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Verdienstobergrenze für Minijobs soll steigenKleine Jobs mit hohem Risiko

Minijobs sind eine "Sackgasse" für Frauen, sagen neue Studien der Hans-Böckler-Stiftung. Die Arbeitsministerin will aber die Verdienstgrenze erhöhen.

Häufiger Minijob: Putzen im Privathaushalt. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Verdienstobergrenze für Minijobs soll von 400 auf 450 Euro erhöht werden. Wann, ist aber noch unklar. Ein Zeitpunkt zur Geltung der neuen Grenzen stehe noch nicht fest, erklärte eine Sprecherin von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Donnerstag. Neuregelungen zu den Minijobs sollten im ersten Quartal dieses Jahres "sondiert" werden.

Vor einigen Wochen hatte der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Heinrich Kolb, angekündigt, die Koalition sei sich einig über eine Anhebung der Einkommensgrenze bei Minijobs. Mit der Neuregelung würden Lohnsteigerungen für Minijobber möglich, so Kolb. Die Grenze von 400 Euro würde erstmals seit 2003 erhöht.

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat am Donnerstag scharfe Kritik an der Ausbreitung der Minijobs geübt. Sie seien ein "arbeitsmarktpolitischer Irrweg", sagte Dorothea Voss, Sozialforscherin bei der Stiftung. Jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis sei heute eine solch geringfügige Beschäftigung. MinijobberInnen würden vielfach systematisch niedriger bezahlt als andere Beschäftigte. Knapp 90 Prozent der 7,3 Millionen Betroffenen arbeiten zu sogenannten Niedriglöhnen, das sind Bruttostundenlöhne von weniger als 9,76 Euro im Westen (Osten: 7,03 Euro).

Keinen Anspruch auf Rente

ArbeitnehmerInnen in Minijobs müssen keine Sozialabgaben zahlen, erwerben aber auch keinen eigenen Anspruch auf Krankenversicherung und Rente. Die Arbeitgeber müssen hingegen eine pauschale Abgabe von 30 Prozent des gezahlten Lohnes an die Sozialkassen und Finanzämter abführen. Für normal sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten sind erheblich höhere Abgaben fällig.

MinijobberInnen sind daher oft Ehefrauen, die über den Mann, oder auch Hartz-IV-Empfänger, die über das Jobcenter krankenversichert sind, sowie StudentInnen und Rentner. 2,4 Millionen Arbeitnehmer machen Minijobs als Nebentätigkeit zusätzlich zu einem Hauptjob.

Für rund 4,8 Millionen Beschäftigte ist der Minijob das einzige Arbeitsverhältnis, 3,2 Millionen davon sind Frauen. Minijobs förderten prekäre Erwerbsverläufe bei Frauen, erklärte Christina Klenner, Geschlechterforscherin bei der Böckler-Stiftung. Sie untersuchte anhand von Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) die Berufswege von Frauen im Alter zwischen 22 und 42 Jahren. Auf Phasen eines Minijobs folge selten sozialversicherungspflichtige Arbeit, sondern oftmals folgten Phasen der Arbeitslosigkeit oder wieder ein Minijob, sagte Klenner. Nur neun Prozent der MinijobberInnen arbeiten anschließend auf einer Vollzeitstelle.

Zwanzig Prozent der von Klenner untersuchten Mütter ackern die meiste Zeit in Vollzeit, von den kinderlosen Frauen war dies gut die Hälfte. Damit ist die berufliche Realität der Mütter weit entfernt von der ökonomischen Eigenverantwortung der Frauen, auf die unter anderem das neue Unterhaltsrecht deutlich abstellt.

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8 Kommentare

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  • D
    Dummerjan

    http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Berichte-Broschueren/Arbeitsmarkt/Generische-Publikationen/Frauen-Maenner-Arbeitsmarkt-2011-07.pdf

    S. 6

    Verteilung der nur im Minijob Tätigen nach Geschlecht:

    weiblich 66 %

    männlich 34 %

     

    Geht es mit noch weniger Geld als durch Minijobs? Natürlich, es gibt die 1-Euro-Jobs.

    Verteilung der nur in 1-Euro-Jobs Tätigen nach Geschlecht:

    weiblich 42 %

    männlich 58 %

  • H
    hens-up

    nochmal zu Entlohnte Arbeitszeit:

     

    angenommen wir haben ein jurastudent und einen der keinen abschulss hat. Und beide mach haar genau die selbe tätigkeit, warum soll dann der jurastudent mehr bekommen? wenn es die selbe arbeit ist.

    nur weil er studiert (ne höhre bildung) hat? und der ander nicht. Wenn der jenige ne höhre Bildung hat, warum macht er dann ein 400 Eurojob? das müssen Sie mir mal genauer erklären.

     

    mfg Hens

  • H
    hens-up

    an Entlohnte Arbeitszeit:

     

     

    "Zudem sollten die Stundenlöhne angepasst werden an die Tätigkeit und/oder Qualifizierung. Nicht selten ist es der Fall, dass z.B. BWLerInnen oder ArchitektInnen 20 Stunden wöchentlich für 400 € monatlich arbeiten"

     

    gehts noch?

    warum soll man das Gehalt an die Qualifizierung ansetzten?

     

    1. man arbeite höchsten 20-25 std in der woche, fest Angestellte arbeiten meisten über 42 Std in der Woche

    2. die 400 Eurokräfte sind zur Hilfe da, Sie tragen keine Verantwortung wenn was schief läuft.

    3. 400 Eruokräfte sind echt unzuverlässig (hab ich sehr,sehr oft mit gemacht)

    4. Qulifikation hin oder her, man zwink sie ja nicht dort arbeiten zu müssen, oder?

    5. Wenn man darüber meckert das man nicht soviel bekommt, sollte man sich vielleicht überlegen etwas anders zu machen.

     

    ich persönlich habe mit 400 Eurokräften sehr schlechte erfahrungen gemacht.

    - unzuverlässig,

    - mit nichts zu frieden,

    - kommen nicht pünktlich,

    - halten sich nicht an absprechungen,

    - sind meisten unmotiviert

     

    Wie gesagt das sind meine persönlichen Erfahrungen mit 400 Eurokräften.

  • I
    Irene

    @Volker Rockel:

     

    "- Das Problem ist nicht die Verdienstobergrenze von 400 Euro!- Das Problem entsteht aus der Tatsache heraus, dass die Arbeitsstunden pro Woche nicht gedeckelt sind. D.h., 400 Euro Jobber locker 20 bis 25 Stunden pro Woche leisten müssen und mit Hungerlöhnen abgespeist werden können. -"

     

    Eben. Und wer hat die Deckelung der Arbeitsstunden 2003 aufgehoben? Rot-Grün.

  • AJ
    Andreas J

    Das sind nichts anderes als beschissen bezahlte Halbtagsstellen. Die Arbeitgeber machen aus Vollzeitjobs zwei 400€-Jobs damit sie Sozialabgaben sparen und sich so aus ihrer sozialen Verantwortung ziehen können. Die Kosten trägt die Gesellschaft.

  • VR
    Volker Rockel

    Das Problem ist nicht die Verdienstobergrenze von 400 Euro!- Das Problem entsteht aus der Tatsache heraus, dass die Arbeitsstunden pro Woche nicht gedeckelt sind. D.h., 400 Euro Jobber locker 20 bis 25 Stunden pro Woche leisten müssen und mit Hungerlöhnen abgespeist werden können!

     

    Mithin werden auch Vollzeitjobs mit 160 Stunden pro Monat zunehmend durch zwei 400 Euro Jobs abgelöst;- zumindest dort, wo eine Tarifbindung oder ein Mindestlohn nicht besteht.

     

    Im Übrigen gilt festzuhalten, dass sich auch 400 Euro Jobber in der Rentenversicherung versichern lassen können. Denn diese können sich von der "Befreiung zu Zahlungen in die Rentenversicherung" wiederum befreien lassen.- Nur häufig verzichten Arbeitgeber darauf, dieses den 400 Euro-Jobbern zu erläutern!

  • DQ
    Der Querulant

    "ArbeitnehmerInnen in Minijobs müssen keine Sozialabgaben zahlen, erwerben aber auch keinen eigenen Anspruch auf Krankenversicherung und Rente. Die Arbeitgeber müssen hingegen eine pauschale Abgabe von 30 Prozent des gezahlten Lohnes an die Sozialkassen und Finanzämter abführen. Für normal sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten sind erheblich höhere Abgaben fällig."

     

    Damit ist eigentlich schon alles gesagt, lebenslange Armut. Generell sollte aber deutlich ausgesprochen werden, daß es sich bei jeder Arbeit, die kein Leben ohne staatliche Alimentation ermöglicht, um eine Form der Sklaverei handelt. Kein Mensch sollte sich dem unterwerfen, insbesondere dann nicht, wenn er anderen Menschen dadurch zu Reichtum verhilft. Wenn dann auch noch mehr Eigenverantwortung gefordert wird, ist das nur Hohn und Spott.

     

    Solange sich aber nicht einmal die Betroffenen selbst dagegen zur Wehr setzen, versklavt zu werden, dies nach jahrzehntelanger gründlicher Gehirnwäsche vielleicht sogar nicht einmal mehr erkennen und verstehen, so lange wird das Ausmaß der Unterdrückung und Ausbeutung mehr und mehr zunehmen.

