Praxis verstößt, im Beruf gerade Präsident der Kultusminsterkonferenz ist, die über Qualitätsstandards in Schulen, Hochschulen und in der Berufsausbildung wacht.

Das sollte sich ein Schüler mal trauen: in seinem Aufsatz vom Banknachbarn abschreibem und das als Fußnote vermerken. Dann wird er höchstwahrscheinlich - trotz Gutgläubigkeit - mit der Note „sechs“ bestraft, den Aufsatz dürfte er vermutlich noch einmmal schreiben.

Althusmann, der seinen Doktortitel behalten will, ist als KMK-Präsident nicht mehr glaubwürdig.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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5 Kommentare

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  • A
    Andreas

    „Das sollte sich ein Schüler mal trauen: in seinem Aufsatz vom Banknachbarn abschreibem und das als Fußnote vermerken.“

     

    Dieser Vergleich zwischen Dissertation und Schüleraufsatz nervt einfach nur. Man kann das nicht mal ansatzweise und in keinerlei Hinsicht sinnvollerweise vergleichen, es sei denn mit der Absicht, Promovierende und ihre Leistung herabzusetzen. Etwas mehr Sensibilität diesem BILD-Narrativ gegenüber fände ich angebracht.

  • G
    Gregor

    Der Vergleich mit dem abscheibenden Schüler hinkt nicht nur, er ist einfach falsch. Die Analogie wäre: Ein Schüler schreibt einen Aufsatz, der nicht besonders gut ist. Er bekommt eine 4. zwei Schuljahre später merkt der Lehrer, dass die Arbeit noch mehr Fehler hat und ändert die Zensur in eine 6. Der Schüler hat deshalb ggf. die Versetzung nicht geschafft oder einen Punkt zu wenig fürs Abi. Und das soll nun gerecht sein???

     

    Bei aller Liebe: Es hatte wohl schon seinen Grund, dass Herr Althusmann nur eine 4 bekommen hat. Das ist aber kein Grund für einen Rücktritt.

  • W
    Weinberg

    Liebe Frau Lehmann, lohnt es sich, einem Kommentar über solch einen drittklassigen „Doktor“ Althusmann zu schreiben?

     

    Die Uni Potsdam hat sich letztlich einen Bärendienst erwiesen, denn mit ihrer Entscheidung lädt sie Nachahmer geradezu ein.

     

    War da etwa eine christdemokratische Seilschaft (der "Nächstenliebe") am Werk?

  • BH
    Banjo Hansen

    Schöner Vergleich am Ende. Zur KMK und ihren Komponenten muss man nichts weiter schreiben, außer, dass sie obsolet ist.

  • E
    EnzoAduro

    Das ganze ließt sich so als hätte die Autorin sich die Arbeit von dem Minister gar nicht angeschaut.

     

    "Rite" ist sicher keine tolle Note, aber anders gefragt: Braucht man überhaupt einen Doktor um Bildungsminister zu sein? Und wie ist es im KMK Präsidium? Das ist der springende Punkt. Das "rite" war auch vorher öffentlich, er machte seine Karriere trotzdem. Das war bei Guttenberg ja anders, ob das ganze auch ohne Dr. gegangen wäre ist fraglich (Knapp 40, nicht zu ende Studiert, im Grunde genommen nie gearbeitet)

    Ganz abgesehen ist so ein Betrugsfall natürlich eine Vertrauenszerstörende Angelegenheit erster Güte.

     

    Und wenn man ein Dr. braucht um Bildungsminister zu sein, braucht man den da auch in anderen Ministerien? Oder muss man dann im Familienministerium Kinder haben, im Verteidigungsministerium (jetzt Bundesebene) "seinen Offizier gemacht haben"?