: Beirat erzwingt Lärm-Debatte
LÄRM Weil die Bahn zu wenig Schallschutz errichtet, verweigert der Beirat Mitte erneut den Verkauf der Fläche für die "Oldenburger Kurve". Jetzt debattiert die Bürgerschaft
Gleich zwei Staatsräte sind am Dienstagabend ins Doventor gekommen, um über Lärmschutz und „Oldenburger Kurve“ zu sprechen. Heiner Heseler aus dem Wirtschaftsressort und Wolfgang Golasowski aus dem Umweltressort haben auf der Sitzung des Beirates Mitte persönlich über ihre Verhandlungen mit der Deutschen Bahn berichtet. Genützt hat es nichts: Der Beirat verweigerte erneut die Zustimmung zum Verkauf der Brachfläche hinter dem Güterbahnhof. Der Grundstücksverkauf und der Schutz vor Bahnlärm soll deshalb nun Thema in der Bürgerschaft werden.
Überhaupt befragt werden musste der Beirat, weil das Grundstück von der städtischen Wirtschaftsfördergesellschaft verkauft wird. Die Bahn will darauf das neue Gleis „Oldenburger Kurve“ bauen. Für sie muss es schnell gehen, der Gleisneubau wird aus dem Sonderprogramm „Seehafen-Hinterlandverkehr“ finanziert, das Geld muss bis 2013 ausgegeben sein. Der Beirat aber knüpfte an den Verkauf der Fläche mehr Lärmschutzmaßnahmen. Die Bahn allerdings macht nur wenige Eingeständnisse, sie fürchtet einen Präzedenzfall. Zusätzlich zu Schallschutzwänden an der neuen „Oldenburger Kurve“, zu der sie nach Emissionsschutzgesetz ohnehin verpflichtet ist, soll entlang der Nicolaistraße, zwischen Breitenweg und Doventorsteinweg eine Wand gezogen werden. Auf der Brücke über den Breitenweg will die Bahn die Schienen „besohlen“. Außerdem werde sie eine Schienenkopf-Konditionierung „ernsthaft erwägen“, mehr aber sei nicht drin, berichtet Staatsrat Heseler. Lärmschutzwände für die Breitenweg-Brücke zumindest nicht, obwohl der Beirat darauf Wert legt. Denn das Knattern der Brücke strahlt besonders stark in die angrenzenden Wohngebiete. In der Nicolaistraße etwa liegt tagsüber die durchschnittliche Lärmbelastung bei über 75 dB(A). Ab 60 dB(A) gilt Lärm als gesundheitsschädlich, die Anwohner leiden also unter einer mehr als doppelt so hohen Lautstärke.
Mit dem neuen Gleis soll ein weiterer Anschluss in Richtung Oldenburg entstehen, um den Verkehr aus Bremerhaven und vom neuen Jade-Weser-Port besser bewältigen zu können. „Das Schlimmste aus Sicht des Wirtschaftsressorts wäre es, wenn die Oldenburger Kurve nicht gebaut würde“, sagte denn auch Heseler, denn der Verkehr werde so oder so zunehmen. So oder so führt der auch durch das Nadelöhr des Bremer Hauptbahnhofs und damit quer durch die Innenstadt. Dass der Beirat deshalb erweiterten Schallschutz entlang der ganzen Strecke fordert, dafür habe er schon Verständnis, sagte Staatsrat Heseler, „Hauptsache es macht keine Schule“. Noch am Morgen habe er mit der Bahn telefoniert, noch mal gefragt, ob nicht mehr drin ist. Etwa, wenn die Stadt Gelder locker machte, die eigentlich nicht da sind.
Das aber könnte sich nun ändern. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner und der SPD-Umweltpolitiker Arno Gottschalk waren selbst zur Sitzung gekommen und bekräftigten, noch in den aktuellen Haushaltsverhandlungen Gelder für den Lärmschutz in der Stadt zu reservieren.
Spannend werden könnte für Lärmgeschädigte neben der Parlamentsdebatte am 24. April auch ein Termin am Oberverwaltungsgericht. Am selben Tag wird dort die Klage gegen den Ausbau vom Gleis 1 erörtert, das auf der anderen Seite des Hauptbahnhofes liegt. Unter anderem könnte das Gericht dabei eine Einschätzung zum sogenannten „Baugruben-Modell“ abgeben. Danach wurde bislang für Lärmschutz-Maßnahmen beim Neubau von Gleisen nur der Lärm zu Grunde gelegt, der neu hinzukam. Wenn sich das ändert, müsste für Schallschutz der Lärm aller Gleise bemessen werden – und das könnte auch für die Oldenburger Kurve gelten.
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