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Portugal in der Eurokrise"BB mit fallender Tendenz"

Die größten Proteste seit 30 Jahren: Gegen die EU-Sparauflagen demonstrierten in Lissabon bis zu 300.000 Menschen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 14 Prozent.

Protestierende Portugiesen: Zur Demo gegen die Sparmaßnahmen der Regierung kamen 300.000 Menschen zusammen. Bild: dpa

MADRID taz | "Nein zur Ausbeutung, nein zur Ungleichheit, nein zur Verarmung!", lautete das Motto der Großdemonstration, zu der Portugals Gewerkschaften am Samstag in Lissabon gerufen hatten. 300.000 Menschen füllten den Praça do Comercio in der Innenstadt.

Es war die größte Protestversammlung in 30 Jahren. "Sparen macht nicht reich", rief Arménio Carlos, der Generalsekretär der CGTP, der stärkten Gewerkschaft des Landes. "Vielmehr müsste dem Land der Hals aus der Schlinge gezogen werden, damit es atmen, leben und arbeiten kann", fügte er hinzu.

In dieser Woche wird die Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) nach Portugal reisen, um die Sparbemühungen der konservativen Regierung unter Pedro Passos Coelho zu kontrollieren. Es wird der dritte Quartalsbesuch der Troika sein, seit das arme, südwesteuropäische Land im Mai 2011 ein Hilfspaket von 78 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm erhielt.

Die damit verbundenen Sparmaßnahmen drohen Portugal zu ersticken. Bereits in den vergangenen Monaten geriet die Wirtschaft in die Rezession. Für 2012 wird ein Minus von 3 bis 5 Prozent vorhergesagt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 14 Prozent, der Konsum ist auf einem historischen Tief angekommen. Dennoch hat die Regierung Passos Coelho die Troika-Ziele sogar übererfüllt: Das Haushaltsdefizit sollte erst bis Ende 2012 von 9,8 Prozent auf 4,5 Prozent gedrückt werden. Doch schon zum Jahresende 2011 war es so weit.

Rating auf Ramschniveau

Die Sparmaßnahmen sind tiefgreifend. Staatliche Unternehmen wie Energieversorger und Stromnetzbetreiber sowie das Transport- und Bankwesen werden privatisiert. Im gesamten öffentlichen Dienst wurde gekürzt. Arzt- und Krankenhausbesuche sind zuzahlungspflichtig. Arbeitslosengeld und Renten wurden gesenkt, die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent angehoben.

Wer mehr als 1.000 Euro im Monat verdient, muss auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten. Der gesetzliche Mindestlohn in Portugal liegt bei 485 Euro. "Das sind Netto 432 Euro, während die Armutsgrenze bei 434 Euro liegt", beschwert sich CGTP-Chef Alves Carlos.

Bis 2013 soll sich Portugal auf den Finanzmärkten wieder mit Geld versorgen können. Doch die Ratingagenturen haben das Land mittlerweile auf Ramschniveau herabgestuft - auf "BB mit fallender Tendenz". Daher nehmen die Spekulationen zu, dass Portugal - wie Griechenland - ein zweites Hilfspaket und einen Schuldenschnitt benötigen könnte.

Auf dem Gipfel der EU-Finanzminister in der vergangenen Woche wurde ein Gespräch von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit seinem portugiesischen Kollegen Vitor Gaspar mitgeschnitten, das diese Vermutungen bestätigt. "Wenn wir das Programm verändern müssen, sind wir bereit", ist Schäuble zu hören. "Das würde uns sehr freuen", bekommt er zur Antwort. In den nächsten Tagen will Portugal Anleihen in Höhe von 1,5 bis 2 Milliarden Euro aufnehmen. Dies gilt als Probe, wie die Märkte reagieren.

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3 Kommentare

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  • V
    vic

    So kann`s gehen, wenn das Verursacherprinzip außer acht gelassen wird, und die Falschen die Rechnung bezahlen sollen.

    Griechenland, Portugal- der nächste bitte.

  • R
    RLS

    Ich verstehe nicht dass die regierenden Politiker in Griechenland, Portugal,

    Spanien, Italien die mit dem Rücken an der Wand stehen, nicht folgende Worte aussprechen: Der Kapitalismus ist Tot

     

    Wir brauchen ein neues Wirtschaftssystem, dass nicht wie ein Monopolyspiel aufgebaut ist.

     

    In dem es Mindestlöhne und Renten gibt.

    In dem es aber auch Grenzen des Reichtums gibt, und eine Deckelung bei den Renten.

    Firmen dürfen nur bis zu einer gewissen Grösse wachsen.

    Zwischen Privatvermögen und Firmenvermögen muss unterschieden werden.

     

    Die Schloßallee und die Parkstrasse darf es nicht mehr geben,

    denn diese beendet dass Spiel.

     

    Wir brauchen neue Spielregeln für Banken und Firmen,

    die vom Volk gemacht werden.

     

    Man schimpft über den Kommunismus,

    macht aber den gleichen Fehler, weil man alles über Brüssel lenken will.

     

    Dass ganze System muss neu bedacht werden.

    Man muss aus den Fehlern des Kommunismus und des Kapitalismus lernen.

     

    Auch muss dass Volk mehr an die Politik geführt werden,

    denn egal was wir für ein System hatten, die Herrschenden haben meistens nichts getaugt.

     

    Das Geld muss an Bedeutung verlieren, es sollte keine Gottheit sein sondern ein Zahlungsmittel.

     

    Medien müssen endlich frei sein, sie sollten Nachrichten bringen, und nicht welche machen (z.B. durch Umfragen, bei denen die Schwachen sich anschliessen).

     

    Die Griechen haben Recht auf die Strasse zu gehen.

    Das Wirtschaftssytem muss für den Menschen gemacht sein,

    und nicht umgekehrt.

    Dass hat dieser Hohlblock Merkel noch nicht kapiert,

    die grosse Worte schwingt weil sie von der Automobilindustrie profitiert.

     

    Mit jedem Jahr, werden noch schnellere, leistungsfähigere Maschinen kommen. Es kann also kein Ende der Krise kommen, wenn die Produkte nicht gleichmässiger verteilt werden.

     

    Ein Linker kann auch Reich sein hat dieser Schwachkopf von Klaus Ernst gesagt.

    Vielmehr hat M. Gandhi Recht:

    Auf dieser Welt gibt es genug für jedermanns Bedürfnisse,

    aber nicht für jedermanns Gier.

     

    Darauf muss ein funktionierendes Wirtschaftssystem aufgebaut sein.

     

    Ein Linker kann Reich sein, aber sein Reichtum wird Klaus Ernst nie verstehen.

    Oder wie der Mann von Nazareth sagt:

    Sein Reichtum ist nicht von dieser Welt.

     

    Wie lange Lügen wir noch herum, bis wir endlich zugeben werden.

    Dieses System hat fertig !!!

  • F
    Fordler

    In dieser Woche wird die Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) nach Portugal reisen, um die Sparbemühungen der konservativen Regierung unter Pedro Passos Coelho zu kontrollieren.

     

    Wenn sie nicht bis dahin in Griechenland verhaftet wurden.