Streit der Woche: „Der Sonntag als echter Frei-Tag“
War früher alles besser? Familienministerin Schröder vermisst die Trennung von Arbeitszeit und Freizeit. Eine Vorgängerin von ihr lobt den technischen Fortschritt.
CDU-Familienministerin Kristina Schröder kritisiert die zunehmende Ausdehnung des Arbeitslebens in die Freizeit. E-Mails, Homeoffice und Smartphones „verleiten zu einer gefühlten Dauerverfügbarkeit, die irgendwann nicht mehr gesund ist“, schreibt sie in einem Gastbeitrag für das Wochenendmagazin der taz zu der Streitfrage der Woche, ob früher alles besser gewesen sei.
Der Sonntag sei einmal ein Tag gewesen, „an dem man Zeit und Ruhe hatte, um den Kopf frei zu bekommen und gemeinsame Zeit mit der Familie und mit den Freunden zu verbringen, ganz ohne Blick auf die Uhr“, schreibt Schröder. Inzwischen werde der Sonntag jedoch für immer mehr Deutsche regelmäßig zum Arbeitstag. Insbesondere die Öffnung von Geschäften am Sonntag „zerstört den letzten Rest von Wochenrhythmus“, beklagt Schröder. Ihr Plädoyer: „Der Sonntag als echter Frei-Tag - das sollten wir uns retromäßig wieder stärker gönnen.“
Eine Vorgängerin von Schröder als Familienministerin verteidigt hingegen die Errungenschaften der Gegenwart. „Allein die Erfindung des Kühlschranks hat zur Langlebigkeit beigetragen. Denn früher wurde alles gesalzen, wenn man Lebensmittel über den Winter bringen wollte“, schreibt die CDU-Politikerin Ursula Lehr, die von 1988 bis 1991 dem Kabinett von Helmut Kohl angehört. Diese früher verwendete Methode der Lebensmittelkonservierung könne jedoch „krebserregend sein und ist der Gesundheit auch sonst nicht besonders förderlich.“ Und außerdem: „In den 50er-Jahren musste man noch die Windeln waschen, einweichen, kochen, bleichen. Das war grauenhaft lange Arbeit. Heute geht das zack, zack!“
Den kompletten Streit der Woche, unter anderem mit dem Nostalgieforscher Clay Routledge, der Hamburger Köchin Cornelia Poletto und der chinesischen Rentnerin Ma Jun lesen Sie in der sonntaz vom 16./17. Juni. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.
Celília Schulz Tavares, die 1971 als Gastarbeiterin nach Deutschland einwanderte, bewertet die Vergangenheit unter einem anderen Aspekt: „Die wirtschaftliche Lage Deutschlands war so viel entspannter als heute. Wir jungen Menschen von damals brauchten uns keine Gedanken über die Arbeit zu machen, es gab überall welche – wie Sand am Meer. Wenn ich heute den Stress und den mentalen Druck der Jugend betrachte, so was gab es früher einfach nicht.“ Heute hätten viele junge Menschen keine Arbeit und die, die welche haben, würden ungerecht behandelt. „Früher, da war die Arbeit wirklich noch gerechter: Wenn acht Stunden am Tag vereinbart waren, arbeitete man auch nur acht Stunden. Heute werden die Arbeitnehmer immer mehr ausgenutzt.“
Kriminalität geht zurück
Florian Berndschneider, jüngster Bundestagsabgeordneter und FDP-Mitglied, sieht im Heute wiederum auch viel Positives. Trotz der häufig verbreiteten Behauptung, die Jugend sei nicht mehr dieselbe und verdürbe mehr und mehr, sei die Jugendkriminalität seit Jahren rückläufig. „Auch von mangelndem gesellschaftlichen Verantwortungsgefühl junger Menschen kann kaum die Rede sein. Über 23 Millionen Menschen sind in Deutschland ehrenamtlich aktiv und leisten unentgeltlich jede Woche Großartiges.“
taz.de-Leser Justin Witzeck hat eine Erklärung, warum die Vergangenheit oft verklärt wird. Der Grund sei, „dass es vorbei ist, dass wir wissen, wie es abgelaufen ist, und wir es offensichtlich überlebt haben. Das kann man von der Zukunft natürlich nicht sicher sagen.“
Die sonntaz-Frage „War früher alles besser?“ diskutieren außerdem Clay Routledge, Nostalgieforscher aus den Staaten, die Hamburger Spitzenköchin Cornelia Poletto und die Rentnerin Ma Jun aus der chinesischen Hauptstadt Peking – in der sonntaz vom 16./17. Juni. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.
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