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Nachruf auf Whitney HoustonEin Auf und Ab über drei Oktaven

Mit ihren schier endlosen Tremoli sang sich Whitney Houston an die Spitzen der Charts. Ihre softer Soul traf den Geschmack der 80er und frühen 90er Jahre.

"Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht" (Brecht). Damals noch im Scheinwerferlicht: Whitney Houston 2010. Bild: dapd

BERLIN taz | "I will always love you" hat "Anthem-Status", es ist eine Hymne. Und als solche wurde sie von der Plattenfirma Arista nach der Erstveröffentlichung 1992 auch vermarktet: ein schwülstiges, äußerst eindringliches Liebeslied. Ein Lied, an dem die Sängerin in ihrer gesamten Karriere gemessen werden würde.

Eindringlich in seiner getragenen balladesken Form, eindringlich vor allem in der selbstzerstörerischen Botschaft: Eine Liebesgeschichte ist zu Ende, aber die Vortragende will davon einfach nicht ablassen. Ja, kündigt sie an, ihrem Mann sogar lebenslang treu bleiben zu wollen, trotz "bittersüßer Erinnerungen".

Eindringlich ist "I will always love you" auch im epischen Vortrag. Whitney Houstons Stimme umfasste drei Oktaven. Sie konnte tremolieren, die Silben ins Endlose dehnen, damit schier unfassbaren Nachdruck erzeugen. "The Voice" wie ihre Stimme respektvoll bezeichnet wurde: Nur durch sie brachte Houston "I will always love you" ganz nach vorne in die Charts.

Bis heute wird der bekenntnishafte Song stark nachgefragt. Ein Evergreen, Millionen Hörer auf der ganzen Welt sind mit ihm vertraut. Viele verbinden besondere Erinnerungen mit ihm. Der Rest erkennt ihn zumindest sofort beim Wiederhören. Und er gehört nach wie vor zur Heavy Rotation im Hitradio. Ein seltsames Allheilmittel gegen Liebeskummer.

Schwarze Mittelklasse

Whitney Houston stammte aus der schwarzen Mittelklasse. Sie wuchs in einer behüteten Musikerfamilie in Newark/New Jersey auf. Sie war sehr hübsch, modelte, bevor sie als Sängerin arbeitete. Bereits ihre Mutter war Gospelsängerin, ihre Patentante ist Aretha Franklin, Dionne Warwick ist ihre Cousine, selbst ein Weltstar, der etwa Songs von Burt Bacharach interpretierte. Whitney übte ihr gesangliches Talent zunächst im Background bei Stars wie Chaka Khan. Das war harte Arbeit im Studio und auf der Bühne, mit der Spiritualität von Gospel hatte das kaum mehr zu tun. Houstons Karriereweg durch das Musikbusiness schien vorgezeichnet.

Im Mainstream der 80er Jahre allerdings bedeutete dies etwas grundlegend anderes als noch die emanzipativen Bekundungen der Soulsänger zehn Jahre vorher. Während die Soulsänger den Wunsch nach gesellschaftlichen Veränderungen ganz oben auf ihre Tagesordnung gesetzt hatten und dies mit enormer künstlerischer Kreativität umsetzten, sagten die 80er etwas anderes: Schönheitsoperationen und blaue Kontaktlinsen statt "Black is Beautiful" und natürliche Schönheit.

Überdosis Sweetness

Überzuckert war auch der Sound, den sich Whitney Houston für ihre ersten Alben maßschneidern ließ, opulente Streicherarrangements, synthetische Drums. Der ganze Horror von "Midi"-Equipment und 36-Kanal-Studioexzessen. Auch textlich war sie damals dem Nouveau-riche-Wohlstand der Weißen näher als den entbehrungsreichen Erfahrungen der innerstädtischen Gettobewohner.

Von Anfang an wurde Houston jenseits der Colourline als Popstar vermarktet. "Ohne Verschwitztheit", wie Newsweek einmal verächtlich schrieb, die man bei authentischen schwarzen Popsängern offenbar voraussetzte. Selbst in der Black Community wurde Houstons Karriere zwiespältig aufgenommen. Der afroamerikanische Autor Nelson George schrieb über Houston als "transformierte Schwarze". Ihre Musik sei "farbenblind". Sie eifere "einem angelsächsischen Lebensstil nach" und glaube, dass man "alles der Anhäufung von Kapital opfern" dürfe, eine, so George, "zweifelhafte Errungenschaft der Assimilation".

