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Linkspartei sucht Parteivorsitzende"Gewisser Kreis" empört die Linke

Viele Genossen wollen selbst über ihre neue Führung abstimmen. Aber nun sorgt Gregor Gysi für Unmut. Er will, dass "ein gewisser Kreis" die Kandidaten festlegt.

Alle oder Kungelrunde? Wer darf abstimmen? Bild: dpa

BERLIN taz | In der Linkspartei spitzt sich der Streit um die nächste Parteiführung weiter zu. Führende GenossInnen nutzen die freien Tage, um einander mitzuteilen, was sie von der Idee halten, die Basis über mögliche Vorsitzende abstimmen zu lassen. Bislang gibt es zwei Anwärter für den Job: Fraktionsvize Dietmar Bartsch sowie die amtierende Parteivorsitzende Gesine Lötzsch. Beide möchten sich das Votum der 70.000 Parteimitglieder sichern.

Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic hingegen stellt klar, wie abwegig er diese Idee findet. In einem Gutachten, das der taz vorliegt, schreibt der einstige Richter am Bundesgerichtshof, eine Urwahl oder auch nur die unverbindliche Befragung der Mitglieder verstoße sowohl gegen das Parteiengesetz als auch gegen die Satzung der Linken.

Jeder könne sich gern bewerben, so Neskovic zur taz, aber "das Entscheidungsorgan ist der Parteitag". Gesetz gehe nun mal vor Satzung. "Jene, die sagen, sie wollen den Mitgliederentscheid, die müssen sehen: Was haben wir für Regeln." Wer die nicht akzeptiere, müsse das Parteiengesetz oder die Parteiregeln ändern, so Neskovic.

Gegen einen Entscheid wendet sich auch Gregor Gysi. Der Fraktionschef schlägt vor, ein "gewisser Kreis" solle dem Parteitag ein "kooperatives Führungsteam" vorschlagen. Und Ex-Parteichef Oskar Lafontaine sagt der Sächsischen Zeitung: "Das Parteiengesetz schreibt zwingend vor, dass Parteivorsitzende von Parteitagen gewählt werden." Zudem verbiete der "Respekt" vor dem Führungsduo Lötzsch/Ernst "eine Befragung während ihrer Amtszeit".

Der Ruf nach Transparenz wird lauter

Kurioserweise befürwortet Gesine Lötzsch den Mitgliederentscheid. Der taz sagte sie vergangene Woche, dessen Vorteil liege darin, dass "nicht in Hinterzimmergrüppchen oder Männerbierrunden etwas ausgekungelt" werde. Laut Berliner Tagesspiegel sieht es aber nun genau danach aus. Das Blatt nennt erstmals Namen: Neben Gregor Gysi und Oskar Lafontaine sollen zu dem "gewissen Kreis" Fraktionsvize Ulrich Maurer und Heinz Vietze, Vorstand der Rosa-Luxemburg-Stiftung, gehören.

Der Ruf nach mehr Transparenz bei der Postenvergabe wird davon unbeeindruckt lauter. Steffen Bockhahn, Landesvorsitzender von Mecklenburg-Vorpommern, sagt der taz, der Mitgliederentscheid sei "wichtig und notwendig". Dass es bei der Linken eine Art "Küchenkabinett" gibt, das nach erfolgreicher Kandidatenkür "weißen Rauch aufsteigen lässt", könne ernsthaft niemand wollen.

Schon vor zwei Jahren habe das nicht funktioniert, "jeder, der das nicht zur Kenntnis nimmt, ignoriert Wahlergebnisse". Gregor Gysi wolle wohl "wieder eine Kungelrunde machen. Mit wem eigentlich? Die Landesvorsitzenden hat er noch nicht angesprochen." Bockhahns Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, aus dem Dietmar Bartsch kommt, hat sich vor zwei Wochen für den Mitgliederentscheid ausgesprochen.

Jedes Mitglied kann klagen

Verständnis für das Bedürfnis der Basis nach Mitwirkung signalisiert selbst Wolfgang Neskovic. "Die starken Leute einigen sich und segnen das ab - das ist auch nicht der Weg, wie ich mir das vorstelle", sagt der 63-Jährige, "dennoch wäre ein Mitgliederentscheid bei der geltenden Rechtslage der falsche Weg für eine solche Form der Mitwirkung."

Sollte der Mitgliederentscheid jedoch ohne Änderung der Rechtslage auf den Weg gebracht werden, könne jedes Parteimitglied "vors Schiedsgericht ziehen, gegebenenfalls auch vor ein ordentliches Gericht". Würde er, Neskovic, das tun? Nein, sagt er, "ich bin kein Parteimitglied und habe keine Antragsbefugnis".

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9 Kommentare

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  • P
    Pink

    DIE LINKE hat leider nicht das gehalten, was sie versprach.

     

    Es sind Puzzle-Teile, die sich für mich als NormalbürgerIn zusammenfügen: das Wahlplakat in Kuba, Lötzsch und Ernst dem Diktator zuprostend, den aktuellen Schulterschluss mit dem syrischen Anstifter zum Massenmord. Schulterschluss mit einem Unmenschen, der die Leichenteile lächelnd auf seinem Handy verewigt.

