Repression gegen russische Demonstranten: Bundesregierung erwägt Sanktionen
Die Bundesregierung diskutiert, ob sie Sanktionen gegen russische Politiker verhängen soll, die Demonstranten verprügeln ließen. Eventuell sollen ihnen keine Visa mehr ausgestellt werden.
MOSKAU afp | Nach dem harten Vorgehen der russischen Führung bei Protesten gegen die Parlamentswahl denkt die Bundesregierung über Sanktionen gegen russische Regierungsvertreter nach, die Menschenrechte verletzt haben. Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Markus Löning (FDP), sagte der Zeitung Die Welt: "Ich bin auch dafür, dass man gegen einzelne Politiker, Justizvertreter oder Polizisten in Russland, die Menschenrechtsverletzungen zu verantworten oder begangen haben, Sanktionen verhängt."
Löning forderte, dass diesen Verantwortlichen keine Visa mehr für die Europäische Union ausgestellt werden sollten und dass gegebenenfalls ihre Konten im Westen gesperrt würden. "Die Bundesregierung, aber auch der Bundestag debattieren derzeit intern über einen solchen Schritt", sagte der FDP-Politiker.
Mit Blick auf weitere geplante Demonstrationen der russischen Opposition sagte Löning. "Die Bundesregierung appelliert an die Regierung in Moskau, bei den für das kommende Wochenende angekündigten Demonstrationen die demokratischen Spielregeln einzuhalten."
Dazu gehöre, "dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit respektiert und Demonstranten nicht verprügelt oder inhaftiert werden, nur weil sie eine andere Meinung als die russische Regierung vertreten". Eine erneute Begrenzung der Zahl der Demonstranten durch die russischen Behörden wäre laut Löning für die Bundesregierung ebenfalls nicht akzeptabel.
Der Menschenrechtsbeauftragte sagte, in Russland gebe es "viele Verletzungen der Menschenrechte und Verstöße gegen demokratische Grundrechte". "Der Rechtsstaat ist kaum erkennbar", sagte Löning der Welt. Präsident Dmitri Medwedew habe sich "mitnichten für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eingesetzt - im Gegenteil." Und unter Medwedews Vorgänger Wladimir Putin habe es "in Russland eindeutig Rückschritte bei der Entwicklung der Demokratie gegeben". Putin sei "das Gegenteil eines lupenreinen Demokraten".
Seit der Parlamentswahl vom 4. Dezember in Russland haben tausende Menschen gegen den Urnengang demonstriert. Zahlreiche Demonstranten wurden festgenommen. Die Kreml-Partei Einiges Russland hatte bei der Wahl laut offiziellem Ergebnis trotz deutlicher Verluste die absolute Mehrheit der Parlamentssitze erlangt. Die Opposition spricht von schwerem Wahlbetrug, und auch internationale Beobachter stellten Unregelmäßigkeiten fest.
Leser*innenkommentare
Peter Bitterli
Gast
"Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Markus Löning (FDP)": Wäre so einer nicht eigentlich für Menschenrechtsverletzungen in der BRD zuständig? Müsste er nicht Einreiseverbote oder besser Ausbürgerungen fordern für Verantwortliche an Verhafteten, Verletzten und Blinden in Stuttgart, Hiddensee oder entlang von Bahnstrecken?
Benz
Gast
Schon etwas unappetitlich, dieses Säbelrasseln und diese Drohgebärden gegen Russland. Der Westen zeigt sich wieder mal von seiner hässlichen Seite.
Was, wenn RU zur Antwort Sanktionen gegen die dt. Politiker verhängt, die die Stuttgarter Bahnhofsgegner verprügeln liessen? Die für Heiligendamm verantwortlich sind? Die die Demos der Serben im Kosovo brutal auflösen liessen?
Hari Seldon
Gast
Dann werden die Russen erst den deutschen Vertrieblern (welche etwas in Russland verkaufen wollen) keine Visa erteilen, später wird der Gashahn gedrosselt. Einige machen sicht hierzulande lächerlich, und von aussen wollen diktieren, was ein unabhängiges Land machen sollte. Wie im Kindergarten.
Kaufmann
Gast
Woher weiß er, dass es sich um Menschenrechtsverletzungen handelt und wer sie begangen hat. War er persönlich dabei?
Schreiben Sie bitte mehr! Ich möchte wissen, ob Schröder seinen besten Freund dieses Jahr nicht zum Jagen mitbringen darf. Ich will es wissen, liebe TAZ, Genossenschaft des investigativen Journalismus.
müllers Kuh
Gast
"Die Bundesregierung diskutiert, ob sie Sanktionen gegen russische Politiker verhängen soll, die Demonstranten verprügeln ließen." Ha ha! Ja, großartig! Fragt sich bloß, wann mal jemand dafür ist, dass man gegen Politiker, Justizvertreter oder Polizisten in Deutschland, die Menschenrechtsverletzungen zu verantworten oder begangen haben, Sanktionen verhängt. Ach, ich Dussel, Deutschland ist ja das Land der lupenreinen Demokraten, hier darf man Demonstranten moralisch begründet und völlig sanktionsfrei krankenhausreif prügeln. Im Namen des Volkes versteht sich.
Zero
Gast
Was für eine Doppelmoral!
Als am 30.09.10 im Stuttgarter Schlossgarten friedliche Demonstranten geprügelt und mit Wasserwerfern und Tränengas bearbeitet wurden, waren die Stimmen nach Sanktionen gegen die verantwortlichen Politiker und Polizeioffizielle nicht so deutlich wie jetzt im Bezug auf Russland.
Vielleicht sollten die deutschen Politiker ersteinmal innerhalb Deutschlands schauen, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit respektiert und Demonstranten nicht verprügelt oder inhaftiert werden, nur weil sie eine andere Meinung als ein Konzern oder die Regierung haben, bevor sie groß das Maul aufreißen und sich als Beschützer des Menschen- und Demonstrationsrechts zu profilieren.
Herbert
Gast
Das ist so unglaublich heuchlerisch. Gegen die Russischen Politiler wollen sie Sanktionen verhängen, während die gleichen Politiker hier in Deutschland auch brutalst gegen Demonstranten vorgehen. Bei Stuttgart 21 wurden einem die Augen ausgeschossen mit Wasserwerfern und eine Schwangere Frau verprügelt. G8 gab es verletzte Kinder, weil mit Tränengas in die Menge geschossen wurde und beim Castortransport wird regelmäßig brutal vergegangen. Aber im eigegen Land kann man das ja immer schön runterspielen und die aufmerksamkeit auf die bösen korrupten Länder richten. Dabei ist es in Deutschland fast genau so korrupt. Es wird nur nicht so öffentlich praktiziert.
reblek
Gast
"Eventuell sollen ihnen keine Visa mehr ausgestellt werden." - Ein Visum würde denen auch reichen.