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Kommentar Abschlussbericht FukushimaGrößte anzunehmende Plattitüde

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Aus jedem GAU kann man etwas lernen. Aber nie genug, um den nächsten zu verhindern. Dass der Abschlussbericht konstatiert, Fukushima wäre vermeidbar gewesen, ist perfide.

H interher ist man immer schlauer. Und so ist es nicht mehr als eine Plattitüde, dass der Fukushima-Abschlussbericht einer Untersuchungskommission nun zu dem Schluss kommt, die Katastrophe wäre vermeidbar gewesen.

Denn zwangsläufig muss man bei einer durch technische Anlagen ausgelösten Katastrophe zu exakt dieser Erkenntnis kommen. So wie man auch von jedem Verkehrsunfall im Rückblick sagen kann, wie er abzuwenden gewesen wäre.

Politisch betrachtet, ist die Erkenntnis, der mehrfache Super-GAU von Japan sei vermeidbar gewesen, gleichwohl perfide. Denn so platt die Aussage an sich ist, so soll sie doch suggerieren, dass es nur menschliches Versagen war, was die Heimat von mehr als 100.000 Menschen unbewohnbar machte.

taz
Bernward Janzing

ist Autor der taz.

Im Umkehrschluss soll damit die Atomtechnik entlastet werden gemäß dem Spielplan: Wir haben die Ursache des verhängnisvollen Unfalls gefunden, wir werden handeln, wir werden ähnliche Versäumnisse künftig ausschließen. Die Technik selbst, so die Botschaft, war und ist sicher.

Ein absurdes Spiel. Die einzige vernünftige Erkenntnis aus Fukushima kann nur sein, dass Kernspaltung eine Technik ist, die nicht in jeder Situation beherrschbar ist. Sie ist hochriskant, weil Fehler zum Desaster führen können. Zwar kann man aus jedem GAU etwas lernen, aber eben nie genug, um den nächsten GAU zu verhindern – und wie der aussehen könnte, dafür gibt es unzählige Szenarien, die auch Atomexperten nicht überblicken.

Doch diese unbekannten Risiken verdrängen viele Politiker und Ingenieure seit Jahrzehnten. Erinnert sei daran, wie Atomwissenschaftler in den achtziger Jahren noch zum Besten gaben, der größte anzunehmende Unfall in einem Leichtwasserreaktor sei der Bruch einer Hauptkühlmittelleitung. In Fukushima stehen exakt solche Leichtwasserreaktoren. Es ist an der Zeit, zu fragen: Wie oft noch will die Welt hinterher schlauer sein?

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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4 Kommentare

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  • N
    noevil

    Vielleicht sollten weltweit alle AKW-Betreiber per Gesetz verpflichtet werden, die Risiken ihrer AKW's endlich zu versichern.

     

    Nur - wer erlässt solche Gesetze? Keiner - richtig.

     

    Und warum - auch, weil sie schlicht unbezahlbar wären, richtig.

     

    Denn damit würde der Strompreis endlich in die Höhe steigen, die seinen Risiken gerecht werden würde, stimmt's?

     

     

    Abgesehen davon hat Naoto Kan-San bereits während seiner aktiven politischen und persönlich vermutlich schwersten Zeit sicherlich mehr an Achtung verdient als die Häme, die ihm nun von Seiten seiner Gegner und aller Hinterher-Besserwisser der Welt entgegenschlägt.

     

    Man muss sich nur die Alternativen zu seinem damaligen Handeln, also ein Handeln nach heutigen moralischen Vorstellungen in all seinen Auswirkungen vor Augen führen:

     

    Das hätte ein beispielloses Chaos, eine unvorstellbare Panik zur Folge gehabt - und zwar im ganzen Land, einer durch Erdbeben und Tsunami zusätzlich geschüttelten Inselwelt, also geographisch begrenzt. Wie und wohin und wie finanziell stemmbar wäre eine Evakuierung schon allein des Großraums Tokio (immerhin 34 Millionen Bewohner) nur 250 km von Fukushima entfernt, durchführbar gewesen? Könnte sich das auch nur einer der heutigen Kritiker vorstellen?

     

    Nein. Was er mit seiner Regierung tat, war furchtbar - notwendig, und es wird noch bittere Opfer und Tränen kosten und all mein bescheidenes Mitgefühl. Wenn Vorwürfe, dann bitte an die Erbauer, die Betreiber TEPCO und an die jetzige Regierung, die all dies nicht sehen will und sich wieder in dieselben Risken hineinschleicht wie vor Fukushima, ohne auf einen Menschen wie Naoto Kan-San zu hören, der diese unvorstellbare Belastung mit Würde getragen und mutig bis zu seinem politischen Rückzug gemeistert hat. Er fordert den vollständigen Rückzug aus dieser Hochrisiko-Technologie und den sofortigen Umstieg auf alternative Energieerzeugung. Das Land hat die Möglichkeiten. Auch neue Arbeitsplätze würden entstehen.

     

    Vor ihm und seiner jetzigen umweltpolitischen Arbeit habe ich höchsten Respekt und wünsche ihm, dass ihm noch viel mehr Menschen zuhören und folgen. Auch unsere Politiker...

  • V
    vic

    Es muss erst was passieren, bevor der Mensch bereit ist zu lernen.

    Doch leider genügt das auch nicht, wie es scheint.

  • G
    Gerda

    Ein geistig sehr, echt sehr armer Artikel - was soll es bringen, solche Artikel auf dem Niveau des Robin-Wood-Infoblättchens zu veröffentlichen? Nur noch zum Gähnen, was der taz zum Thema "Atomkraft" einfällt - und erschreckend, wie die taz alle internationalen Vorfälle nur aus der urdeutschen Persoektive sieht. Man merkt halt doch deutlich, dass es der taz an richtigen Journalisten in der Redaktion mangelt und da nur noch Menschen wie "Bernward Janzig" rumsitzen.

  • T
    tsitra

    Gewissermaßen längst überfällig war diese Havarie

    der Reaktoren.

    Japan war durch die geologische Faktenlage jahrzehntelang Top-Favorit für

    diese nukleare Katastophe!

     

     

    Die "friedliche Nutzung der Kernenergie" entstammt aus einer charakterlichen Haltung der "untersten Schublade".

     

    Es ist technisch und geologisch schlicht nicht möglich den Atommüll jahrtausende sicher zu lagern, somit ist Atomkraft ein "Ausverkauf", ein "Verramschen" unseres Planeten.

    Viele tausende Krebserkrankungen an den Menschen viel zu früh sterben werden billigend in Kauf genommen um vermeintlich kostengünstig an Strom zu kommen.

    (Aber egal, denn Krebs kriegen immer die Anderen...)

     

     

    Der Tsunami bzw. das Erdbeben war NUR der Auslöser.

     

    Die GRÜNDE (!) für diese radioaktive Verseuchung in Fukushima sind u.a. vor allem:

     

    1- Eine ausgeprägte "Geiz ist Geil"- Mentalität (Gier nach [vermeintlich] billigem Strom) fast aller!

     

    2- Machbarkeitswahn bzw. Größenwahn. (*Allmachtsfantasien*)

     

    3- Ignoranz gegenüber der zigtausend-Jahre-Bedrohung und krankmachenden Wirksamkeit der radioaktiven Strahlen.

     

    4- Zwanghafte "Selbstverwirklichung" der beteiligten Ingenieure/Techniker, deren charakterliche Reife sich meist auf Niveau von Kindern, die "was bauen" wollen, befindet.