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VS-Broschüre in ThüringenVerfassungsschutz schafft sich ab

Eine Broschüre des skandalgeschüttelten Thüringer Verfassungsschutzes bildet kommentarlos NPD-Werbung ab. Lokalpolitiker sind entnervt.

Das umstrittene Deckblatt der VS-Broschüre zeigt unkommentiert ein NPD-Wahlplakat. Bild: Archiv

Die Mutter lacht, der Vater lacht, und auch der kleinen Tochter, von ihrem Vater huckepack genommen, geht es augenscheinlich gut. Es könnte Werbung für Zahnpasta sein oder das Elterngeld, wäre da nicht der Schriftzug: „Deutsche Kinder braucht das Land.“ Oben prangt fett das Logo der rechtsextremen NPD.

Aber es ist keine Broschüre der NPD, auf dem das Wahlplakat abgebildet ist. Das 24 Seiten umfassende Heftchen wird herausgegeben vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz. Man muss genau hinschauen, um dieses Detail in zarter Schrift zu entdecken.

Martin Trostmann, parteiloser Bürgermeister von Marksuhl, empört das. „Mir geht schon lange auf die Nerven“, sagt er, „dass ein von Steuergeldern finanziertes Heft so aussieht wie NPD-Propaganda.“ Dieses Mal wandte er sich an eine Regionalzeitung.

Die Verfassungsschützer machen Werbung für die verfassungsfeindliche NPD: Ganz so will es Dagmar Neisen, die Sprecherin des Landesamtes für Verfassungsschutz, allerdings nicht sehen. Es sei schließlich kein Heft für die Öffentlichkeit, sondern werde monatlich an Verwaltung, Polizei und Justiz verschickt, um „über spezielle Erscheinungsformen des politischen Extremismus“ zu informieren.

Die Bebilderung erfolge „zum Zwecke der Aufklärung, um zum Beispiel darstellen zu können, mit welchen Themensetzungen Extremisten in der Öffentlichkeit aktiv sind“.

Und deshalb muss man Plakate unkommentiert auf der Titelseite abdrucken? „So ein Schweinekram ist zur Illustration nicht geeignet“, schimpft Bürgermeister Trostmann. Gerade wenn die Zielgruppe der öffentliche Dienst sei, sei doch eine klare Haltung gefragt.

Das Plakat passt nicht einmal inhaltlich: Im Heft geht es zwar um Rechtsextremismus und die NPD. Um Regionalkonferenzen, eine rechtsextreme Musikveranstaltung und eine Hausdurchsuchung bei einem Nazi-Klamottenlabel. Die rassistische Familienideologie der NPD kommt aber nicht vor. Es sieht ganz danach aus, als suche der Thüringer Verfassungsschutz, einer der Hauptversager in der NSU-Affäre, nach weiteren Gründen für seine Abschaffung.

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13 Kommentare

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  • Z
    zampel

    @chrischan74: mit dem Argument könnte man auch so ziemlich jede NSDAP-Werbebildchen wieder in Bundesbehörden auflegen. Vor allem ist der Schriftzug eindeutig nationalistisch geprägt. NICHTDEUTSCHE Kinder braucht das Land nicht, sagt der aus.

     

    Kommt sicherlich auch sehr gut, wenn bei irgend einem Behördenmitarbeiter ein Heftchen mit so einem Schriftzug auf dem Tischlein liegt. Wirkt ja direkt vertrauensstiftend.

  • L
    lelolek

    Das Plakatmotiv hat der Thüringer Verfassungsschutz möglicherweise direkt aus der Mediendatenbank genommen, wenn die Wahlplakate beim VS inhouse produziert worden sein sollten. Das würde mich inzwischen nicht mehr wundern.

  • C
    Chrischan74

    Das ist doch nichts weiter als die typische links-grüne Empörungstaktik.

    Hier wird mal wieder der kausale Zusammenhang verdreht um einen Skandal zu konstruieren. Und statt sich zu wehren, igelt sich die CDU in Thüringen ein und wartet die Rücktrittsforderungen, die selbstverständlich sofort erfüllt werden, ab.

  • GR
    Gerhard Ripper

    Hier ist nicht nur die CDU verantworlich...seit 2009 wird Thüringen von einer Koalition aus CDU und SPD (!!!) regiert.

  • P
    pfizi

    kein wunder,wir die einfachen dummen bürger wissen schon lange durch welche sog.verfassungsschützer dieser verein gegründet wurde,eine schande für jeden ehrlichen bürger

  • T
    T.V.

    Langsam sollte doch auch der Letzte kapiert haben, daß die beiden Vereine nicht nur einseitig eng zusammenarbeiten.

  • JD
    Jeff D.

    na, wenn da mal nicht wieder die Spur nach Hessen führt

  • D
    D.J.

    Empörungspippi in seiner albernsten Ausformung. Rechtsextremismus ist der Schwerpunkt des Heftes. Wer den Kontext nicht sofort erkennt, wenn er das Heft in der Hand hält (von dem wir hier nur einen Ausschnitt sehen), sollte schleunigst seine Wahrnehmungsfähigkeit überprüfen (das rate ich auch dem Bürgermeister von Marksuhl). Übrigens ist der Schriftzug "Verfassungsschutz" auf anderen Abbildungen des Heftes weit besser zu erkennen - Absicht?

  • C
    Celsus

    Die Ursache dürfte doch klar sein: Alle Innenminister der CDU wollten knackig rechte Behördenleiter - und sie haben es geschafft. Der Verfassungsschutz von Thürigen ist mutmaßlich inzwischen so durchsetzt von knackig Rechten, dass seine weitere Existenz ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung ist und dort vor allem für Migranten.

     

    Ist die CDU in Thüringen nicht selber schon so von mutmaßlichen Verfassugnsfeinden unterwandert, dass sie von Rechts wegen überwacht werden müsste?

  • V
    vic

    Das ist sowas wie der publizistische Endsieg der NPD- Werbung im Verfassungsbeschmutzerheft.

    Nächste Woche lesen sie bei uns: Was Deutschland NICHT braucht.

  • D
    Dora

    WAHNSINN !

  • G
    Gedanken.krach

    Quis custodiet ipsos custodes - Wer überwacht die Wächter?

  • W
    wim

    >> Es sei schließlich kein Heft für die Öffentlichkeit, sondern werde monatlich an Verwaltung, Polizei und Justiz verschickt, um „über spezielle Erscheinungsformen des politischen Extremismus“ zu informieren.