Allerdings mit Erfolg: Schon Whitney Houstons Debütalbum von 1985 verkaufte sich 15 Millionen Mal. Bis heute hat sie die astronomische Summe von insgesamt 170 Millionen Einheiten verkauft. Eine Zahl, die selbst andere Superstars nur durch Multi-Promotion, strengstes Welttournee-Reglement und virales Marketing auf allen Kanälen rund um die Uhr erreichen dürften.

Eintritt in den Olymp

Houston stammt aus einer Zeit, als das Musikfernsehen die Zukunft von Pop markierte. Als das Auftauchen in einem Hollywood-Soundtrack den Eintritt in den Olymp bedeutete. Als selbst die Paparazzi noch wie Knipser aus dem Streichelzoo wirkten.

Nur war der Alltag in den USA der 80er Jahre kein Streichelzoo. Die ökonomische Ungleichheit drückte sich in der erstarkten HipHop-Bewegung aus. Rapper, die glaubhaft über die Armut rappten, die Aufnahmetechnik gegen die Gebrauchsanweisung benutzten und die Wege in die Gewalt, den Zustand des Verfalls, der die Gettos wie einen tödlichen Virus befallen hatte, zum Thema machten.

Wahrscheinlich muss man diese ökonomische Ungleichheit gerade auch in der Tragik von Whitney Houstons späterer Karriere genauer untersuchen. Das ewige Verlangen nach mehr "Authentizität". Die Horror-Ehe mit dem minderbegabten Rapper Bobby Brown, seine Gewaltexzesse, der Weg in die Drogen, die Entziehungskuren, die Magersucht. Das Scheitern, an dem auch keine posthume Grammy-Verleihung, keine ungebrochene Beliebtheit mehr etwas ändern werden können. In Wahrheit war "I will always love you" der Anfang vom Ende.

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5 Kommentare

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  • AL
    Anna Log

    AUSGEHUSTET

  • OP
    Otto Pardey

    Ich bin erschüttert über den Tod von Whitney Houston.

    Neben Celine Dion war sie eine der besten Sängerinnen

    weltweit.

  • AD
    auf den Punkt, bitte

    So what?

    Lobenswert, daß das Lobesgeschwurbel sich in Grenzen hält. Es bleibt aber der Eindruck, daß auch dem Autoren nicht klar sei, warum man über jemanden einen Nachruf schreiben müßte, der vielleicht mit einer großartigen Stimme und Technik gesegnet war, aber nichts gemacht hat, was irgendwie hörenswert oder bedeutend gewesen wäre.

    Dann sollte er das vielleicht mal deutlicher sagen:

     

    Whitney Huston war mit Stimme und Technik gesegnet.

    Whitney Huston hat jede Menge Sch.... aufgenommen.

    Whitney Huston ist damit irre reich geworden.

    Und jetzt ist sie tot.

    Mehr gibt es nicht zu sagen und eigentlich müßte man da auch nicht drüber schreiben.

    Ende.

     

    Det würd ick mir ma wünschen, wa!

  • I
    Ihra

    Lieber julian weber -

     

    schade wenn ein nachruf letztlich weniger von der saengerin erzaehlt, als von dem geschmack und weltbild des autors ("Überdosis Sweetness"); sich auf seltsame quellen der bewertung bezieht (die konservative WASP Newsweek?!?! really?!?!; und das ganze mal eben kurz vor dem hintergrund des U.S. amerikanischem Rassismus etc. abzurunden versucht. Und all das, ohne irgendwie bezug auf die blickweise etc der künstlerin selbst auf diese scheinbaren zusammenhänge zu nehmen.

     

     

    Schade.Sie haette mehr verdient!

  • K
    KunstIstKunst

    Es kotzt mich einfach nur an, dass die ARD heute diese Withney Houston-Hollywood-Propaganda-Schnulze "Bodyguard" zeigt statt, passend zur Berlinale, mit dem ursprünglich geplanten "Fish Tank" großartiges europäisches Kino.

    Dabei haben die den vor 4 Tagen schon mal gezeigt.

    20 Jahre ist die Heulboje mindestens weg vom Fenster - und kein einziges ihrer Lieder hat jemals wirklich die Welt bewegt. Die ist doch kein Vergleich zu Michael Jackson und diesen Schrottfilm sollte man verbieten. Warum zeigen sie nicht einfach ein Konzert von ihr? Schließlich war sie Sängerin. Als Schauspielerin hat sie allenfalls die rotzfaulige Himbeere verdient - und die ARD für die Wiederholung dieses Unsinns einen kräftigen Arschtritt. Gebühren streichen sofort!

     

    Kommentar gekürzt. Bitte achten Sie auf unsere Netiqutte.

    Die Moderation