Regierungschef Putin motzt: Schimpftirade auf Russisch
Wladimir Putin schlägt wieder mal um sich: Die Berichterstattung eines liberalen Radiosenders nannte er "Gequassel" und "Scheiße". Aber bitteschön: Kein Grund, beleidigt zu sein.
MOSKAU afp | Putins Tiraden gegen die Opposition und liberale Medien gehen in eine neue Runde. Der russische Regierungschef sagt bei einem Abendessen mit Journalisten in seinem Landhaus, die Berichterstattung des liberalen Radiosenders Moskauer Echo sei nur "Gequassel". Der Sender würde sich zudem im Streit um die geplante Nato-Raketenabwehr auf die Seite der USA schlagen.
Anschließend forderte er den anwesenden Chefredakteur Alexej Wenediktow auf, nicht beleidigt zu sein. "Wenn ihr den ganzen Tag Scheiße über mir ausschüttet, bin ich nicht beleidigt. Aber Sie sind beleidigt, dabei habe ich nur zwei Worte gesagt", sagte Putin.
In seiner Radiosendung am Donnerstagvormittag äußerte Wenediktow Überraschung über den Angriff. Die Kritik an dem Sender sei "völlig unerwartet" gewesen, sagte der Chefredakteur, der zugleich die Bedeutung des Angriffs herunterspielte. "Wenn ich ihn kritisiere, warum soll er nicht mich kritisieren?", fragte er in seiner Sendung.
Bei dem Abendessen am Mittwoch warf Putin der Opposition auch vor, sich seiner Einladung zu einem Dialog verweigert zu haben. Zugleich griff er den Autor Boris Akunin an, der am Mittwoch gemeinsam mit anderen bekannten Schauspielern, Schriftstellern und Verlegern die Gründung einer Wähler-Liga bekannt gegeben hatte. Erklärtes Ziel der Organisation ist es, die Transparenz der Präsidentschaftswahl im März sicherzustellen, bei der Putin erneut zum Präsidenten gewählt werden will. Putin stellte die Motive von Akunin in Frage. "Soweit ich weiß, ist er ethnische Georgier", sagte Putin. In dem Konflikt mit Tiflis um Südossetien 2008 hätte er daher das russische Vorgehen nicht akzeptieren können.
In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP sagte Akunin am Donnerstag, Putin habe unterstellen wollen, dass er georgischer Agent sei, da sein Vater Georgier war. "Doch er weiß das Schlimmste noch nicht - meine Mutter war Jüdin. Vielleicht bin ich auch ein jüdischer Agent?", sagte Akunin.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen