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Saddam herrscht in gewohnter Manier den Richter an

Nach 6 Wochen Pause geht der Prozess gegen Iraks Exdiktator weiter. Per Video erste Zeugenaussage eines inzwischen Verstorbenen

Gleich zu Beginn des zweiten Verhandlungstags im Prozess gegen Saddam Hussein, hat Iraks Exdiktator erneut seine rhetorische Finesse unter Beweis gestellt. Wie schon beim Auftakt des Prozesses am 19. Oktober zeigte er jedoch auch dieses Mal keine Spur von Reue oder Scham für die ihm zur Last gelegten Verbrechen.

Saddam gab sich beim Betreten des Gerichtssaals betont leutselig und grüßte jovial. Ein weißes Tüchlein in der Brusttasche erinnerte die Zuschauer dabei an die Vorliebe des früheren Despoten für Designeranzüge.

Wenig später schlüpfte Saddam gegenüber dem Richter Risgar Mohammed Amin freilich in die gleiche Herrscherpose, die er schon zum Prozessauftakt an den Tag gelegt hatte. In scharfem Ton beklagte er sich über die Behandlung durch die Wachen. Er habe in Handschellen vier Stockwerke zu Fuß gehen müssen, weil der Aufzug stecken geblieben sei, sagte Saddam.

Als der Richter in seiner sachlichen, aber freundlichen Art erwiderte, er werde die Angelegenheit mit den Wachen klären, fiel im Saddam unwirsch ins Wort. „Sie sollen sie nicht informieren, Sie sollen den Befehl erteilen“, sagte Saddam in scharfem Ton. „Sie sind Besatzer, Sie haben ihnen die Befehle zu erteilen.“ Anschließend lieferte er sich mit dem Richter einen Wortwechsel über seine Rechte und beschwerte sich, dass man ihm seine Notizen, Papier und Stift abgenommen habe. Wütend fing er an, den Richter anzubrüllen. In dem Moment wurde die Fernsehübertragung jedoch abgebrochen. Wenig später sah man Saddam, wie er, mit großer Brille, Block und Stift ausgestattet, wieder auf seinem Sitz in der ersten Reihe des Käfigs mit den Angeklagten Platz genommen hat.

Ohne großes Aufhebens hat Amin den ehemaligen amerikanischen Justizminister Ramsey Clark und seinen katarischen Kollegen Najib al-Nuaimi als Verteidiger von Saddam zugelassen. Dabei gab er Nuaimi sogar die Gelegenheit, die Legitimität des Gerichts in Zweifel zu ziehen.

Wie schon im Oktober fand auch der zweite Prozesstag unter extremen Sicherheitsvorkehrungen statt. Dabei wurden nach den Morden an zwei Anwälten abgesehen von Clark und Nuaimi auch keine Aufnahmen der Verteidigung gezeigt. Erst am Sonntag war bekannt geworden, dass die Polizei in Kirkuk vergangene Woche acht sunnitische Araber festgenommen hat, die ein Mordkomplott gegen Chefankläger Raid Dschuhi geplant haben sollen.

Darüber hinaus verlas Amin die frühere Aussage eines Belastungszeugen, der kürzlich an Krebs verstorben ist. In der auf Video aufgezeichneten Aussage belastet der ehemalige Kommandeur in der Staatssicherheit vor allem Saddams Halbbruder Barsan und den früheren Vizepräsidenten Taha Jassin Ramadan schwer. Barsan Ibrahim Hassan habe nach dem vereitelten Attentatsversuch in dem schiitischen Dorf Dudschail 1982 den Befehl erteilt, 400 Männer und Kindern ins berüchtigte Gefängnis Abu Ghraib zu transportieren, obwohl nur eine kleine Gruppe an dem Attentatsversuch beteiligt gewesen sei. Ramadan habe den Befehl zur späteren Zerstörung der Dattelhaine und Häuser erteilt.

Es war einer der Anwälte von Hassan und Ramadan, der von Unbekannten ermordet wurde. Die beiden Angeklagten haben nach Beschluss von Richter Amin jetzt eine Woche Zeit, sich neue Verteidiger zu suchen. Bis dahin ist der Prozess vertagt. INGA ROGG

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