Hamburgs verhuschte Elbphilharmonie-PR: Ängstlich wie ein Lämmlein
Obwohl die Stadt stets vorgeführt wird, wenn neue Vorwürfe des Baukonzerns Hochtief durch die Medien geistern, kontert sie nicht mit offensiver PR. Eine Reflexion.
Jetzt wird die Elbphilharmonie endlich weitergebaut. Das ist gut, denn sie ist ja nicht nur ein Konzerthaus. Sie ist auch mediales Groß-Event, das man gut verkaufen muss, weil es so teuer und umstritten ist. Da ist es für alle Akteure - Architekten, Stadt und Hochtief - wichtig, die Medien im Boot zu haben, um mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren.
Denn deren Wahrnehmung entscheidet über die gesellschaftliche Akzeptanz des Baus. Und um die zu festigen, wäre es günstig, wenn die Stadt - wegen Missmanagements ohnehin am Pranger - durch brillante "Verkaufe" punkten würde. Rein numerisch könnte sie das, gibt es doch neben einem Pressesprecher der Realisierungsgesellschaft auch einen Elbphilharmonie-Projektsprecher sowie die Presseleute der Kulturbehörde.
Trotzdem wirkt die städtische PR seltsam verschreckt und ungelenk, wenn wieder einmal Vorwürfe von Hochtief durch die Medien gehen; dass der Konzern diese Dinge gezielt lanciert, kann man vermuten. Fakt ist jedenfalls, dass die Stadt regelmäßig wie ertappt dasteht - selbst wenn ein Teilerfolg errungen ist: Kurz nachdem die Stadt Hochtief wegen Bauzeitverlängerung eine Rechnung über 40 Millionen Euro geschickt hatte, forderte Hochtief in der Welt weitere 60 Millionen - ein Betrag, der von der Stadt nie anerkannt wurde.
Es handelte sich also um Forderungen und nicht um reale Schulden der Stadt. Doch deren Presseleute versäumten es, dies richtig zu stellen. Auch dass der Gutachter, der die Stadt bezichtigte, die Risse in der Tube verschuldet zu haben, befangen war, wusste die Behörde. Aber anstatt eine Vita dieses einstigen Hochtief-Mitarbeiters herauszugeben, wartete man lämmergleich, bis die Medien es bemerkten.
Warum dieses Stillhalten? Fürchtet man, die Öffentlichkeit zu manipulieren? Ist man zu ängstlich, um sich zu verteidigen? Oder glaubt man, die Wahrheit werde von selbst siegen?
Manches spricht für Letzteres, und diesmal scheint es funktioniert zu haben. Da vermeldeten Medien Anfang der Woche plötzlich den Abzug von Ingenieuren von der Baustelle. Die Behörde reagierte "irritiert", und das wars. Dafür dachte die SPD-Fraktion laut darüber nach, Hochtief zu kündigen. Ein scheinbar gelungener Medien-Coup, denn prompt erklärte der Konzern, er wolle - nach viermonatigem Baustopp - mehr Stützen einziehen und das statisch komplexe Dach weiterbauen. Bis dato hatte Hochtief hierfür stets eine Order der Stadt gefordert. Die verwies auf staatliche Gutachten, die die Statik verifiziert hatten.
Warum dieser Sinneswandel? Die Kulturbehörde glaubte es zu wissen: Dies sei der Hartnäckigkeit der Stadt zu verdanken, tönte man in einer eilig versandten Pressemeldung. Die Fakten aber dürften anders liegen: Denn die Kündigungsdrohung wegen Bauzeitverzögerung stand schon lange im Raum, ohne dass es Hochtief gestört hätte. Aber dass staatliche Bauprüfer die Statik jüngst erneut bestätigten, machte wohl mürbe. Wegen Leistungsverweigerung wollte man wohl doch nicht belangt werden.
Die jüngste Jubel-PR der Behörde schießt also etwas übers Ziel hinaus. Aber vielleicht ist das ja der Anfang einer wirklich professionellen Pressearbeit. Damit man wenigstens dann nicht mehr vorgeführt wird, wenn man es mal gut gemacht hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!