: „Fußball wird automatisch männlich gedacht“
FEMINISMUS Pia Mann und Johanna Kösters von Discover Football, der Kreuzberger Kickerinneninitiative, über die Gendergroßbaustelle Fußball
■ 31, ist Sozialarbeiterin und Fan von Turbine Potsdam und Schalke 04. Beim DFC Kreuzberg spielt sie im zentralen Mittelfeld. Ihre Eltern hätten sie lieber im Schwimmverein oder beim Reiten gesehen.
INTERVIEW ANNA KLÖPPER
taz: Frau Mann, Frau Kösters, die Initiative Discover Football begreift Frauenfußball als Möglichkeit, mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu schaffen. Was haben Fußball und Feminismus denn miteinander zu tun?
Johanna Kösters: Fußballspielen kann Frauen stark machen. Wer sich im Fußball behauptet, kann das auch an anderswo in der Gesellschaft.
Wogegen müssen sich Frauen, insbesondere Fußball spielende Frauen, denn zur Wehr setzen?
Pia Mann: Über den Fußball werden Geschlechterstereotype konstruiert: Die Männer spielen – und sind angeblich – hart, durchsetzungsstark, aggressiv. Alles Eigenschaften, die dem weiblichen Spiel und der Frau in den Rollenzuschreibungen abgesprochen werden. Dass Fußball automatisch männlich gedacht wird, zeigt sich schon darin, dass immer von Frauenfußball, aber nicht von Männerfußball gesprochen wird.
Kösters: Da ist auch viel männliche Angst und Unsicherheit im Spiel. Frauen, die Fußball spielen, verlassen das ihnen zugedachte Rollenverständnis. Sie überschreiten eine Grenze.
Mann: Die verbreitete Reaktion auf solche Grenzverletzungen sind dann zum Beispiel Begriffe wie Mannweiber oder Kampflesben.
Fußballerinnen sind also erstens keine richtigen Frauen und zweitens Lesben?
Mann: Zumindest stellen wir fest, dass Sexismus und Homophobie beim Thema Frauenfußball sehr verschränkt sind. Deswegen haben wir mit unserem Fußballklub DFC Kreuzberg letztes Jahr eine Kampagne dagegen gestartet.
Sie veranstalten Diskussionen zu Genderthemen, laden Frauenmannschaften zu Turnieren ein. Versuchen Sie auch, auf den Verband einzuwirken?
Kösters: Wir wollen sensibilisieren, auch auf Verbandsebene. Es gibt zum Beispiel noch keinen Frauenfußballausschuss im Berliner Fußballverband.
Mann: Wir sind zum Beispiel in der Arbeitsgruppe Zukunftskommission des BFV vertreten. Bis Ende des Jahres soll darüber entschieden werden, ob man den Frauenfußballausschuss will.
Momentan setzen Sie einen Schwerpunkt Nordafrika und Naher Osten, kürzlich gab es in Berlin ein Forum zu Fußball und Frauenrechten in dieser Region. Warum engagieren Sie sich gerade dort?
Mann: Anlass waren die Ereignisse um den Arabischen Frühling. Fußballerinnen in diesen Ländern wollten die Aufbruchstimmung für ihre Zwecke nutzen und mehr Akzeptanz erreichen. Das unterstützen wir.
■ 29, ist Politikwissenschaftlerin und bei Discover Football zuständig für die Projektkoordination. Beim DFC Kreuzberg spielt sie im offensiven Mittelfeld.
Wie kann man sich Frauenfußball in Ländern wie dem Jemen oder Jordanien denn praktisch vorstellen?
Kösters: In Jordanien gibt es eine Nationalmannschaft, die vom Fußballverband auch sehr gefördert wird. Jordanien nimmt da eine Vorreiterrolle ein. Im Jemen oder im Libanon hat Frauenfußball dagegen nahezu keine Lobby. Es gibt private Klubs, aber die verlangen Mitgliedsbeiträge. Das können sich wiederum nur Frauen aus einer bestimmten sozialen Schicht leisten.
Mann: Und in Saudi-Arabien ist Frauenfußball offiziell nicht erlaubt.
Wie erreichen Sie die Frauen in der arabischen Welt?
Kösters: Die Idee lautet Vernetzung, und wir sind die Impulsgeber. Die arabischen Frauenmannschaften auf dem Expertinnenforum hatten zum Beispiel den Plan, untereinander Freundschaftsspiele zu organisieren. Es gibt dort noch zu wenige Frauenklubs auf gleichem Niveau für einen Ligabetrieb. Die Mannschaften können sich nicht verbessern, weil sie keine Spielpraxis bekommen. Und langfristig soll das Expertinnenforum unabhängig von uns in den arabischen Ländern stattfinden. Wir wollen, dass sich dort ein Netzwerk etabliert.
■ Das 2006 gegründete Projekt engagiert sich für Frauenfußball und Frauenrechte sowie gegen Sexismus und Homophobie. Träger ist der Kreuzberger Verein Fußball und Bewegung. Discover Football arbeitet projektbezogen und auf Spendenbasis, rund 20 Frauen und Männer engagieren sich derzeit ehrenamtlich für die Initiative, dazu kommen zwei feste Teilzeitstellen.
■ Nächstes Projekt von Discover Football ist ein Fußballturnier mit Workshopprogramm zu Frauenrechten und Gleichberechtigung für Frauenfußballmannschaften aus Nordafrika und den arabischen Ländern, das vom 21. bis zum 28. Juli in Berlin stattfinden soll. (akl)
Fehlende Strukturen sind das eine – was ist mit den schon angesprochenen Geschlechterstereotypen?
Kösters: Die Frauen müssen sich anhören, dass Fußball ihrem Körper schade, dass sie unfruchtbar würden oder dass sie später kein Mann mehr heiraten wolle.
Im September sagte eine südafrikanische Spielerin auf einer von Discover Football initiierten Begegnung, dass sie Homosexualität als Krankheit ansehe. Sind die Frauen da also selbst noch nicht so weit?
Kösters: In einigen Ländern ist der Homophobiediskurs schlicht noch unmöglich für die Frauen zu führen, weil viel zu gefährlich. Da macht es wenig Sinn, dieses Thema voranzutreiben, wenn die Frauen erst mal froh sein können, dass sie überhaupt spielen dürfen.
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