Venezuelas Opposition boykottiert

Drei wichtige Oppositionsparteien nehmen nicht an den Parlamentswahlen teil

SANTIAGO taz ■ Drei venezolanische Oppositionsparteien haben vorgestern angekündigt, dass sie sich am kommenden Sonntag nicht an den Parlamentswahlen beteiligen werden. Der Nationale Wahlrat begünstige Kandidaten der Regierung, sagte Henry Ramos Allup, der Generalsekretär der „Demokratischen Aktion“ (AD).

Außerdem gewährleisteten die elektronischen Wahlmaschinen die Anonymität der Wähler nicht ausreichend. Deswegen müssten die Wahlen verschoben werden. Die sozialdemokratische Traditionspartei stellt im Kongress 23 von 165 Abgeordneten, die gesamte Opposition bringt es auf 79 Sitze.

Die christdemokratische Copei und die konservative Partei „Projekt Venezuela“ schlossen sich dem Boykott an, nicht aber die ebenfalls oppositionelle Bewegung zum Sozialismus (MAS). Ihr Generalsekretär Leopoldo Puchi bezeichnete den Rückzug als „politischen Fehler“, kritisierte aber die Regierung: „Sie müsste den Argumenten zuhören, anstatt sie abzutun und lächerlich zu machen.“ Auch er warf der Wahlbehörde Manipulation vor: „Sie hat bei der Bevölkerung eine Stimmung bewirkt, die die Wahlbeteiligung nicht fördert.“

Vizepräsident José Vincente Rangel wies den Vorwurf zurück, dass Staatschef Hugo Chávez die Wahlkommission kontrolliere. Es stünden die „saubersten Wahlen in der Geschichte“ Venezuelas bevor, behauptete Rangel, „sollen sie sich doch zum Teufel scheren“. Ähnlich äußerte sich Chávez: „Sollen sie sich doch zurückziehen, sollen sie doch aus der Geschichte verschwinden“, rief der Präsident. „Wir brauchen sie nicht.“ Hinter dem Boykott stünde die US-Regierung: „Das ist wieder ein Versuch, den Gang der bolivianischen Revolution aufzuhalten.“ Die Regierungspartei „Bewegung Fünfte Republik“ lag in den letzten Umfragen bei etwa 60 Prozent.

In der Tat erinnert das Vorgehen der venezolanischen Opposition an die Strategie der US-nahen Rechtsparteien während der sandinistischen Revolution in Nicaragua. Obwohl die Wahlen 1984 technisch einwandfrei organisiert wurden und sich andere bürgerliche Parteien daran beteiligten, erkannte die US-Regierung nach einem Boykott wichtiger Oppositionsparteien den klaren Sieg der damaligen sandinistischen Regierung nicht an und warf ihnen weiterhin totalitäre Bestrebungen vor – ähnlich wie sie dies derzeit mit Hugo Chávez tut. GERHARD DILGER