Kolumne zur Leipziger Buchmesse 2012: Manisch-depressive Tennisshorts
Um zum taz-Stand zu gelangen, muss der Besucher in Leipzig zunächst durch die tazpresso-Schlange. Dahinter findet er Frohnaturen, Loser und „ganz normale“ Frauen.
N ein, die Leute sind nicht allein wegen des Kaffees da, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Hinter der langen Schlange verbirgt sich Weltliteratur am laufenden Band. Jede Stunde spricht ein taz-Redakteur mit einem Autor über sein neues Buch und Dinge, die die Welt bewegen. So sind die Leute am Donnerstagmittag gekommen, um zusammen mit Anja Maier im taz-Studio über das Klischee der Berliner Prenzlauer-Berg-Mutti zu lachen.
Und wo sie schon mal dabei sind, beim Lachen, bleiben sie danach direkt sitzen und beömmeln sich zusammen mit dem Autor und Kabarettisten Frank Goosen über das Ruhrgebiet, die Geschichte des VFL Bochum, Autobahnkreuze und Komplexe der Bochumer gegenüber Städten wie Berlin oder New York.
Liebevoll plädiert Goosen in seinem neuen Buch „Sommerfest“ sowie auf der taz-Couch für Selbstironie und Zusammenhalt im Ruhrgebiet – trotz Ruß im Kragen und hässlicher Innenstädte.
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Differenzen auf der Couch
Nicht so richtig zusammengefunden haben die Autorin Andrea Paluch und taz-Moderator Peter Unfried. Seine Interpretation ihres Buches „Zwischen den Jahren“ – die Geschichte einer Frau um die vierzig, die ihre Karriere bereitwillig für die Familie und ihren geschwätzigen Ehemann aufgab, weil sie sich selbst nichts zutraut und ihn dennoch (oder gerade deshalb) betrügt – konnte Paluch nicht nachvollziehen.
Emanzipation, Feminismus und Politik seien nicht das Thema des Buches gewesen. Vielmehr habe sie ein Schlaglicht auf ein Leben werfen wollen, wie man es leben kann, ohne zu verzweifeln. Es geht, sagt Paluch mit Nachdruck, „Um eine normale Frau, die gerne normal ist und gerne ein normales Leben führen will“. Eine Zuschauerin im taz-Studio bestätigt die Auffassung: „Das ist alles nicht so dramatisch“.
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Sehr harmonisch hingegen plauderte Unfried mit dem Autor Frank Schulz über seinen ersten Krimi „Onno Viets und der Irre vom Kiez“. Es ist die Geschichte eines nicht mehr jungen Mannes, der nichts so richtig kann, und weil ihm der Fiskus im Nacken sitzt, schnell Privatdetektiv wird. Er trägt Tennisshorts mit „manisch deppressivem Muster“ und hegt seine Gfa-Obsession – gemütliche Fernsehabende.
Die haben die Beziehungsflüchtlinge in Arnon Grünbergs „Mit Haut und Haaren“ wohl kaum, deren quälendes Telefonat die Studiobesucher am späten Nachmittag mitanhören durften. Grünbergs Protagonisten sind damit beschäftigt, sich am Telefon darüber zu streiten, ob sie nun gerade ein Gespräch führen oder nicht – und ob sie nebenbei tippen oder nicht, obwohl es eigentlich ums Fremdgehen geht.
Fazit: Eigentlich alles im Lack, prüfe wer sich ewig... und: Augen auf bei der Berufswahl!
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