Proteste in Russland: Druck der Straße lässt nicht nach
Erneut demonstrieren in Moskau, Sankt Petersburg und in der Provinz Tausende gegen die gefälschten Wahlen. Expräsident Gorbatschow fordert Neuwahlen.
MOSKAU taz | Russlands Regierungschef Premier Wladimir Putin ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Die Massenproteste nach dem Wahlbetrug der Regierungspartei scheinen ihn nichts anzugehen. Zumindest möchte er den Eindruck erwecken. Am Mittwoch reichte er demonstrativ die Bewerbungsunterlagen als Präsidentschaftskandidat bei der Zentralen Wahlkommission (ZIK) ein. Deren Chef ist Putins Freund Wladimir Tschurow, den Kremlchef Dmitri Medwedjew am Wahlabend gedankenlos noch einen "Zauberer" nannte.
Tschurows Kunststück trieb auch am dritten Tag nach der Wahl Tausende auf die Straße. Bei einer unerlaubten Demonstration ging die Polizei am Dienstagabend mit äußerster Härte vor. Nach Polizeiangaben wurden 300 Demonstranten festgenommen, andere Quellen gehen von mindestens 570 Festnahmen aus. Am Vorabend waren bei einer Massenveranstaltung 300 Oppositionelle in Gewahrsam genommen worden. Hunderte Regierungsgegner werden immer noch festgehalten.
Der Menschenrechtsbeauftragte des Kreml, Michail Fedotow, übte scharfe Kritik an Polizei und Justiz, die den Inhaftierten über Stunden Wasser und Nahrung verweigerten. Das sei "absolut inakzeptabel", sagte er.
"Mich haben sie betrogen. Und dich?"
Unterdessen riefen verschieden oppositionelle Bewegungen im Internet zu einer Demonstration am Sonnabend auf. Die Veranstaltung wurde zwar genehmigt, allerdings dürfen nicht mehr als 300 Demonstranten teilnehmen. In verschiedenen sozialen Netzwerken hatten sich am Mittwoch bereits mehr als 12.000 Leute angemeldet.
Auch in anderen russischen Städten gingen betrogene Wähler auf die Straße. In Sankt Petersburg wurden 200 Demonstranten festgenommen. In der sibirischen Metropole Nowosibirsk protestierten Bürger mit Plakaten "Mich haben sie betrogen. Und dich?". Ähnliche Proteste fanden auch in Jekaterinburg, Saratow, Samara und Rostow am Don statt. Das ist für Russland ein neues Phänomen. Auch in der Provinz formiert sich massenhafter Protest.
Unterdessen macht der Kreml weiter mobil. In russischen Blogs melden sich Pädagogen, die gezwungen wurden, Schüler und Studenten in Moskau als Gegendemonstranten auf die Straße zu schicken. Aus der Provinz wurden Putin-Pimpfe mit dem Versprechen auf "zwei unvergessliche Tage in der Hauptstadt" in Bussen nach Moskau gebracht.
Expräsident Michail Gorbatschow forderte unterdessen den Kreml auf, die Wahlen zu annullieren und Neuwahlen auszuschreiben. Auch der Chef der demokratischen Partei Jabloko, Grigori Jawlinski, plädierte für Neuwahlen. Er empfahl allen gewählten Abgeordneten der systemkonformen Opposition, die Dumamandate niederzulegen.
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