     

    DIE LINKE derzeit ? Nein danke !

     

    Lafontaine hat uns den vermeintlichen Biedermann aus Niedersachsen beschert.

  • W
    Weinberg

    Ich bin mir inzwischen sicher, dass weder führende Köpfe der Linkspartei (wie z.B. der stets etwas vorlaute Ramelow, der mitunter „aufmüpfige“ Bockhahn und die glücklose Vorsitzende Lötzsch) sowie die Schreiber in diesem Forum das Gutachten von Wolfgang Neskovic, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und jetzt parteiloses Mitglied der Linksfraktion, gelesen haben. Das Gutachten ist im Internet zu finden unter http://www.potemkin-zeitschrift.de/wordpress/wp-content/uploads/111223_K%C3%B6nnen-die-n%C3%A4chsten-Parteivorsitzenden-der-Partei-DIE-LINKE.pdf.

     

    Eigentlich dürfte man erwarten, dass die (angeblich) führenden Köpfe á la Bodo Ramelow u. Co. die Satzung ihrer Partei und das Parteiengesetz kennen. Wie sich aus ihren Äußerungen ergibt, sind die Herrschaften offenbar in jeder Hinsicht beratungsresistent oder des Lesens und des Verstehens des Gelesenen nicht kundig. Da davon auszugehen ist, dass sich garantiert ein Mitglied der Linkspartei findet, das den Rechtsweg in Sachen Mitgliederentscheid beschreitet, wird es spätestens vor einem ordentlichen Gericht zu einem bösen Erwachen für die Crème de la Crème der Linkspartei kommen.

     

    Eine Bemerkung zu dem Landesvorsitzenden der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern: Bockhahn ist ein Ziehsohn von Dietmar Bartsch, der wiederum dem Hause Springer in besonderer Weise verbunden ist. Bockhahn und Bartsch zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie den Stasi-Spitzel (IM „Peter Scholz) und heutigen „Reformer“ (will er die Stasi „reformieren“?) André Brie in vielfältiger Weise protegieren. Brie hat als Stasi-Spitzel seinem persönlichen Umfeld auf ganz üble Weise geschadet. Den Rückhalt, den Brie bei Bartsch und Bockhahn genießt, lässt einige Schlüsse auf die Geisteshaltung dieses Trios zu.

     

    Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ein „gewisser Kreis“ ist eine äußerst unglückliche (Wort-)Schöpfung!

  • M
    Marc

    Ist doch ganz klar, dass der demagogische Machtmensch Lafontaine aufs Tableau gehoben werden soll und dieser duldet nunmal eben keine Nebenbuhler und abweichende Meinungen, die sein übersteigertes Ego unterlaufen. Nebenbei soll bestimmt noch ein lukratives Pöstchen für die Wagenknecht abfallen als Belohnung, dass Sie sich mit dem Lafontaine einlassen mußte.

  • L
    loslika

    Hmm, ich habe gehört die Piraten wählen alle ihre Ämter durch die Basis. Für die scheint wohl ein anderes Gesetz zu gelten.

  • HL
    Hauke Laging

    Was für eine Pseudodiskussion. Dann stimmt eben der Parteitag formell ab, nachdem die Mitglieder sich per Urwahl festgelegt haben. Wo ist das Problem?

  • D
    dop

    Verschiedene Ansichten, unterschiedliche Meinungen, Kritik an Genossen, andere Lösungsansätze...PLURALITÄT, und diese auch noch öffentlich äussern?

    Das muss natürlich so stramme Parteisoldaten ala SPD/CDU/Grüne erschrecken.

    Oder sind Sie etwa unabhängig Frau Maier?

  • M
    Marvin

    Die fette Frage ist doch außerdem:

    Wer bestimmt, wenn es denn zum Entscheid kommen sollte, die Kandidierenden?

     

    Die Linke.NRW beschreibt den Mitgliederentscheid im Vergleich zur satzungsgemäßen Parteitagsentscheidung als die demokratischere Lösung:

    http://www.dielinke-nrw.de/nc/linksletter/linksletter_aktuell/detail_ll/artikel/parteitagsentscheidung-oder-urwahl-was-ist-erlaubt-was-ist-richtig/

     

    Mir ist das relativ gleich, ich hätte gerne INHALTE! ÍNHALTE! INHALTÉ!

  • L
    Leif

    Jetzt verlangt die Linke, was die Piraten längst haben!

     

    http://exploringthebazaar.wordpress.com/2011/12/29/der-einfluss-der-piraten/

  • K
    Kommentator (Pirat)

    Was will die Linke:

    "Demokratischen Sozialismus" oder doch eher "Demokratischen Zentralismus" wie DKP und DDR?

     

    Von Sozialismus und von Demokratie scheint man hier meilenweit entfernt zu sein - wie in allen anderen etablierten Parteien.

     

    Hart Backbord, Genossen!