Fluglärm-Volksbegehren schwächelt: Ein Aufschrei ist das nicht
173.000 Unterschriften braucht das Volksbegehren für ein strengeres Nachtflugverbot am BER. Aber dahin ist es noch ein weiter Weg.
Für die Betreiber des neuen Hauptstadtflughafens BER ist das alles entscheidende Datum der 17. März 2013. Wird der neue Airport dann endlich den Betrieb aufnehmen? Die Initiatoren des Volksbegehrens über ein strenges Nachtflugverbot schielen derweil auf einen anderen Termin: den 28. September. Bis dahin müssen die notwendigen 173.000 Unterschriften gesammelt sein, um notfalls einen Volksentscheid erzwingen zu können. Ob diese Hürde zu nehmen ist, ist zur Halbzeit der Unterschriftensammlung völlig offen.
Niemand weiß genau, wie viele Unterschriften seit Beginn der Sammlung am 29. Mai zusammengekommen sind. In den Bürgerämtern sieht es eher mau aus. 5.000 bis 6.000 gültige Unterschriften dürften hier bis Ende Juli gesammelt worden sein, schätzt Ilka Gnendinger, Mitarbeiterin bei der Landesabstimmungsleitung. Verwunderlich sei das nicht. „Die meisten Unterschriften werden auf der Straße gesammelt“, weiß Gnendinger.
Auch die SammlerInnen können derzeit keinen stadtweiten Zwischenstand nennen. Die Grüne Liga, die das Anliegen unterstützt, schätzt aber ihren bisherigen Ertrag auf rund 10.000 Unterschriften. Und laut Eberhard Bock vom Bündnis Südost gegen Fluglärm wurden im Berliner Südosten vor einer Woche rund 15.500 Unterschriften an die Verwaltung übergeben. Dagegen sind in Lichtenrade bisher gerade einmal 2.000 Unterschriften zusammengekommen. Herbert Rinneberg, einer der Initiatoren des Volksbegehrens, glaubt nicht, dass schon die Hälfte der notwendigen Unterschriften gesammelt ist.
Nur fünf Stunden soll die Nachtruhe am Flughafen BER währen - von 0 Uhr bis 5 Uhr. Das bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Oktober 2011. Das Volksbegehren für ein strenges Nachtflugverbot fordert, den Zeitraum auf 22 Uhr bis 6 Uhr auszudehnen. Regierungs- und Militärflüge sollten weiterhin nachts starten, verspätete Linienflüge landen können.
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Nach der geplatzten BER-Eröffnung hat der Senat das Nachtflugverbot in Tegel gelockert, um das zusätzliche Flugaufkommen zu bewältigen. Die massive nächtliche Lärmbelastung soll nun zum 1. August etwas abnehmen: Starts nach 23.30 Uhr bedürfen dann einer Sondergenehmigung.
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Derweil entscheidet das Bundesverwaltungsgericht heute, ob das Genehmigungsverfahren für den BER neu aufgerollt werden muss. Anwohner haben geklagt, weil sie sich ausgetrickst fühlen: Die im Planfeststellungsplan angegebenen Flugrouten hatten sich später als falsch erwiesen. Bekämen die Kläger recht, könnte das den BER-Start um Jahre verzögern.
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Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rechnet nicht damit, dass das Gericht der Flughafengesellschaft Steine in den Weg legt: "Flugrouten werden nie schon mit dem Planfeststellungsbeschluss festgelegt, sondern erst zu einem späteren Zeitraum", sagte er am Montag.
Ist damit ein Scheitern des strengeren Nachtflugverbots absehbar? „Ich würde das Volksbegehren auf keinen Fall für tot erklären“, sagt Anne Dänner, Sprecherin des Vereins Mehr Demokratie. Bis zum 28. September sei noch Zeit, zumal jetzt die Sommerferien zu Ende gingen, in denen viele potenzielle UnterstützerInnen und UnterschriftensammlerInnen verreist sind. „So ein Volksbegehren kann gerade im letzten Drittel noch einmal richtig an Dynamik gewinnen“, glaubt Dänner. Gleichzeitig räumt sie ein, dass das Thema Nachtflugverbot am BER nur eine begrenzte Zahl an Menschen tangiert. „Es ist eher ein klassisches Nimby-Problem“. „Nimby“ steht für „Not in my backyard“ (Nicht in meinem Hinterhof) und damit für ein Thema, das nur eine lokal betroffene Gruppe zum Widerstand motiviert. Die Kämpfer für ein strengeres Nachtflugverbot sitzen vor allem im Südosten sowie in Südspandau und in Steglitz-Zehlendorf. Anders sei es bei den Volksbegehren zur Wasser- und Energieversorgung, die ganz Berlin betreffe, so Dänner.
Die Vertreter des Nachtflugbegehrens sind sich dieser Problematik bewusst. „Nicht jeder schreit bei dieser Frage auf“, sagt Eckhard Bock. Sein Mitstreiter Herbert Rinneberg hebt hervor, dass auch der Zeitraum für die Unterschriftensammlung schwierig sei. Einerseits wegen der Sommerferien. Andererseits, weil der Flughafen eben nicht wie geplant am 3. Juni seinen Betrieb aufgenommen hat. „Somit ist für viele Betroffene die künftige Lärmbelastung noch nicht spürbar“, sagt Rinneberg. Am liebsten hätte man nach der Eröffnungsabsage des BER auch das Volksbegehren verschoben. Das aber habe die Landesabstimmungsleitung mit Verweis auf die Fristen abgelehnt.
Möglicherweise hat es das Volksbegehren aber auch schwerer, weil sich derzeit die Aufmerksamkeit der Medien in Sachen Flughafen auf den nicht funktionierenden Brandschutz konzentriert. Die Nachtflug-BefürworterInnen wollen in der zweiten Halbzeit jedenfalls alle Kräfte mobilisieren. Dazu sollen in den nächsten Tagen Kampagnen gestartet werden. Doch auch für den Fall, dass die 173.000 Unterschriften nicht bis zum 28. September beisammen sind, gibt sich Eckhard Bock zuversichtlich. „Es ist schon ein Erfolg, wenn die Stadt mehr über dieses Thema spricht.“
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