     

    Mal sehen, wozu dieses Wachstum in zwanzig Jahren führen wird.

  • EA
    Entlohnte Arbeitszeit

    Danke für diesen Artikel! Dieses Thema kann nicht oft genug angesprochen und verdeutlicht werden.

     

    Dennoch ein paar Anmerkungen:

     

    "Nur neun Prozent der MinijobberInnen arbeiten anschließend auf einer Vollzeitstelle."

     

    Weshalb muss es denn gleich eine Vollzeitstelle sein?

    Ein guter Anfang wäre auch schon mal, wenn z.B. alle Arbeitgeber auch das normale Arbeitsrecht ebenso bei MinijoberInnen geltend anwenden würden (bzgl. Urlaub, Krankheit etc.).

     

    Zudem sollten die Stundenlöhne angepasst werden an die Tätigkeit und/oder Qualifizierung. Nicht selten ist es der Fall, dass z.B. BWLerInnen oder ArchitektInnen 20 Stunden wöchentlich für 400 € monatlich arbeiten.

     

    "ArbeitnehmerInnen in Minijobs müssen keine Sozialabgaben zahlen, erwerben aber auch keinen eigenen Anspruch auf Krankenversicherung und Rente."

     

    ArbeitnehmerInnen müssen nicht, können aber Ansprüche auf Rente freiwillig zahlen und erwerben. Dadurch schmälert sich dann der Nettolohn und bringen tut es auch nicht wirklich viel, da die Rente auf jeden Fall unter der Grundsicherung liegen würde, wenn der Fall der Rente eintreten sollte. Aber möglich ist es.

     

    "Die Arbeitgeber müssen hingegen eine pauschale Abgabe von 30 Prozent des gezahlten Lohnes an die Sozialkassen und Finanzämter abführen. Für normal sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten sind erheblich höhere Abgaben fällig."

     

    Auch das stimmt meines Erachtens nicht wirklich. Arbeitgeber zahlen zwar 30% (ohne KV) anstelle der Hälfte von ca. 40% (inkl. KV), aber immerhin noch weniger als die gesamten Lohnnebenkosten bei "NormalverdienerInnen" jenseits der Gleitzone. So zahlt der AG bei geringfügig Beschäftigten nur noch den Teil des AN mit. Der AN ist aber dennoch nicht versichert (siehe oben).

    Würden die ArbeitnehmerInnen in die Gleitzone rutschen, also derzeit mind. 401 € brutto verdienen, zahlt der AG sogar weniger (ca. 25% LNK), nur der Arbeitnehmer darf/muss ebenso Beiträge an KV, RV und SV zahlen. AN schmälert zwar sein Nettolohn, wäre aber voll (!) versichert. Für den Arbeitgeber wird es so sogar günstiger!!! Aber ich glaube, dass alle AG mittlerweile so davon überzeugt sind, dass sog. Minijobs günstiger sind, dass sie das einfach machen, weil es von oben doch so eingerichtet worden ist. Denken tut da anscheinend niemand mehr.

     

    Auch ist es sicherlich weiterhin möglich, Arbeitnehmer nicht als sog. geringfügig Beschäftigte bei der Knappschaft anzumelden (Minijob), sondern ganz normal als Arbeitnehmer auf Lohnsteuerkarte zu führen, auch wenn der monatliche Verdienst unter 400 € brutto liegen sollte.

     

    "Minijobs" müssen nicht als solche angenommen werden, es gibt viele Möglichkeiten, weniger zu arbeiten und/oder zu verdienen (aus welchen Gründen auch immer), aber dennoch versichert zu sein!

     

    Besser aber wäre, wenn dieser Irrtum endlich wieder abgeschafft werden würde.

     

    Und zum Schluss:

     

    "Damit ist die berufliche Realität der Mütter weit entfernt von der ökonomischen Eigenverantwortung der Frauen, auf die unter anderem das neue Unterhaltsrecht deutlich abstellt."

     

    Wer hätt's gedacht?!?

     

    Auch trotz guter Kinderbetreuung arbeiten Mütter als ALG-II-Aufstockerinnen nicht selten als sog. Minijoberin ohne Rechte ;-)

     

    Ganz zu schweigen von den behinderten Eltern... oder Eltern mit behinderten oder kranken Angehörigen... (sie arbeiten übrigens auch alle, nur nicht entlohnt)

     

    Logische Konsequenz, zumindest zum Ausprobieren, schlimmer kann's nicht werden:

     

    Das bedingungslose Grundeinkommen.